I feel you on my fingertips. My tongue dances behind my lips, for you.

Erzählung zum Thema Abgrund

von  SunnySchwanbeck

Ich steige in den Zug nach Hause, mit noch nicht ganz getrockneten Tränen und einem Versprechen auf den Lippen dass sie spröde und glanzlos scheinen lässt.
„Wir sehen uns wieder.“

-Er-

Ich hatte sie noch nie weinen gesehen, doch selbst mit geröteten Wangen, glasigen Augen und zitternden Lippen war sie immer noch die wunderschöne Sue die ich vor einem Jahr verlassen habe.
Ich weiß nicht wann sie anfing zu weinen, vielleicht als wir schon die Treppe zu meiner Wohnung hoch gelaufen sind, vielleicht schon vorher. Mit mir hatte es nichts zu tun sagte sie. Und ich glaubte ihr, wieso sollte ich ihr noch irgendetwas bedeuten?
Ich zog sie nah an mich heran, küsste ihr lockiges Haar, früher hatte sie es immer geglättet, sie fand die locken furchtbar normal und nervig, sagte sie. Sie hatte sich so verändert.
Ich fragte nicht nach dem Warum, ich umarmte sie. Versuchte mein Glück auf sie abzuwälzen als wir uns auf die Laken warfen. Doch sie blieb zitternd neben mir liegen und schwieg. Weinte stumme Tränen in meinen Armen.

-Sie-

Irgendwann nachdem ich mich in seiner orangenen Bettwäsche eingerollt hatte, stand er auf, schaltete seinen Laptop ein und machte unser Lied an. Er stand einfach nur da, lehnte sich gegen die Wand und sah mich an. Bereits nach den ersten Klavierklängen war ich ihm wieder vollkommen verfallen. Wie konnte ich ihn vergessen?

-Er-

Sie erzählte nicht wie sie sich kennen lernten, nannte mir auch keinen Namen. Aber ich spürte wie es sie zerriss dass sie anscheinend nicht gut genug für ihn war, sie war blass geworden, zierlicher. Und kam mir nun mehr vor wie ein Kind, obwohl ihr melancholischer Blick, für den sie viel zu jung war, genau das Gegenteil aussagte. Sie erzählte, von seiner Vergangenheit, von seiner quirligen Mutter, der Frau die wir auf der Straße sahen, von seinen Gedanken und seinem Talent. Sie lächelte dabei und glasklare Tränen sammelten sich in ihren Mundwinkeln.

-Sie-

Er kam zu mir rüber, setzte sich neben mich und presste seine Lippen an meinen Hals, ich stolperte über gesprochene Worte und lauschte meinem Herzschlag um mich wieder zu beruhigen, es half nicht. Er brachte mein Herz zum rasen und meine Wörter schmelzten in meinem Mund, ein bitterer Belag bildete sich auf meiner Zunge und ich schluckte schwer als er seine Lippen an meinen Unterarmen entlang gleiten ließ.

-Er-

Ich wusste es damals schon, ich hab ihr Handgelenk damals gesehen und gesagt „Du willst aber nicht den ganzen Arm voll kriegen oder?“ sie hatte darüber gelacht, unsicher und ängstlich. Ich küsste jede einzelne der blassgrauen Narben, wie ein Tapetenmuster zierten sie beide ihrer Alabasterunterarme, sie sprach nicht mehr, schloss nur die Augen und summte die letzte Strophe des Liedes mit.

-Sie-

Ich wusste nicht was ich sagen sollte, ich wusste nicht ob ich ihm erzählen konnte wie sich sterben anfühlt. Das monatelange eingesperrt sein in Räumen wo sie hinter dir die Tür abschließen und man die Welt nur noch grau wahrnimmt. Meine Lippen bebten während er jede meiner Fingerspitzen küsste und mich ansah.
Ich krallte mich noch fester in seine weiche Bettdecke und flüsterte dass ich ihn nicht lieben würde, dass es zuviel war. Dass ich zerbrochen bin an ihm, jeden Tag aufs Neue.

-Er-

Ich wurde wütend, auf eine unbeschreibliche Art und Weise, nicht auf sie. Auf mich, auf ihn. Auf die letzten Monate die uns immer weiter von einander entfernt hatten. Auf ihre Mutter die er kennen gelernt hatte, die ihr weh tat, auf eine Frau die ich nie kennen gelernt hatte. Ich fluchte, ich schlug gegen meine geschundene Zimmerwand und schrie meine Wut heraus, zwischen gezischten Flüchen hörte ich ihr wimmern, ihr schluchzen. Wie sie wieder mal zusammen brach.

-Sie-

Nach einiger Zeit kam seine Mutter hoch in sein Zimmer, nahm kurz Notiz von mir, als wäre ich ein Möbelstück, und schrie ihn an.
Was er da machte, wieso er so schrie, ob er noch „alle Tassen im Schrank hätte.“
Er starrte die kleine, dünne Frau mit den kurzen roten Haare und der lederigen, gebräunten Haut mit irre blickenden Augen an und befahl ihr hinaus zu gehen.
„Sie ist es gewöhnt dass fremde Mädchen in deinem Bett liegen.“ Flüsterte ich.
Er nickte und trat ans Fenster, es war schon spät. Der Mond zeichnete dunkle Schatten auf sein Gesicht.

-Er-

Ich wollte dass sie blieb, wenigstens für eine Nacht. Eine Nacht mit ihr teilen, einmal mit ihr einschlafen und neben ihr aufwachen. Aber sie wollte nicht, „ich kann nicht, ich muss nach Hause.“
Es war nach elf als ich sie zum Bahnhof brachte, mit ihrer weichen Hand in meiner gingen wir durch die Hallen und ich bot ihr eine Zigarette an. Erinnerte mich daran wie furchtbar sie es fand dass ich rauchte, „Es erinnert mich an meinen Vater, weißt du. Er starb daran. Er verreckte an diesen scheiß Glimmstängeln.“

-Sie-

Zittrig rauchten wir seine letzten Zigaretten und er gab mir seine teure Kapuzenjacke damit mich die kälte nicht gänzlich einhüllte. Seine gebräunten Arme umschlingten mich und er flüsterte mir ins Ohr.

-Er-

Ich fragte sie ob sie ihn noch lieben würde, ob sie noch irgendetwas für ihn empfand. Meine Stimme überschlug sich vor Eifersucht und ich drückte sie fester an mich um nicht wieder um mich zu schlagen, ich wusste wie sehr sie das hasste.

-Sie-

Ich schüttelte den Kopf und lachte.

-Er-

Ich küsste sie sanft auf ihre aufgeplatzten Lippen und ließ sie in den Wagon steigen, glaubte ihr dieses eine Mal. Und rief ihr ein „Bis bald Sunny.“ hinterher. Erinnerte mich an ihre Worte:

„Er hat mich Sunny genannt, nicht Sue. Es erinnerte mich zu sehr an dich, meine Liebe zu dir und die Leere die du hinterlassen hast. Du hast mich nie „die eine“ genannt, und ich wollte dich nie Feind nennen, mein Herz.“

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Kommentare zu diesem Text


 Unbegabt (03.06.10)
oh beste.
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