Der beste Lehrmeister

Anekdote zum Thema Erfahrung

von  loslosch

Usus magister est optimus (Cicero, 106 v. Chr. bis 43 v. Chr.; Pro C. Rabirio Postumo oratio). Gewohnheit ist der beste Lehrmeister.

Eine Wahrheit. Eine traurige Wahrheit. Traurig deshalb, weil Routinetätigkeit verschleiern kann, dass das Menschenkind bereits hohl in der Birne ist.

Der Nestor der deutschen Psychiatrie, Prof. Bürger-Prinz (1897 bis 1976), erzählt in seinen Lebenserinnerungen "Ein Psychiater berichtet" von einem Bombenangriff in einer deutschen Kleinstadt. Dabei wurde die Werkstatt des betagten Schreinermeisters zerstört. Die engsten Familienangehörigen kratzten ihre letzten Ersparnisse zusammen, legten Hand an und richteten die Werkstatt behelfsmäßig wieder her.

Alle versammelten sich erwartungsfroh zur feierlichen Wiederinbetriebnahme. Nicht für den vorher unauffälligen Schreiner geriet die Präsentation zu einem Desaster, sondern für Gäste und Freunde. Der alte Herr fand seine Werkzeuge nicht wieder, konnte nicht kontrolliert arbeiten. Ein menschlicher Zusammenbruch. Die räumlich veränderte Anordnung hatte bewirkt, dass die bis dato verborgene, fortgeschrittene Altersdemenz sich erst jetzt offenbarte.

Wie wahr: Gewohnheit ist der beste Lehrmeister. Hier war sie zur bloßen Routine erstarrt.

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Kommentare zu diesem Text


 Rudolf (19.06.10)
Schön beobachtet: dem lernfördernden Gebrauch (andere Bedeutung von usus) stellst Du den lernhemmenden (fortwährende Wiederholung) zur Seite. Danke.

 loslosch meinte dazu am 19.06.10:
Pointierte Zusammenfassung. Da frag ich mich glatt, welche Fachrichtung Rudolf studiert hat. Lothar

 Bergmann (20.06.10)
Ob derlei auch fürs Schreiben gilt? (Ich meine nicht die Tastatur, nicht einmal die Worte, sondern Schemata des Schreibens, Erzählens, Dichtens.)
LG, Uli

 loslosch antwortete darauf am 20.06.10:
Ach sooo: Es dichtet! Lothar
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