Javiers Prophezeiung

Text

von  Lala

Javiers Prophezeiung


Diese und ähnliche Gedanken bewegten Constantin mit seinen knapp achtzehn Jahren, als Oswald ihn eines Morgens fragte, wann er denn endlich Prüfung hätte. Constantin wusste überhaupt nicht, was in Oswalds Schädel vorging. Deine Pappe, man? Ich habe keinen Bock mehr, selber durch diese Baustelle von Stadt zu fahren. Also, wann können wir auf meinen neuen Fahrer anstoßen? Oswald flog aus allen Wolken als Javier ihm schonend beibrachte, dass der Junge noch nicht eine Fahrstunde gemacht hätte. Außer zwei, drei illegaler Spritztouren. Oswald war stinksauer auf Javier. Dann glühten Drähte. Drei Monate später hatte Constantin in Hamburg Prüfung. Besser gesagt, er konnte sich seinen Führerschein mehr oder weniger abholen. In der Zwischenzeit hatte Javier jede Gelegenheit genutzt, ihm das Fahren beizubringen. Er verstand sich mit Javier immer besser, der ihm auch anvertraute, dass die Geschäfte schwerer geworden seien.
Die Dummen lernen, verstehst Du? Ich bin kein Autoverkäufer und Oswald auch nicht. Ich bin ein anständiger Taschendieb. Keine Autoputa. Ich gehe jeden Morgen zur Arbeit wie ein dummer cabron, ein Hurensohn. Während sich dein Onkel wie eine verruckte Madonna aufführt. Tino verstand aber nicht warum sie nicht wieder wie früher auf der Straße arbeiteten, und da wurde sein Freund noch ernster: Hast Du Deinen Onkel gesehen, Tino? Wie er aussieht, wie er sich bewegt? Seine Augen haben keinen Glanz mehr. Aber selbst wenn er noch der Bulle von früher wäre, ginge es nicht mehr. Wir haben unser Revier in Hamburg verloren in dem Moment, wo wir weggegangen sind. Hier auf die Straße zu gehen, Tino, das kannst du dir aus dem Kopf schlagen.
Als Tino wissen wollte, warum, sagte Javier erst mal nichts, griff den Faden dann aber plötzlich wieder auf. Er sprach leise. Albaner, Bosnier, sie sind es, die hier jetzt herrschen, aber hinter ihnen kommen schon die Ukrainer und dann, er machte eine Pause, Ach, Oswald hat nur die fetten patos im Blick gehabt, aber nicht die granujas. Diese brezos, diese Heiden, sind Halsabschneider. Skrupellos. Sie würden uns rapido ihre Messer in die Rippen hauen, bevor wir auch nur eine Mark verdient hätten. Sie haben keine Moral. Hörst Du? Es sind Heiden. Gottlose. Javier spuckte sogar aus und bekreuzigte sich, um seine Abscheu zu unterstreichen. Wer kommt dann, wer kommt nach den Albanern, den Ukrainern Javier? Dann kommt er, und Javier verzog keine Miene als er hinzufügte: el diablo.

Javier hatte vollkommen recht mit dem, was er über Oswald gesagt hatte: Der Mann war ein Wrack. Wo früher Muskeln waren, waren jetzt Polster, statt Waschbrett ein Waschbecken als Bauch und sein gesundes blondes Flachshaar war grau und strähnig geworden. Aber seine Kleidung war extravaganter und teurerer geworden als früher. Sie kaschierte vor Fremden das Ausmaß des Raubbaus aber vor seinen Freunden konnte er es nicht verbergen. Die Spannungen mit Javier nahmen zu. Der Mann aus Havanna hatte die Schnauze gestrichen voll, Oswald leider nur seine Nase. Wenn der Schneehase, wie Javier ihn unverfroren nannte, seine Nase in die Bücher stecken würde, könnte er den Niedergang schwarz auf weiß sehen. Aber nur Oswalds Realitätsverlust und seine Beratungsresistenz wurde unübersehbar.

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Kommentare zu diesem Text


 Sylvia (20.04.10)
..und amüsant.

 Lala meinte dazu am 20.04.10:
Hallo Sylvia,

Danke. Die nächsten beiden Kapitel könnten weniger amüsant werden.

Gruß

Lala

 styraxx (05.05.10)
Mit Oswald geht es abwärts. Javier öffnet Tino die Augen und in ihrem Revier hat ein Wechsel stattgefunden. Albaner, Bosnier und Ukrainer mischen nun den Markt auf. Eine Neuorientierung steht an - es bleibt spannend. LG
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