Zeit in unserer Gesellschaft

Essay zum Thema Zeit

von  creative16

Zeit, ein Wort so relativ wie Liebe, Schönheit, Intelligenz oder Glück. Doch in einem Punkt sind sich fast alle einig, wir haben eindeutig zu wenig davon. Dies fängt schon an, wenn man noch gar kein voll anerkannter Teil unserer Gesellschaft ist. Gerade der Muttermilch entwöhnt, wird das erste vorsichtige Tapsen und die Aussprache des ersten, auch im Duden zu findenden, Wortes forciert. Denn der kleine Kevin oder die kleine Sarah müssen schließlich so schnell wie möglich ganz groß rauskommen, denn gutes Gehalt ist fast so rar wie ein Krieg ohne US Amerikanische Beteiligung. So geht es dann auch weiter, Kindergarten, Vorschule und Schule sind ein Drei-Stufen-Plan zur Finanzierung des wohlverdienten Lebensausklangs nach dem eigenen Berufsaustritt.

In der Schule wird nun die Spreu vom Weizen getrennt, wer seine zeit günstig zu nutzen weiß, kommt weit, der Rest erlebt einen wesentlich langsameren Aufstieg, wenn nicht sogar Stagnation. Dann kommt endlich die ersehnte Ausbildung, das Studium oder der Job und jetzt fangen die Zeitprobleme erst richtig an. Freizeit? Oft ein Fremdwort. Es wird mit harten Bandagen gekämpft, in jeder Brange, sei es das müllentsorgende Gewerbe, das stilgestaltende oder das deligierende auf höchster Ebene. Wer sich behaupten will ist quasi 24/7 in Aktion, Schlaf und Mahlzeiten sein mal großzügig mit einberechnet. Und zu all diesen zeitraubenden Beschäftigungen gesellt sich ein weiterer Berg, der zu besteigen ist.

Zukunftsplanung. Wer nicht mit spätestens 18 schon weiß, wann er Kinder hat, wenn er überhaupt welche will, er hat ja immerhin selbst gemerkt, wie hinderlich er seinen Eltern in ihrem Zeitmanagement war, wann er ein Haus baut, und so weiter, der wird später in arge Bedrängnis kommen. Denn viel Zeit dafür bleibt einem nicht. Natürlich strickt ein Jeder sich Ideale mit seinen Zukunftsvisionen, aber ein Ziel hat schon vielen Menschen geholfen einen sicheren Hafen anzusteuern, bevor sie im aufgewühlten Meer untergingen.

Nun bleiben wir doch bei unserem Kevin und unserer Sarah, die inzwischen groß geworden sind und sich zufällig über den Weg liefen mit einem für beide zunächst befriedigenden Zwischenstopp, der Ehe. Da stellt sich als erstes die Frage: Wer nimmt sich die Zeit und zieht das Kind groß, dass schon auf dem Weg ist? Wer gibt seinen redlich erworbenen Status innerhalb des jeweiligen Berufsfeldes auf, um die Zukunft des eigenen menschlichen Produkts zu gestalten? Nehmen wir nun an Sarah bleibt, dem Bild der guten alten Hausfrau, man verzeihe mir, folgend zu Hause und zieht ihr gemeinsames Kind groß. Bei Kevin bleibt fast alles wie gewohnt, der Beruf fordert ihn wie eh und je, er klagt über zu wenig Zeit für seine Familie, behält seine leistungsgesellschaftskonforme Linie aber bei. Sarah hingegen hätte gerne viel mehr Zeit. Das Kind fordert Kraft, Nerven und ebendiese Zeit, die auch ihr zu wenig vorkommt. Ausgehen mit Freundinnen? Selten. Ein ruhiger Abend mit Kevin? Seltener. Zeit für sich allein, ohne Stress und Hektik? Sie ahnen es liebe Leser, noch seltener.

Nun entsteht ein zunächst unbedeutendes, aber mit zunehmender Zeit zentraleres, Dilemma. Irgendwo muss man ja die zeit, die einem angeblich fehlt abziehen, um das zu tun, wonach man gerade Lust und Laune hat und nicht das, was das selbstauferlegte Zeitmanagement fordert. An Dilemmata wie diesem können Beziehungen jeglicher Art zerbrechen, bevorzugt natürlich die Beziehung zwischen Männlein und Weiblein. Der gegenseitige Vorwurf ist oft, dass der jeweils andere keine zeit mehr für einen selbst habe, beziehungsweise einem Selbst in verschiedener Weise nicht genug Zeit für irgendetwas, was plötzlich unglaublich wichtig erscheint, lässt. Was folgt sind Streit, Trennung und ein Leben alleine, um bei dem gezeichneten Beispiel der Ein-Kind-Familie mit Kevin, Sarah und Leonie zu bleiben. Doch dieses Leben alleine bedeutet nicht etwa ein ungeheures Maß an mehr Zeit, im Gegenteil. Ein Ex-Ehepartner muss sich immerhin mit dem kleinen Balg Leonie eine gemeinsame Zukunft schaffen. Diesen Part, der letztendlich zu den ersten Absätzen meines Textes zurückkehrt und den Kreis schließt, will ich hier nicht weiterverfolgen.

Bleiben wir bei Kevin, der als zu wenig Zeit für die Familie aufwendender Rabenvater tituliert, nunmehr ein Dasein allein fristet. Er hat mehr Zeit für sich und noch wichtiger seinen Beruf. Falsch gedacht, der Teil der Leser, der sich noch nicht geistig verabschiedet hat oder einen extremen Hang zum Kurzzeitgedächtnis aufweist, sollte darum wissen. Denn mit der gewonnen Zeit, die Kevin nun erhält, die er fürwahr Schwarz auf Weiß vorgelegt bekommen könnte, macht er genau das, was er nicht tun sollte. Er verschwendet sie. An seinen Beruf, an ausschweifende Wochenenden, an zahlreiche Kurzbeziehungen. Doch halt, kann man hier denn von verschwenden reden? Nein, der Mann genießt sein Leben, er hat ein beständiges Einkommen, wie Auskommen, eine Balance aus Job und Freizeitaktivitäten und er kann sich zurückziehen, wenn ihm alles zu viel wird.

