Holding on to what I'm feeling savoring this heart that's healing.

Erzählung zum Thema Fassade

von  SunnySchwanbeck

Ihre braune, lederige Hand war schon immer viel kleiner als die meine. Weich war sie immer schon, und die Nägel waren kurz. Kein Ring am Finger, kein Nagellack.
Immer wieder streicht sie zitternd über meine Hand, ihr Blick wandert von meinen unzähligen Ringen über meine blutroten Fingernägel.
„Ist alles in Ordnung mein Herz?“
Ich kichere verunsichert.
War es das denn jemals, Mami?

Yann Tiersen schwemmt meinen Kopf, ich versuche mich zu beruhigen, die geballten Fäuste in meinen Jackentaschen schmerzen, warmes Blut fließt an den rissigen Stellen hinab. Schon wieder ein Streit, durch meine dünne, weiße Holztür höre ich die Gesprächsfetzen meiner Familie, oder besser gesagt von dem was von meiner Familie noch übrig geblieben ist. Sie haben die Tintenflecke an meiner Wand nicht bemerkt, die Einstiche vom Füller auf meiner Haut nicht, und auch nicht die Schnittwunden vom Papier. „Ich schreibe wieder.“ Habe ich geflüstert. Aber meine Stimme ging unter im stürmischen Meer ihrer hassgetränkten Vorwürfe. Ich weiß nicht wann es anfing, das ewige anschweigen, das wochenlange ignorieren und das sich-in-den-schlaf-weinen. Vielleicht als ich wieder kam, vielleicht als er ging. Vielleicht auch erst vor ein paar Wochen als die kleine Welt um mich herum, die ich mir mit ihm aufgebaut hatte, wieder zusammenstürzte und ich mit ihr.
„Ein Kartenhaus.“ Hatten sie es genannt. „So etwas kann nicht gut gehen.“
Ihre mit Vorurteilen gespickten Augen löcherten mich, ihn, uns. Jede Bewegung und jedes Wort wurde fest gehalten und analysiert. Weinend, schreiend, bittend lag ich vor ihr. „Du bist doch noch so jung mein Herz. So jung, sei glücklich. Aber ohne ihn.“

Ich hatte die Zeit in Anrufen gemessen. Ein Anruf bevor ich einschlief, einer bevor ich aß. Zwei nach dem Training. Jeden Morgen drei in Abwesenheit. Nie ging ich dran. Irgendwann kam der letzte, es war kein besonderer Tag. Ich habe es nicht einmal bemerkt. Die allumfassende Gleichgültigkeit hatte mich umarmt und meine Wunden versorgt.
„I wish that without me you couldn’t eat. I wish I was the last thing on your mind before you went to sleep.”
Es waren Tage, vielleicht Wochen. Ich starrte das kleine graue Handy an, und wartete. Die zerrissene Familie tobte, schrie, ignorierte schließlich und kam zurück. „Um des lieben Friedens willen.“ Eine Umarmung. Eine Entschuldigung. Familienbild wieder hergestellt. Kein Warten mehr, das letzte bisschen Hoffnung rann aus meinen Armen und sie sprachen nicht darüber, höchstens hinter vorgehaltener Hand, „Was in der Familie passiert, bleibt in der Familie.“

Jetzt sitze ich mit dem kleinen grauen Handy in meiner zitternden Hand auf meinem Bett, die schwarzen Nummern lachen mich aus und ich suche an den Wänden irgend etwas zum dran festhalten, damit ich nicht zerreiße sobald ich deine Stimme höre.
Endlich, ein Freizeichen.
Ich wusste immer dass es irgendwann soweit kommen würde, dass du irgendwann wieder da sein würdest. Dass du dran gehst und so tust als wäre nie etwas gewesen, ich wusste nicht das ich zu dem Zeitpunkt zerbrochen und alleine sein würde, aber das ist nun Nebensache. Du bist wieder da.
„Sue?“ Du klingst unsicher, fast ängstlich. Habe ich dir jemals Angst gemacht? Ich muss mich zurück halten, kichere hinter vorgehaltener Hand und atme tief ein.
Ein gehauchtes „Ich bin zurück.“ Ist alles was ich zu Stande bringe.
Es könnte ein – „aus dem Urlaub“ – oder ein – „aus dem Supermarkt“ – sein. Du schluckst schwer und fragst mich ob alles in Ordnung sei. Ich lache und frage ob es das jemals war.
„Im ernst Sue, wieso rufst du an?“
Mit eisiger Sorgfalt streiche ich über meine beiden schneeweißen Unterarme und will dir zu schreien dass es genug Gründe gäbe dich zu hassen und jetzt sofort auf zu legen, aber ich nicke nur bedächtig und frage ob du noch bei deinen Eltern wohnst. Ein kurzes verwirrtes „Was?“ Dann bejahst du, nennst mir deine Adresse und fragst kleinlaut ob wir uns sehen sollen, ob ich „überhaupt im Stande bin“ dich zu sehen. Und ich lache, sage in viel zu überheblichem Ton „natürlich, mir geht es blendend.“ Und lege auf.
Einige Minuten später, ein herrisches Klopfen. Mein Name wie er bitter und hart ausgespuckt wird wie ein Kirschkern. Bitten, betteln. Drohungen.
Mit kalten Händen suche ich geschäftig nach den alten Briefen die noch ein bisschen nach dir riechen, ziehe dein Shirt über und lese mich in meiner Vergangenheit ein, mit Tränen in den Augen und deinem Duft in meiner Nase.

„Dann war das wohl Liebe und die geht dann auch vorbei, mein Herz.“

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Kommentare zu diesem Text


 Unbegabt (28.05.10)
Du schluckst schwer und fragst mich ob alles in Ordnung sei. Ich lache und frage ob es das jemals war.

herrgottnochmal, jedes wort sitzt. auch wenn ich hoffe, dass es nicht wirklich so ist. bitte.

 Erdbeerkeks (28.05.10)
Yann Tiersen, Kate Nash, Flyleaf... dein guter Musikgeschmack ist schonmal bewiesen.
Und dieser Text ist einer der wenigen, die mich wirklich zum Weinen gebracht haben, wenn ich mal ehrlich sein soll.
Man weiß, was das heißt, denke ich.

Ich weiß nicht, warum, aber ich glaube, wir sind uns in manchen Hinsichten ähnlich, Sunny.

Melancholie Grüße von Madame Keks
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