through your fingers like water in the desert?

Kurzprosa

von  Unbegabt

Schweigend gehen wir nebeneinander her. Es ist noch immer ungemütlich kalt. Schützend, um den prasselnden Regen nicht in meinen Nacken zu bekommen, ziehe ich meine Schultern hoch. Er scheint es nicht zu bemerken, läuft einfach weiter neben mir her, den Blick stur auf den Boden geheftet. Graue Silhouetten stürzen an uns vorbei, um dem Regen zu entkommen. Ich biege in einen Park ein, schlagartig sind wir die einzigen Personen, die noch unterwegs sind. Ich glaube er ahnt, was ich vorhabe. Ich werde ihm meinen Lieblingsplatz zeigen, es wird gleichzeitig das Letzte sein, was ich ihm von meiner Welt zeigen werde. Er räuspert sich, ungeduldig. Diesmal ignoriere ich ihn. Die Bäume unter denen wir hindurchstapfen sind teilweise noch kahl, nur einige haben schon sattgrüne Blätter und Knospen getrieben. Der Kies unter unseren Füßen entwickelt sich schon langsam zu Schlamm, der Regen wird noch lange dauern. Einige Stunden. Mindestens.

Mit nassen Kleidern stehen wir beide im "Arbeitszimmer", ob es genau das einmal war, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Einige Regalbretter sind noch an einer Wand befestigt, von der, in klammen Bahnen, die ehemalige gold-weiß gestreifte Tapete hängt, unter ihnen kommt die morsche Holzvertäfelung zum Vorschein. Die anderen drei Wände wurden überhaupt nicht tapeziert, und das mahagonifarbene Holz hat dort seinen vollständigen Glanz noch nicht verloren. In einer Ecke steht ein wuchtiger Stuhl, das Sitzpolster ist durchgesessen und  Schaumstoff quillt unter dem ehemals tannengrünen Bezug hervor. Er hat nur drei Beine, das Vierte liegt abgesplittert in einer gegenüberliegenden Ecke. Außer einem modrigen, durchgetretenen Teppich hat dieser Raum nicht mehr an Mobiliar zu bieten, und trotzdem erinnert er mich stark an ein Arbeitszimmer. Deswegen der Name.
Er hat noch kein einziges Wort gesagt, seitdem ich ihm das Haus gezeigt habe und lehnt jetzt an dem Heizkörper, der unter dem Fenster hängt. Die Arme abwehrend verschränkt. Ich lege meine Hand an die Holzvertäfelung, spüre ihre raue Oberfläche, die Narben der Zeit, Splitter, Lücken, einfach alles. Es ist mir vertraut, so vertraut wie mein Herzschlag, vertraut wie der Geruch von Kaffee und Zigarettenqualm. Ich habe die Augen geschlossen, weiß aber, dass er mich beobachtet. Er wird mich nie verstehen. Nie verstehen, wie ich minutenlang meine Hand an dieser Holzvertäfelung entlang streifen lassen kann, wie ich Kaffee schwarz trinken und dabei Zigaretten rauchen kann. Und trotzdem glaubt er, dass er mich liebt.

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Kommentare zu diesem Text


 SunnySchwanbeck (23.05.10)
Ich kann es mir so gut vorstellen, Beste.
Ihr und "Graue Silhouetten stürzen an euch vorbei, um dem Regen zu entkommen" wow. Es passt, ich hab grade ungemein lust auf Kaffee und der modrige Geruch des "Arbeitszimmer" kitzelt meine Nase. Weiter Beste, mehr. Es ist gut, so gut. Kuesschen von der Nulsey.
Leyla (29)
(28.05.10)
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 Unbegabt meinte dazu am 28.05.10:
sie hatte hoffnung, dass sie sich vielleicht irrt.
Leyla (29) antwortete darauf am 28.05.10:
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 Unbegabt schrieb daraufhin am 28.05.10:
und ob.
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