Missbrauch missbrauchen

Text zum Thema Achtung/Missachtung

von  Feuervogel

Tanzend, einfach nur tanzend, so wollte sie diesen Sommerabend zwischen Gräsern und zirpenden Grillen erleben. Im Raum dampfte der Schweiß. Draußen ergoss sich das Mondlicht in die Nacht. Es roch nach Mensch und Liebe. Jeder tobte sich aus, ließ ab vom Alltag, barg sich in der Bewegung. Die Körper lustvoll geschwungen, erreichten Höhepunkte, einen nach dem anderen. Sie träumte sich hinfort. Die Fremden hatten keine Macht über sie, sie konnte fallen in den Rhythmus, sich verrenken, ihren Körper nach Lust und Laune zucken und beben lassen. So zog sich der Abend und er endete in einer gemütlichen Runde, die den Zauber des Abends je zerstörte. Der Sommer starb hinter den Hügeln und der Mond setzte sich eine dunkle Kappe auf. Aus der Traum. Sie traute ihren Ohren kaum. Da packten sie aus. Einer nach dem anderen. Es wurde geweint und sie zog sich hinter ihre Rippen zurück. Elend drehte sich ihr Magen. Noch vor Minuten war alles gut. Die Erinnerungen waren in der hintersten Ecke des Hirns zur Ruhe gegangen. Das Leben in der Bewegung schickte Glück in ihre Seele. Jetzt saß sie da und lauschte ungläubig. Eine Frau erzählte unter Tränen von ihren Missbrauchserfahrungen ohne mit der Wimper zu zucken. Endlich nach so vielen Jahren hatte sie erkannt was mit ihr ein ganzes Leben lang los gewesen sei., berichtete sie. Ihr Vater war es gewesen. Nach einiger Zeit des Schweigens begann die Nächste zu berichten.
Ihr zog sich das Herz einen Tarnanzug an und versteckte sich unter ihren Füßen. Nichts wie weg hier. Sollte sie etwa auch berichten? War das hier so üblich? In der Gruppe herrschte Schweigen. Viele weinten mit. Sie kämpfte gegen ihre Tränen, denn ein kollektives Missbrauchsszenario konnte sie kaum ertragen. Dann erhob sich neben ihr eine Stimme. Ich wurde schon als Baby missbraucht. Endlich weiß ich es und kann mich üben im Verzeihen. Am liebsten hätte ihre Faust sich in das Gesicht ihrer Nebensitzerin platziert. Doch sie blieb stumm. Nur innerlich kochte die Wut. Was machen die denn hier? Begreifen die gar nicht was sie sich selbst damit antun? Sie fühlte sich nackt und einsam. Viele lagen sich in den Armen und betrauerten ihr Schicksal. Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden. Nur hier regte sich bei ihr zum ersten Mal der Verdacht, dass nicht alles so ist wie es scheint, und mancher Missbrauch missbraucht wird, für was auch immer. Aber nicht mit ihr. Sie schwieg. Sie barg ihre Erinnerungen in sich. Es war nicht nötig dies die Welt wissen zu lassen, schon gar nicht in dieser wunderschönen Sommernacht. Ihre Ohren schlichen nach draußen und legten sich neben die zirpenden Grillen. Schöner Gesang, der sie mit sich forttrug, während andere die Lippen bewegten.
Schließlich fuhr sie durch die Landschaft, welche durchtränkt vom silbernen Licht des Mondes neu erstrahlte, in die Sicherheit ihrer Welt. Die dunkle Kappe hatte sie dem Mond entrissen, als sie ins Auto eingestiegen war. Sie versuchte den Schmutz der Welt von ihrer Haut zu schreien, während ihr Auto  sie sicher durch die Nacht nach hause fuhr.

ELA


Anmerkung von Feuervogel:

Dies beruht auf einer wahren Begebenheit und hat mich zutiefst erschüttert, was ich hier nicht in epischer Breite ausführen wollte. Ich dachte daran, als ich kokas Text zum Thema Missbrauch und auch die vielen, sehr engagierten Kommentare las. So verstehe ich, dass manches was mit diesem Thema in die Welt entlassen wird, seltsam anmuten kann.Leider hat er den ursprünglichen Text verändert, sehr bedauerlich. Denn ich verstand ihn als Hinweis darauf, wie seltsam mancher dieses Thema für sich transportiert.

Ich selber lernte in einer Traumaklinik, genau das was in dieser Gruppe praktiziert wurde, nicht zu tun. Da man ja nie weiß, wer mit einem im Raum ist, kann die eigene traumatische Beichte mein Gegenüber retraumatisieren, fataler Weise sogar mich selbst. Solche Beichten gehören wahrlich in einen therapeutischen Kontext. Es ist sicherlich gut sich in diesem Punkt dem eigenen Partner und auch guten Freunden anzuvertrauen, aber nicht innerhalb eines Freizeit-Tanzgeschehens. Ich kann nur sagen, ich kam da ganz schön in Bedrängnis und eierte in meinem Innern. Erst als ich dann wieder mit mir war und dieses Geschehen hinter mir ließ, bekam ich Boden unter die Füße.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (41)
(25.01.10)
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 Feuervogel meinte dazu am 25.01.10:
Ich danke dir für deinen respektvollen Umgang mit den Komms. Ich gebe dir recht, im Eifer des Gefechts outet man sich schnell und später denkt man, hätte ich nur geschwiegen...so ergeht es mir oft. Herzliche Grüße Ela
seelenliebe (52)
(25.01.10)
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 Feuervogel antwortete darauf am 25.01.10:
Ich danke dir Anne und grüße dich in deinen Abend. lass es dir gut gehen..Ela

 Martina (25.01.10)
Gelesen udn nachdenklich zurückgeblieben...Lg Tina =)
chichi† (80)
(25.01.10)
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 Feuervogel schrieb daraufhin am 25.01.10:
Ich finde, man muss nicht immer mitreden um mitzufühlen!
Danke Gerda, herzlichst Ela
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