Die Blaue Lampe

Essay zum Thema Gegenwart

von  max.sternbauer

Jeden Tag wartet sie auf meinem Schreibtisch auf mich. Sie ist sehr schüchtern, deshalb durfte ich kein Foto von ihr machen.

Als ich sie einmal umdrehte, las ich einen Schriftzug, den man auf tausenden anderen Dingen lesen kann und der fast schon zu unserem Alltag gehört:

Made in China.

Die Lampe stammt von Ikea. Produziert wurde sie aber in China; ein Land, das auf der anderen Seite der Erde liegt; ein Land, in dem über eine Milliarde Menschen leben und mit einer Kultur, die fast schon so alt ist wie die Menschheit selbst. Ein Land, in dem eine Diktatur herrscht, die das Wort "Menschenrechte" sicher nicht in ihrem Wörterbuch stehen hat: wo Gewerkschaften verboten sind und Menschen auf dem Land noch in derselben Knechschaft leben wie vor tausend Jahren.

Meine Lampe wurde wahrscheinlich von einem jungen Mann zusammengeschraubt, der vierzehn Stunden pro Tag am Fließband steht und ein Gehalt bekommt, mit dem man bei uns eine Packung Kaugummi kaufen kann. Es gibt keine Sicherheitsbestimmungen. Die Umweltauflagen sind ein Witz und hinter ihm warten zehntausend andere Sklaven, die seinen Job haben wollen.

China - die "Werkbank" der Welt, wie das Land oft genannt wird. Unendliche Mengen von billigen Krempel wird dort für unseren Markt unter Bedingungen zusammengebastelt, die unmenschlich sind. Der Kaffee aus meiner Tasse kommt von Plantagen, auf denen Familien, die sie bewirtschaften, wegen den Pestiziden an Krebs erkanken. Die kleinen Figuren bei McDonalds kommen womöglich aus einer Fabrik, die in der direkten Nachbarschaft von der Fabrik meiner Lampe liegt. Wenn die Marktwirtschaft so "fair" ist, wieso wird dann unter diesen Bedinungen Handel getrieben? Welcher ökonomische Gesichtspunkt rechtfertig das Leerfischen von Ozeanen? Nur damit meine Fischstäbchen um zehn Cent billiger sind?

Ich drehe meine Lampe ab, schnappe mir mein Handy aus Taiwan, ziehe meine Nike aus Bangladesch an und gehe aus dem Haus. Aber voher esse ich einen Schokoriegel, der garantiert "fair" gehandelt wurde.


Anmerkung von max.sternbauer:

Die freie Marktwirtschaft wird als das einzige Wirtschaftssystem bezeichnet, das alle Bedürfnisse der Menschen erfüllt. Aber: Es bleiben noch einige Fragen offen.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Sappho (48)
(28.04.10)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram