Gurkensalat

Schwank zum Thema Beziehung

von  Dieter_Rotmund

Mit einem mich fast überwältigenden Gefühl von Traurigkeit fuhr ich heute vormittag zurück nach Hürth. Die Septembersonne schien durch leichten Dunst auf die breiten Fahrbahnen von A5, A6 und A 61. Als ich am Hockenheimring vorbeirollte, dachte ich daran, dass diese Strecke dreimal Ort einer Niederlage für mich gewesen war, als ich an den jährlich dort stattfindenden Einzelzeitfahren teilnahm, trotzdem hatte ich an diesem Tag kein schlechtes Gefühl deswegen. Im Gegenteil. Und so schlief das Gefühl der Traurigkeit in mir ein und wurde von einem leicht melancholisch-nostalgischen Gefühl ersetzt. Ich meinte, 3000 Kilometer fahren zu müssen. Wenn genug Platz zwischen der unendlich großen Armada der Laster war, wechselte ich schon mal auf die ganz rechte Spur. Ansonsten bin ich, ich gebe es zu, doch eher ein "Mittelstreifenpenner". Ich fuhr defensiv, hörte die Verkehrsnachrichten, von keinem Stau war die Rede. Aber um 12:15 Uhr, kurz vor der Ausfahrt Weilerswist, bremsten alle Autos ab, bis sie schließlich gar nicht mehr fuhren, ich natürlich auch nicht. So stand ich da und etwa 100 Meter vor mir ein verlassener weißer Mercedes entgegengesetzt zur Fahrtrichtung und demolierten Scheinwerfer rechts. Dahinter ein bizarr aufgerissenes Auto (in Fahrtrichtung), dessen Marke ich schon wegen der Entfernung nicht erkennen konnte und wiederum dahinter ein weisser Kleintransporter, bei dem aber mit besten Willen nicht zu sehen war, ob er überhaupt etwas mit dem Unfall zu tun hatte oder nicht. Weiter rechts stand unbeweglich ein blauer LKW, deswegen ging es nicht weiter. Ich schaltete den Motor aus. Dicke Männer in kurzen Hosen und kurzärmeligen Hemden standen herum. Mir wurde bewußt, daß auch ich ein kurzärmeliges Hemd und eine kurze Hose anhatte und spürte deswegen noch weniger Veranlassung, das Auto zu verlassen. Im Radio kam was schönes von Mozart (WDR 1). Ich kramte mein Buch heraus. Es war Bret Easton Ellis' „Glanorama“. Fünfter Teil, Kapitel 19: „In dem Haus im achten oder sechzehnten Arrondissement ist man damit beschäftigt, mit den Nachwirkungen von Bruces Tod fertig zu werden, es gibt keine Besorgungen, die erledigt werden müßen, alle scheinen hinreichend abgelenkt, so dass ich mich davonschleichen kann. Endlose Diskussionen über Titeländerungen, Streichungen im Budget, das Leasen eines achtund....“ Dann scheint es plötzlich doch weiterzugehen, einige der dicken Männer in den kurzen Hosen gingen wieder zu ihren Autos zurück. Tatsächlich setzten sich die Wagen vor mit in Bewegung. Zwischen den blauen LKW und der Leitplanke war so wenig Platz, dass ich vorsichtshalber der linken Ausspiegel einklappte. Erst jetzt sah ich, daß der Anhänger des LKW gar nicht mehr richtig mit dem Zugfahrzeug verbunden war, sondern nur lose auflag. Ich kurvte noch ein bisschen, dann war die Autobahn frei. In meiner Hemdtasche brummte und vibrierte es, was bedeutete, dass ich eine SMS bekommen habe. Sie, die SMS war von meiner Freundin und sie schrieb, daß sie sich auf das kommende Wochenende mit mir freut. Die wichtigste Erkenntnis in Bezug auf meinem Besuch bei ihr ist die, daß ich sie NIE WIEDER den Gurkensalat machen lasse: Zuerst schneidet sie die Enden der Gurken ab und beschwert sich DANN, daß man mit meinem Sparschäler nicht vom Körper weg schälen kann und andersrum sei das ja "total gefährlich" (ich mache das schon seit Jahren so und habe mich noch nie verletzt), außerdem kann sie mit dem Schäler auf den Kanten der Gurken gar nicht richtig ansetzen und deshalb hat es Stunden gedauert bis sie die zwei Gurken geschält hatte und zuguterletzt machte sie die Gurkenscheiben auch noch in die Schüssel, wo das Joghurt mit der Salatdressing-Gewürzmischung noch gar nicht umgerührt war.

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Kommentare zu diesem Text

Lehmfigur (46)
(08.03.10)
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 Dieter_Rotmund meinte dazu am 08.03.10:
Danke, Golem,

mit dem Abstand, den ich jetzt habe, denke ich über den Text: Eine andere Perspektive wäre vielleicht besser gewesen, aber ich bin noch leidlich zufrieden mit dem Gurkensalat...
Lehmfigur (46) antwortete darauf am 08.03.10:
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