Trotzdem, er glaubt er wäre benachteiligt. Er hätte doch so gerne das Maß an Zeit, dass der werte Kollege eingeräumt bekommt, wenn mal wieder ein fälliger Bericht ansteht. Oder soviel Zeit, wie der geschätzte Nachbar, der es doch tatsächlich schafft sich unter der Woche genüsslich auf seinem Liegestuhl am hauseigenen Pool zu räkeln, während seine blonde Schönheit Wassergymnastik betreibt. Es wird neidisch hinübergeguckt und mit dem Neid beginnt Kevin einen Kreis zu zeichnen, aus eigenem Zeitmangel und mitmenschlichem Zeitüberfluss. Selbst als er aus dem Beruf ausscheidet und seine wohlverdiente gesellschaftlich unproduktive Auszeit nimmt, hat er das Gefühl im fehle etwas. Jetzt schießen ihm all die Pläne durch den Kopf, die er sich als Kind und Jugendlicher vorgenommen und doch nie verwirklicht hat. Doch nun ist es zu spät. Er kann sich nicht aufraffen, verfällt in Selbstmitleid und Depression und klagt über die zeit, die man ihm unverschämter Weise genommen hat. Die Verantwortlichen sind schnell gefunden. Frau, Kind, Chef und so weiter.

Mit dem Alter kommen die nostalgischen Erinnerungen, an vergangene Momente, an andere Zeiten, die plötzlich wehmütig betrachtet werden, wenn man denn einsieht, dass hier und da Augenblicke waren, die für eben das hätten benutzt werden können, was man heute vermisst hat zu tun. Die Menschen, die sich damit abfinden, die ihr Leben dann doch irgendwann als erfüllt und abgeschlossen betrachten und einfach mal die „hätte“‘s, „wenn“‘s und „leider“‘s ignorieren, werden dann oftmals endlich glücklich auf ihre alten Tage. Denn man kann sich auch all die Momente vor Augen führen, in denen man die vorhandene Zeit sinnvoll genutzt hat.

Der eingangs als relativ deklarierte Zeitbegriff bleibt somit relativ und auch der Gedanke der meisten Menschen in unserer Gesellschaft, dass sie zu wenig Zeit hätten, doch wer einmal genau hinschaut, nicht erst wenn es mit großen Schritten in Richtung Grab geht, sondern dann, wenn er noch eine lange zeit vor sich hat, der findet Abschnitte in denen er sich Zeit für das nehmen kann, was er will. Er muss es nur wollen und nicht das ständige Diktat von außen, das mit primitiven Mitteln die Zeit des einzelnen fühlbar einzuschränken scheint, akzeptieren.

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Kommentare zu diesem Text

Philopeut (24)
(14.01.10)
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 Dieter_Rotmund (18.07.19)
Recht viele Rechtschreibfehler im Text, z.B. "US Amerikanische Beteiligung", "zeit", "an ausschweifende Wochenenden", Höhepunkt ist, man mag es kaum glauben, "Brange" (-> "Branche"!!!)

Nichts für ungut.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 12.06.20:
Das "Brange" erschüttert mich noch immer. Kann mal jemand bitte diesen Text löschen? Danke.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 11.10.20:
Ich möchte nochmals dringend darum bitten!

 creative16 schrieb daraufhin am 20.01.21:
Guten Abend, Dieter.

Ich schaue sehr selten hier herein und komischerweise bekam ich auch nie eine Anzeige dafür, dass es Kommentare zu meinen Texten gab. Nun denn, soeben mal den Mailaccount abgestaubt und siehe da, hier schreibe ich.

Du hast sehr wohl Recht: dieser Text, und auch weitere aus meinen Schreibertagen, warten mit so manchen Fehlern auf. Das war mir mehrere Jahre später beim sporadischen Neuentdecken der eigenen Werke schon bewusst. Ich habe mich allerdings dagegen entschieden, sie in irgendeiner Form zu redigieren. Sei es inhaltlich, sei es grammatikalisch.

Irgendwie hat sich etwas ausschlaggebend in mir gesträubt, ein von mir einmal als "fertigen" Text betrachtetes Schreibstück im Nachhinein zu ändern.

Vielleicht ist es eine "peinliche Erinnerung" an Jahre, in denen ich jugendlich-arrogant hier und an einem anderen Ort herunterschrieb, was mich so trieb und andere treiben sollte. Ein Stück eigener Geschichte, der ich ihre Öffentlichkeit nicht nehmen will.

Wie hast du so etwas gehandhabt, falls du in deinen Werken über ähnliche schriftlichen Widrigkeiten gestolpert bist?

Einen angenehmen Abend wünsche ich.

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 21.01.21:
Verstehe. So eine Art in Stein gemeißelte Jugendsünde. Interessante pädagogische Herangehensweise.

 Regina (02.09.19)
Das ist ein sehr schlüssiger, kritischer Text. Gut beobachtet, wie der moderne Mensch durch sein Leben hetzt, vom Mainstream angetrieben. Entschleunigung wäre die Antwort. LG Gin

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 13.09.19:
Ja, aber leider desavouieren die vielen Fehler die Werkleistung.

Kreativ-16 redet sowieso nicht mit uns.
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