Du sollst das Grabmal nicht düngen

Persiflage zum Thema Friedhof

von  loslosch

Hospes adhuc tumuli ni meias ossa precantur.
Nec si vis huic [feminae ] gratior, caca!
Urticae monumenta vides. Discede, cacator!
Non est hic tutum culum aperire tibi.

Graffito aus dem (79 n. Chr.) verschütteten Pompeji. Ein Distichon (Hexameter, gefolgt von einem Pentameter, der - gegen den Wortsinn von Pentameter - ebenfalls 6 Hebungen haben sollte, mit einem sogenannten Hebungsprall zwischen der 3. und 4. Hebung), hier allerdings leicht verstümmelt.

Die wortgetreue Übersetzung lautet:

Fremder, die Gebeine dieses Grabhügels bitten dich, nicht zu pinkeln.
Ebenso, wenn du dieser [Frau] hier noch gefälliger sein willst, kacke nicht!
Du siehst das Grabmal der Urtica. Verschwinde, du Kakadu [wörtlich: du Kacker]!
Es ist hier für dich nicht sicher, deinen Popo zu öffnen.

Urtica heißt übrigens auch Brennnessel und - im übertragenen Sinn - Geilheit. Das mag die Fantasie des antiken Graffito-Künsters beflügelt haben.

Ungemein mitfühlend, die Aufschrift. In Heiligenstadt in der Fränkischen Schweiz sah ich Ende der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts in einer protestantischen Pfarrkirche auf der Brüstung der Empore den Aufdruck "Bitte nicht spucken!"

Shit, piss, fuck, spit. Four-letters-words, mit entsprechendem Time-lag auch als Düngemittel geeignet.

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Kommentare zu diesem Text


 Emotionsbündel (22.04.10)
Mensch Lothar,
das ist ja direkt ein Text für das RoKoKo-Projekt

Im Übrigen gibt es halt Dinge, die gehören sich nicht, die haben noch etwas mit Respekt zu tun. Ich kann zwar meinem Mann aus Gnatz auf den Komposthaufen kacken, jedoch würde ich mir das nie auf seiner Grabstelle erlauben

Amüsierte Grüße, Judith

 loslosch meinte dazu am 22.04.10:
... am Rande des guten Geschmacks möglichst geschmackvoll ...

Na gut, wenn Judith und Dirk das so sehen, mach ichs halt.

Aus "Gnatz". Ihr Norddeutschen! Nur Gnitze kannte ich bisher. :) Lothar

 Didi.Costaire (22.04.10)
Das ist ja mal ein Text mit RoKoKo-Qualitäten, lieber Lothar. (P.S.: Oh, das wurde schon gesagt. Um so besser.)

Interessant finde ich, wie sich das wirklich Große über so viele Kilometer und Jahre in der Sprache gehalten hat.

Ansonsten scheinen sich die Situationen in den jeweiligen Zeiten widerzuspiegeln: wenige stille Örtchen in Pompeji, viele Kautabak-Konsumenten im Deutschland der 50-er. Oder?

LG, Dirk
(Kommentar korrigiert am 22.04.2010)

 loslosch antwortete darauf am 22.04.10:
Jetzt erinnere ich mich wieder. Ein Dorfbewohner von Heiligenstadt verwies auf das hohe Alter des Hinweises und die frühere Angewohnheit, Kautabak zu benutzen. Zu cacare fällt mir noch ein Römerspruch ein: Cacatio matutina est tamquam medicina. Das übersetz ich lieber nicht, sonst beschweren sich die Apotheker.

Dank an alle nicht angewiderten Leser und Leserinnen. Lothar

 Bergmann (23.05.12)
Die Wortwahl des nicht ungebildeten Grafitteurs erinnert mich an so manche Maîtres de pissoir hier auf kv.

 loslosch schrieb daraufhin am 23.05.12:
aus den aphos, s. 63.
Graeculus (69)
(21.09.14)
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 loslosch äußerte darauf am 21.09.14:
mein seliger lateinlehrer karl mohr: longum est ... es würde zu weit führen ...

ja, das passt! und taufrisch.
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