mein alter Vater

Text zum Thema Ausweglosigkeit/ Dilemma

von  Feuervogel

Der liegt nur noch im Bett. Manchmal da wechselt er tagelang die Wäsche nicht. Dann stinkt er und auch das ganze Zimmer. Früher war das anders. Da hat er nach jedem harten Arbeitstag auf der Baustelle, seine Kleider gewechselt und sich gewaschen. Für die schwarzen, öligen Hände hatte er immer eine extra Waschpaste. Ich glaube ein Rest davon existiert noch heute.


Er schaut nur noch Fernseher, Tag und Nacht. Zwischendurch schläft er, selten isst er was, trinken jedoch tut er regelmäßig. Seine Hände zittern, aber das taten sie schon immer. Anders kenne ich seine Hände nicht. Geht er vom Bett zur Toilette schnauft er wie ein Walross. Er ist das Leben nicht mehr gewöhnt.  Vielleicht war er das noch nie. Tanzen wird er nie mehr können, auch nicht um seine Verzweiflung durch berauschte und gespielte Freude zu vertuschen.


Es strengt ihn an. Er geht auch nicht mehr vor die Tür. Ob er wohl noch weiß wie sich die Sonne auf seiner Haut anfühlt, und wie es ist wenn der Wind um seine Ohren streift? Früher war er mal ein kräftiger Kerl, ein richtiges Mannsbild. Ich hatte Angst vor seiner Kraft, denn seine Schläge waren hart und ohne Gnade. Doch heute ist nicht mehr viel von ihm übrig. Was ist das für ein Leben, frag ich mich. Doch er will es so. Er kann nicht mehr anders. Er hat das Tanzen verlernt. Das ist traurig. Aber vielleicht hat er es auch noch nie richtig beherrscht. 


Wenn er rauchen will, verlässt er das abgedunkelte Zimmer. Das ist schon alles was er macht. Er geht zur Toilette, wankt zum Kühlschrank um sich ein Bier zu holen, oder er sitzt am alten Küchentisch, um Eine zu rauchen. Das ist sein Leben. Ich glaube, er weiß es. Er weiß, dass von ihm nicht mehr viel übrig ist. Aber er kommt da nicht mehr raus. So wird es bleiben bis er stirbt. Doch eigentlich ist er schon tot. Das Bett ist wie ein Sarg. Er übt schon für den Ernstfall, und im Üben ist er gut. Armer alter Mann! Was ist geschehen, dass der Tod dir im Leben schon Gewohnheit wurde?

ELA


Anmerkung von Feuervogel:

Auszug aus "Vaterseelenallein"!

Für meinen schwerkranken Vater!

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Kommentare zu diesem Text

LudmillaBaengDeLaeng (27)
(10.02.10)
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 Feuervogel meinte dazu am 10.02.10:
Glaub mir, wie oft wollte ich das ändern...mein ganzes Leben...aber das geht nicht und irgendwann ist es dann auch gut...Danke, aber meinen Vater umarmen, dass ging noch nie...ich umarme dafür mich und meinen inneren Vater. Ich hoffe du verstehst! LG Ela
LudmillaBaengDeLaeng (27) antwortete darauf am 13.02.10:
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Azimut (45)
(09.03.10)
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 Feuervogel schrieb daraufhin am 09.03.10:
Wieso abschreiben? Das versteh ich nicht!
Dieser Text ist aus einer Abschlussarbeit meinerseits, nur zur Info!
Du hast recht, ich sollte gnädig sein, am allermeisten mit mir selber!
Danke für deinen Besuch...LG Ela
Azimut (45) äußerte darauf am 09.03.10:
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Marjanna (68)
(18.10.18)
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