Der Tag vor dem Kampf

Geschichte zum Thema Gut und Böse

von  Lala

Der Tag vor dem Kampf


In aufgewühlter Stimmung fielen die Freunde Marcos in Manchester ein. Die sogenannten Frankfurter Jungs waren auch dabei. Das waren fünf Zuhälter mit teuren Sakkos, aber mit, bis zum glänzenden Bauchnabel, aufgeknöpftem Seidenhemd. Aber kein Sixpack wurde bloßgestellt, sondern ordinäre Feistheit und natürlich die unvermeidlichen Goldketten. Die Frankfurter Jungs machten ihrem Berufsstand alle Ehre.
Die Frankfurter waren beliebt bei Oswald, weil sie gerne ausgaben und immer Miezen dabei hatten. Oswald war begeistert. Er musste nicht arbeiten und selbst den Spaß nicht bezahlen. Javier blieb gegenüber der Truppe teilnahmslos, lächelte auf Aufforderung und ließ sich volllaufen. Er schien ein gebrochener Mann zu sein. Tino interessierte sich nur für den Kampf. Nur einmal musste er Oswald aus der Gefahrenzone bringen, als der sich an der Hotelbar mit drei Engländern gleichzeitig anlegen wollte.

Beim Einwiegen der Kämpfer ein Tag vor dem Kampf hatte Tino für einen kurzen Moment das Gefühl gehabt, Oswalds Plan könne aufgehen. Marco war so durchtrainiert wie nie und wirkte entschlossener als Carl Hampston genannt The Cat. Am 10. Juni war es dann soweit und Tino bekam Gänsehaut, als die Fans in der Halle ihren Mann hereinriefen und als Erstes einer der Betreuer hereinkam und in seinen Händen den Gürtel hochreckte. Es hatte etwas Religiöses. Hinter dem Gürtel marschierte der Weltmeister. Er blickte nicht nach unten, sondern schien gelassen zu sein und behielt alles im Blick.

Es war ganz anders, als bei diesen Mädchenveranstaltungen von diesem Amateur Konrad – Conny – Fei, dem sogenannten König Konrad. Sie waren bei ihnen allen – Fans wie Sportlern - verpönt. Hier in Manchester gab es keinen Showquark und keinen Kitsch und keine Trittbrettfahrer. Der jüngere Bruder von Marco, Mario, machte fast zeitgleich einen seiner besten Kämpfe gegen Fei. Mario marschierte im Ring und er zerbrach das Bild des guten Boxers Fei. Er demonstrierte Profiboxen und in jedem Profiboxkampf hätte er auch gewonnen. Aber die Amateure am Ring hatten brav die Schläge Feis, die zum größten Teil in Marios Deckung hängen blieben, als Treffer gewertet. Treffer, die aber zu keiner Dominanz oder Beherrschung des Gegners geführt hatten und die eher die Hilflosigkeit des Weltmeisters ausdrückten. Und als die Wand anfing zurückzuschlagen, Aufwärtshaken setzte und das Mädchen Conny Franzis – wie Herr Fei im Marcellos Inn nur gerufen wurde – durch den Ring trieb, da standen viele Fans der alten Schule voller Stolz vor Mario dem Kämpfer vor den Fernsehschirmen auf. In die Boxzirkushallen Herrn Feis verirrten sie sich nicht – sie gingen ja auch nicht in die Oper. Die Einlaufmusik Marios – Spiel mir das Lied vom Tod – bekam einen besonderen Nachhall.

Der Kampf in Manchester, obgleich auch hier in großer Halle gekämpft wurde, stand in der Tradition englischer Box-Schule: ohne Zirkus, Showteil und gesungener Nationalhymne. Er sollte auch einer anderen Dramaturgie folgen.

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