Mein Herz als Zweiraumwohnung

Erzählung zum Thema Freundschaft

von  SunnySchwanbeck

Wir lachen verunsichert, sie hat eine zu süße Stimme und ich einen zu herben Humor.
Ob ich Horrorfilme mag, fragt sie kleinlaut. Ein grollendes Lachen bricht aus meiner Kehle und ich kann mir ihre kleine, zerbrechliche Gestalt nicht mit einem düsteren Blick vorstellen, nicht mit blitzenden Augen sobald die erste leicht bekleidete Blondine dran glauben muss.

Wir reden oberflächlich, wollen beim anderen nicht zu tief graben. Doch irgendetwas an ihr macht mich neugierig. Vielleicht kann sie mein Leben verändern, wenn ich sie nur lasse. Vielleicht fange ich sie an zu lieben wie eine Schwester, ohne Grund.
Wahrscheinlich aber wird es nur wieder ein nettes Gespräch zweier Mädchen sein dass sich nicht noch einmal wiederholen wird, denke ich.
„Ich hab das Gefühl dass du mir immer einen Schritt vorraus bist, Sunny.“ Sie klingt ein bisschen eingeschnappt, bewundernd und doch so klar und großherzig dass ich sie am liebsten umarmen will. Verwirrt hake ich nach.
„All das was du erlebt hast, na ja. Dass fängt gerade bei mir an. Ich weiß nicht, ich glaube wir sind uns in mancher Hinsicht ähnlich.“ Ihre Stimme bricht am Ende, ich schmunzele und überlege mir woher sie meint diesen Schluss ziehen zu können. Bis mir einfällt dass sie einige meiner Texte gelesen hat. Ich lache.
„Ich hoffe nicht dass das stimmt, Jess.“ Ich will nicht dass dir so weh getan wird wie mir, füge ich in Gedanken dazu.
Sie erzählt mir aus ihrem Leben, von ihren Freunden, ihren Eltern, ihre Liebe und all den Kleinigkeiten die sie ausmachen.
„Weißt du, ich werde nie wütend. Eher traurig.“ Sie betont traurig trüb und kalt. Wie abgestandenes Wassermalwasser. Und das Bild der wutentbrannten, kleinen mit den lockigen Haaren und der Piepsstimme passt nicht in meinen Kopf der so voll gepumpt mit Informationen über sie ist, dass er schmerzt.
Ich rufe mir alte Texte von ihr ins Gedächtnis, sie ist talentiert. Großartig nicht eine von den zwölf jährigen die über ihre nie erwiderte Liebe philosophieren und dabei Bushido hören. Los, High five Vorurteil.
Sie pinselt ihre Texte, macht sie leicht, und ich versuche mir vorzustellen wie diese zarte Stimme einen ihrer melancholischen Texte liest. Vergeblich, ich glaube in der Menge würde sie untergehen, mit gesenktem Blick und von der Außenwelt abgeschottet durch die flutende Musik. Die selbe die ich Höre wenn ich laut lachend mit erhobenem Haupt durch die volle Altstadt tanze und den nächst Besten nach Feuer frage.
Ich schau mir ihre Bilder an, die Blicke und ihr Lächeln. Gespielt und zu knapp. Die Gemeinsamkeiten schlagen mir ins Gesicht und nach Luft schnappend setze ich mich in meinem Bett auf.
„Du wurdest gebrochen.“ Sie schluckt. Wird sich über die schwere meiner Worte bewusst und flüstert, leise weinend, ihre Geschichte.

Drei Stunden später und etliche Tränen leichter sage ich ihr, dass ich sie gern habe.
„Wie eine Schwester, mh?“ Sie lacht quirlig und ich stimme mit ein.
„Wie eine kleine.“ Ich schaue auf die Bilder an meiner Pinnwand, von drei Mädchen die so unterschiedlich sind wie Tag und Nacht und vermissen macht sich in mir breit.
Ich erzähle ihr meine Geschichte, das letzte Jahr. Stumpf und verlebt klingt es, wahrscheinlich habe ich schon mit zu vielen Ärzten und Spezialisten darüber geredet, mit Männern die mich küssten und mir ihre Liebe schworen, mit Freunden die nur schwer schluckend meine Arme anstarrten.
Doch sie versteht.
„Ich könnte das nicht.“ Sagt sie, ein Satz den ich schon zu oft gehört habe. Doch ich wage es nicht ihre Mondglanzstimme zu brechen indem ich ihr sage wie einfach es ist. „Aber du bist stark, irgendwie. Auch nach alldem. Auch das könnte ich nicht.“ Ich wiege mich hin und her und lausche ihrem Reden.
Als sie mir von ihrer Tabakallergie erzählt muss ich laut lachen, die Zigarette zwischen meinen Finger wiegt schwer, ich nehme einen Zug und werfe sie aus dem Fenster. Regen.

„Weißt du, Jess. Manchmal, da stelle ich mir vor wie es ist mit dir in einer Altbauwohnung zu sitzen, mit einer roten Teekanne mit weißen Punkten. Polaroids an den lindgrünen Wänden und einem alten Radio aus dem Cat Power und einlullt.“ Sie lacht ihr kindliches Lachen und wir verabschieden uns.
„Und ohne Grund fing ich an dich zu lieben wie eine Schwester.“


Anmerkung von SunnySchwanbeck:

Für  sie, weil sie so niedlich "Keks" sagt und meine kleinste ist.

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Kommentare zu diesem Text


 Erdbeerkeks (22.06.10)
Ohhhh Sunny. Was machst du denn, du bringst mich schon wieder zum Weinen >.<
Es ist so schön. Ich kann nur Danke sagen. Sowas tolles. Mir gewidmet. Wenn ich könnte, würd ich's doppelt und dreifach empfehlen, favorisieren und mit Sternchen bemalen.
Küken, Polaroids, Agentinnen, Radios, Doremi, gepunktete Teekannen.. (:
Ich hab dich lieb. Du große Schwester, wenn auch 2 Monate jünger, als ich.

Herzalliebste Grüße vom Küken an die SchönwieeinSchwan-beck.


Achja. und was ich hierzu nur sagen kann:
Wir reden oberflächlich, wollen beim anderen nicht zu tief graben. Doch irgendetwas an ihr macht mich neugierig. Vielleicht kann sie mein Leben verändern, wenn ich sie nur lasse. Vielleicht fange ich sie an zu lieben wie eine Schwester, ohne Grund.
Wahrscheinlich aber wird es nur wieder ein nettes Gespräch zweier Mädchen sein dass sich nicht noch einmal wiederholen wird, denke ich.

dito. (:
und zum Glück wurde's letzteres nicht.
(Kommentar korrigiert am 22.06.2010)

 makaba (22.06.10)
ein schöner, liebevoller text. sehr sensibel geschrieben, wirklich gut.

ihr seid süß ihr zwei!

lg makaba

 SunnySchwanbeck meinte dazu am 23.06.10:
Vielen dank (:
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