Der mittelkomplizierte Charme variabler Existenz

Gedichtgedicht zum Thema Abgrenzung

von  Isaban

Es bleibt die vage, leise Trauer.
Du weißt genau, dir fehlt da was,
die Lücke scheuert ohne Unterlass
an deiner Kopfsteinmauer.
Du untersuchst sie nicht genauer.
Dein Tagwerk macht dir keinen Spaß,
woanders ahnst du grünes Gras;
vor deiner Haustür sprießt es grau und grauer,

bis du die Kinder anfährst, still zu sein.
Still bist auch du, tropfst täglich auf Papier,
das zweite, dritte, vierte Leben,
als könntest du dir schriftlich geben,
was du nie warst, nicht bist und niemals wirst.
Du blutest aus und hoffst, das merkt kein Schwein.

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (16.06.10)
Ich hoffe niemals schreibt einmal einer so etwas über mich:
"bis du die Kinder anfährst, still zu sein.
Still bist auch du, tropfst täglich auf Papier,
das zweite, dritte, vierte Leben,
als könntest du dir schriftlich geben,
was du nie warst, nicht bist und niemals wirst.
Du blutest aus und hoffst, das merkt kein Schwein."
Das ist deutlichste Abgrenzung, die gar nicht so öffentlich gehört.
Aber der Leser hat klare Bilder erhalten und füllt sie wie Munition in sein Kaleidoskop. Mir wird schwindlig beim Zuschauen.

 Lala (16.06.10)
Hallo Isaban,

bei der Übberschrift dachte ich noch "Oh, Schreck", doch dann ein Text der für mich durch und durch gelungen ist und eine grausame Ambivalenz hat. Dein Gedicht hat mich berührt.

Gruß

Lala

 Didi.Costaire (16.06.10)
Dunkelgrau.
Gut geschrieben, Sabine!
Liebe Grüße, Dirk

 Peer (16.06.10)
Das Tragische, der Schreiber nennt oder kennt keinen Ausweg.
LG Peer

 makaba (16.06.10)
da bekomm ich gänsehaut und tränen in die augen. toller text sabine, wirklich. das geht unter die haut und ins herz. genial.
lg makaba

 poena (16.06.10)
endlich- da ist er ja! ein toller text...

...das dritte vierte leben schreiben.

du hast seelenzerfetzend recht damit.
so ist es, schreiben zu müssen, um etwas zu ertragen.

@peer: ich finde es nicht tragisch, dass es keine lösung für lyrich gibt... das schreiben ist sein ausweg.
und ich denke, es ist manchmal der einzig mögliche.

lieben gruß, s
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