Morgengrauen

Gedicht zum Thema Melancholie

von  ViktorVanHynthersin

Ein eisgrauer Morgen
löst eine stahlblaue Nacht ab.
Bitter und kalt war sie
wie der Nachgeschmack der Worte.

Die Blumen in den Gärten
lassen ihre welken Köpfe hängen,
und die Vögel in den kahlen Ästen
schweigen wie meine Seele.

Gestern Abend haben sie geschrieen.
Laut, entsetzlich laut, ohne Unterlass.
Nun hängt das Schweigen in der Luft
wie dieser greise Himmel.

Die Pfützen und mein Herz
sind von dickem Eis überzogen.
Stimmung und Thermometer,
sind unter Null gesunken

Die Kälte lähmt das Fortkommen.
Alle Versuche hier aufzubrechen
misslingen wie mein Vorsatz,
mich aus der Starre lösen zu wollen.

Die Pferde auf der Weide
stehen dicht an dicht.
Keines will alleine stehen,
keines will verloren gehen.

Ich beneide die heimischen Tiere,
die in ihre Winterstarre verfallen,
mit dem Leben wieder beginnen,
wenn die Sonne am Himmel steht.

Schatten drängen sich an hohe Wände
und ich folge ihnen gern und leichtfertig.
Ich drücke mich davor ins Licht zu treten
wie ich mich um Antworten winde.

Unbeantwortete Fragen kleben an mir
wie Hundescheiße an meinem Schuh,
laufen mir nach wie tollwütige Hunde,
beißen meine schon waidwunde Seele.

Der Frost reißt Löcher in die Straßen
wie die Worte in mein krankes Herz.
Für diese Art von Löchern
bieten Apotheken kein Pflaster.

Ein einzelner Schornstein
spuckt Rauch in den Morgen.
Beneidenswert
wie er ausatmet.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter Wal (22.03.10)
Individuelles Großstadtmorgen im Winter-Gedicht. Der Leser folgt dem Fußgänger in perfekten Prosaversen.

 irakulani (30.03.10)
Ein Stimmung in Bilder gefasst. Dem Grauen einen Namen gegeben. Es hängt zwischen den Zeilen. Man schaudert unwillkürlich,die Kälte ist spürbar Die Stimmung ergreift von einem Besitz und man spürt die Erstarrung, die Handlungsunfähigkeit - trotz tiefer Sehnsucht nach Veränderung. Unaussprechliches in Worte gefasst.

Ein Gedicht, das Morgengrauen wie ein surreales Bild mit Worten malt. Fast schon genial.
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