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VII

Novelle zum Thema Selbstbestimmung

von  Lala

VII.

Es war Klaus Gang nach Canossa. Und es war nicht komisch. Klaus war siebenundzwanzig geworden, war im fünfzehnten Semester und immer noch nicht Magister Artium. Noch nicht einmal nah dran, einer zu werden. Sein Vater nannte ihn nur den Nachtschichtenmagister und sein Bruder Heinrich, der advocatus diaboli, der Familienrebell, der Matthis der Schrocks, hatte diverse Startups mit einem crash beendet und war mittlerweile ein Ökolandwirt auf Vorgartenniveau mit breitem Filzschlapphut und diversen durchgeknallten Internetauftritten und Mitgliedschaften in noch merkwürdigeren Foren, geworden. Ein Barde auf Provinzniveau, der sich den Spaß gönnte im Raum Rendsburg alte Schachteln, die nach Geld oder Staatspension rochen, zu ficken und mit Stimme und Gesang, bei Laune zu halten.

„Drauf geschissen“, dachte Klaus, der Dauerstudent und Durchschnittstyp der Familie Schrock, der Ringo, der Fab Four, als sich die Schranke bei der Einfahrt zum Großmarkt hob und er mit seinem kleinen Corsa auf seinem Weg nach Canossa in die Welt, das Reich fuhr, in der die Firma Schrock & Söhne seit zweihundert Jahren Obst und Gemüse kaufte und mit Gewinn verkaufte. Barfuss erschien Klaus nicht, Schnee lag auch nicht und er musste auch nicht mehrmals auf die Klingel drücken am großen Firmenhaus und gleichzeitig der Lagerhalle von Schrock & Söhne. Philip hatte ihn erwartet.

Hundert Stufen, geviertelt und rechtwinklig angeordnet, stieg Klaus das weiträumige und zu dreiviertel verglasten Treppenhauses zur Handelszentrale der Familie Schrock hinauf. Er wusste, dass hinter der einzigen Mauer dieses Treppenhauskamins, dieses Treppenhauskorkenziehers, sich die mit Obst und Gemüse gefüllte Lagerhalle anschloss. Eine computergesteuerte Halle, in der viele Meter hoch und genau temperiert, Melonen, Tomaten, Zucchini oder anderes Grünzeug lagerte und an deren Außenhaut die Versorgungsraketen beziehungsweise Progress-LKWs andockten, um die großen Supermarkt- und Discountketten zu beliefern.

Die Halle war die Grundlage des Schrockschen Imperiums. Die Halle, war die Munitionskammer und die eingelagerten Auberginen und Kartoffeln waren die Patronen ihrer Gatlin-Guns, mit der sie die Märkte befeuerten.

Nachdem Klaus auf dem obersten Plateau angekommen war, betrat er durch eine unscheinbare, aber mit einem ihm bekannten Zahlencode gesicherte Tür, ein klassisch anonym seriös designtes Großraumbüro.

Knapp ein Dutzend PC Arbeitsplätze standen symmetrisch angeordnet auf farblich neutral gestaltetem Industrievelours. An der Decke waren drei Viertel der Neonleuchten ausgeschaltet. Nur ein Viertel spendete Licht. So lecker wie Softeis. Eines davon fiel auf einen PC-Arbeitsplatz. Am hinterem, rechten Ende des Raumes.
Dort saß sein Vater. Klaus sah, Captain Phil auf der Kommandobrücke der Gemüse-Enterprise nach Feierabend.

Philip saß vor einem Monitor und mit seiner rechten Hand, klickte er schnell und behände. So als würde er tricky die Edeka mit der Dohle Handelsgruppe gegeneinander für eine handvoll Tonnen Frühlingskartoffeln ausspielen. „Kapitän Phil Eastwood, der Master der Melone“, dachte Klaus und wusste, dass sein Defätismus aus Neid geboren, er eingeschüchtert, und er wirklich nur der Nachtschichtenmagister war.

Erst als Philip ihn heranwinkte, wagte er es, den Großraum zu betreten.
„Hallo Klaus“, begrüßte Philip überraschend herzlich und drückte seine Hand so, als ob er sich wirklich freue. „Schön, dass Du hierher gefunden hast. Das freut mich. Wenn Du bei uns anfangen willst, dann haben wir viel zu tun, Klaus. Sehr viel. Aber, wenn Du es willst, wenn du folgen willst, Klaus, dann bin ich bei Dir. Ich werde Dir helfen. Ich bin Dein Vater.“
„Follow, Fool und Plastik“, dachte Klaus, fühlte sich wie Luke Skywalker, aber trotzdem wollte er.

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