im Cafe

Kurzgeschichte zum Thema Lebensbetrachtung

von  kleineKiwi

Der Mann nippte zögerlich an seiner Kaffeetasse und
zögerlicher noch fing er an zu sprechen :
Von seinen vergangenen Wünschen und Jugenträumen,
seinem Plan Schäfer zu werden, oder Indianer so möglich.
Wie anders sein Leben wäre , sorgloser , stressfreier , reicher - er selbst klarer über den Sinn.
Wenn er nur ... anders entschieden hätte, mutiger gewesen wäre, weniger besorgt um das Denken Anderer... .

Die Frau schwieg, nickte, lächelte, zog langsam den Rauch ihrer Zigarette ein, inhalierte den vertrauten, betäubenden Geschmack, wartete... lauschte seiner Stimme mehr als seinen Worten. Zuletzt beobachtete sie nur noch das leise Verlöschen der roten Glut, genoß das Gefühl des Verweilens, noch nicht antworten zu müssen.
Dann - so energisch wie zuvor verträumt - drückte sie sie aus, hastig, schnell, fast aggressiv, blickte dem Mann in die Augen, schüttelte unmerklich den Kopf.

"Erinnerst du dich an Andri?!" , fragte sie sanft.
Die Frau liebte Vergleiche, tatsächlich lebte und dachte sie mehr in Literaturvergleichen als in der Wirklichkeit.
Die Frau liebte Vergleiche - den Mann verwirrten sie.
"ANDORRA", fügte sie hinzu, ungeduldig bereits, hektisch,
wie zu einem quengelnden Kind.
Als er sie nur weiter verwirrt ansah wich die Härte wieder aus ihrem Gesicht und ihrer Stimme, beinah zärtlich erläuterte sie:

"der ewige Fremde, der Andere in einem Dorf voller Gleicher. Er war ihnen auch gleich - eigentlich - weißt du? Nicht anders geboren, oder doch jedenfalls nicht anders als alle Menschen eben ihre eigene Geburt und ihren ganz eigenen Tod haben - mehr noch als ihr eigenes Leben ... er hatte auch nicht entschieden nicht wie sie zu sein , in Wahrheit ... , ", sie beugte sich leicht vor, als wolle sie ihm ein Geheimnis anvertrauen: " in Wahrheit war er der Sohn eines von ihnen. Doch obwohl ihn nichts unterschied war er der Andere, weil sie glaubten dass er anders sei, der Fremde, Gefürchtete.
Das hätte vielleicht nicht sein Schicksal sein müssen, aber es wurde sein Schicksal und was es dazu machte, was über sein Leben und sein Sterben entschieden hatte, war der Blick mit dem man ihn ansah.
Und nichts, Niemand, konnte diesen Blick von ihm waschen oder die Seelen der Leute wieder weiß machen, nachher, als es eben zu spät war..."

Der Mann antwortete nicht, er leerte seinen Kaffee, bestellte neuen, sie tranken, schwiegen, beobachteten aus dem Fenster das bunte, geschäftige Leben im trüben Licht des grauen Herbsttages, das vom Regen gebrochen ins Fenster des Cafes schien, dem Regen von dem die Frau so oft gefragt hatte ob und wen er reinwasche.
Sie schwiegen, tranken, dann standen sie auf und gingen. Er begleitete sie zu ihrer Haltestelle wie jeden Mittwoch, hielt ihre Hand und unterbrach die verständige Stille erst als sie einstieg: " Du willst also sagen ; die Hölle - das sind die anderen " .

Die Frau lächelte unwillkürlich bei dem Zitat, drehte sich, schon auf der Treppe des Busses, nochmal zu ihm um: " so oder so", dann warf sie ihm eine Kusshand zu und verschwand in der Masse der sich drängenden Feierabendfahrgäste.


Anmerkung von kleineKiwi:

vielleicht Teil einer längeren Geschichte, vielleicht dauerhaft "nur" Kurzgeschichte, für Fehler haftet wie immer der Stift , oder in dem Fall die Tastatur ;)
Andris Geschichte, falls nicht bekannt, nachzulesen in
"Andorra" von Max Frisch, "die Hölle, das sind die Anderen" in "geschlossene Gesellschaft", Jean Paul Sartre,
bewusst offengelassen ob wie dort impliziert, dadurch dass wir sie brauchen, oder wirklich einfach dadurch, was sie selbst tun...
ansonsten dürfen sich bekannte deutsche Kunstprofessoren
ruhig wiederfinden aber bitte nur als Ideengeber verstehen und nicht als realistische Charaktervorgabe ;)
gewidmet aber "meinem" Schafhirten, dessen Blick auf mich nie ein verurteilender war und der deswegen und überhaupt immer nur mit liebevollem Blick von mir betrachtet werden wird

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (05.02.10)
Kunstprofessoren habe ich keine gefunden, obwohl die Dame schon sehr gedrechselt spricht, was entweder Absicht ist oder keine sehr gelungenen Dialogzeilen sind.
Nachilfeunterrricht in Max Frisch oder dem Sartre-Zitat braucht hier hoffentlich keiner, aber wer weiß...

Seltsame Zeilenformatierung am Anfang.

"dem Regen von dem die Frau so oft gefragt hatte ob und wen er reinwasche" - ich weiß nicht, Kiwi, warum Du dieses sehr abgedroschene Bild aufnimmst und wiedergibst!

Aber trotz all meiner Kritik hat mir "im Cafe" (großes "i" und ein Accent über dem "e" wäre schöner gewesen) recht ordentlich gefallen! Gut beobachtet, finde ich.

 kleineKiwi meinte dazu am 06.02.10:
die Zeilenformatierung am Anfang war unbeabsichtigt^^ , habs anders eingetippt aber kA irgendwie isses so gespeichert worden.

Das "Regenmotiv" verwende ich in sehr vielen Texten, aber weil ich es selbst auch immer so empfunden habe .
Um den Kunstprofessor hier wiederzuerkennen muss man sich vielleicht etwas mit der aktuellen, deutschen Kunstszene auskennen, hatte mit der Frau aber eh überhaupt nichts zu tun :) .
Btw. finde ich dass auch die Leute hier nicht zwangsläufig jedes bekannte Buch gelesen haben müssen, wenn ich da also Anspielungen mache, gebe ich das Grundsätzlich an.
lg kl.Kiwi

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 17.02.19:
Okay, und was sind " Jugenträume"?

 Dieter_Rotmund schrieb daraufhin am 25.06.20:
Anderer -> anderer / der Andere -> der andere

... und bitte auch Sartre nicht verunstalten, korrekt ist:

"Die Hölle, das sind die anderen."

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 16.11.20:
" Jugenträume" ???

 Dieter_Rotmund ergänzte dazu am 26.09.22 um 13:32:
Vielleicht "Jungenträume", Dieter.
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