Teil 02

Roman

von  AnastasiaCeléste

Ave wachte früh aus einem traumlosen Schlaf auf. Die Uhr an seiner Wand stand auf acht. Er ging über den Flur ins Bad, um zu duschen.
Es dauerte eine Weile, bis das Wasser warm wurde. Aber die Kälte war ihm egal, Hauptsache Wasser.
Ein Wunder, dass sie diesen Luxus von fließendem Wasser noch besaßen. Aber wie alles in diesen Jahren des Umbruchs, konnte auch die Existenz dieses sonst so normalen Standards, nur noch eine Frage der Zeit sein.
Seit Nichts mehr seinen geregelten, rechtlichen Gang wie früher ging, waren schon die einfachsten Dinge nicht mehr als selbst verständlich anzusehen. Ganze Firmen sind einfach verschwunden, oder wurden von irgendwelchen so genannten Bossen übernommen. Die medizinische Versorgung war in vielen Teilen der Welt zusammengebrochen.
Ärzte sind rar geworden, die meisten haben sich in ländlicheren Gegenden niedergelassen, in der Hoffnung, dort könnte das Chaos noch nicht Einzug gehalten haben. Was sich aber in den meisten Fällen als Fehler erwies.
Strom, Wasser, das alles war ein zu jeder Zeit gefährdetes Gut. Gerieten die Anbieter erstmal in die falschen Hände, war nicht abzusehen, was demnächst geschah. Man hatte aus anderen Städten schon davon gehört, dass so ein Oberboss, die Bewohner mit Stromentzug strafte und sie so an sich band. Heutzutage war nichts mehr unmöglich. Es herrschte Narrenfreiheit wo man hinsah. Jeder konnte tun und lassen was er wollte. Und viele verstanden es, diese unruhige Zeit des Chaos für sich zu nutzen, um königgleich aufzusteigen, zu skrupellosen Göttern, Alleinherrschern, um ihrer Sucht nach Macht gerecht zu werden.
Und Ave, er war definitiv ein Teil dieser grausamen Macht. Auch wenn dies genau die Tatsache war, die er am liebsten einfach leugnen würde.
Als sich die Temperatur langsam von kalt zu heiß wandelte, spürte er ein angenehmes Schaudern seinen Rücken hinunter laufen. Er liebte dieses Prickeln, das durch die Adern schoss, wie eine Droge, die alle Sinne gleichzeitig schärfte und dem Geist dennoch einen Schleier der inneren Ruhe verlieh. Das war seine persönliche Ruhe vor dem Sturm.
Wer weiß schon, was der Tag noch bringen mochte.
Ave hörte Geräusche in der Wohnung. Es war wie immer nur eine Frage der Zeit, bis auch Asher ins Bad wollte.
Die beiden Brüder hatten das gewisse Timing, immer zeitgleich das einzige Bad nutzen zu wollen.
Keine zwei Minuten später unterbrach ein lautes Klopfen Aves meditatives Nichtstun unter dem heißen Wasserregen, der das ganze Bad in weißen Dampf hüllte.
„Bin gleich fertig!“ murrte Ave über das Prasseln hinweg.
Wenig Später schlang er sich ein Handtuch um die Hüften und ging zu der üblichen Prozedur der Rasur und Körperpflege über, auf die er doch noch, im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, viel Wert legte. Ein wenig Normalität im Leben tat eben ganz gut.
Aber diese Normalität hielt auch nur so lange an, bis er nach einem kurzen Frühstück mit Asher, das Halfter wieder anlegte, das seinen Schutz tragen sollte.


Corvins Nächte waren nie wirklich sehr lang, zumindest was die Zeit des Schlafes betraf. Sie waren lang im Sinne von ausschweifenden Partys und ausgiebigem Bettsport.
Die letzte Nacht hatte ihn zugegeben doch ein wenig geschafft. Die zwei Mädchen, die er sich mit in seine Privaträume genommen hatte, waren wirklich talentiert.
Sein Blick wanderte zu dem riesigen Bett, das am anderen Ende des Zimmers stand. Die Mädchen lagen noch immer nackt in dem zerwühlten Bettzeug und schliefen.
Sie werden mit Sicherheit nicht das letzte Mal dort gewesen sein. Derart gehorsame Gespielinnen sind ihm in letzter Zeit selten untergekommen.
Ein Klopfen unterbrach die Erinnerungen an die letzte Nacht.
„Ja?“ rief er der Tür entgegen, bevor er sich langsam, nur mit einem teuren Morgenmantel bekleidet, umdrehte. Ein überschwängliches Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ave, mein Freund! Ich dachte mir schon, dass du mich heut besuchst!“ Er ging zu seiner Bar. „Kann ich dir was anbieten?“
Ave winkte ab. „Nein, danke.“ Sein Blick huschte zu den schlafenden, jungen Frauen, was Corvin bemerkte. Er grinste breit. „Ja, es war eine lange Nacht! Aber sie war verdammt gut, mein Lieber! Ich kann dir die beiden Schönheiten nur empfehlen!“ Er zwinkerte Ave zu und hob ein Glas Schnaps an die Lippen.
Ave fragte sich wirklich, ob dieser Kerl überhaupt mal etwas Unalkoholisches trank.
„Ich habe gehört, dass du da was für mich hast?“ fragte Ave trocken.
Corvin stellt das Glas ab. Seine Miene verdüsterte sich auf einmal. Nichts wies mehr auf den zuvor gut gelaunten, ausgelassenen Typen hin. Seine Stimme lies Wut erkennen. „Ja…ja, da ist dieser Kerl. Er ist der Meinung, seine Schulden nicht bezahlen zu müssen. Ich glaube es ist an der Zeit, ihm mal einen kleinen Besuch abzustatten.“ Ein hämisches Lächeln huschte über seine Züge.
Ave blieb reglos. „Ich hab ihm das eine Zeit lang durchgehen lassen. Weißt du Ave, ich bin ja auch kein schlechter Mensch! Jeder hat seine Chance verdient!“ Sein Tonfall verriet die Ironie sofort. „Aber, ich will langsam mein Geld haben….wir reden hier von zwanzigtausend Dollar!“ Noch einen Schluck Schnaps, bevor er das leere Glas laut auf den Tresen scheppern lies.
Am anderen Ende des Zimmers raschelte es leise. Eines der Mädchen wachte auf.
Sie hob benommen den Kopf. Ihre Augen suchten verwirrt den Raum ab, bevor sie Ave fokussierten. Er begriff es sofort, sie hatte ihre Belohnung bereits bekommen. Den feinsten Stoff, den der Boss besaß. Seinen “Goldstaub“, wie er ihn immer so schön nannte, den er nur sehr wenigen und besonders braven Mädchen gewährte.
Ihr benebelter Blick verlor sich irgendwo.
Ave wusste wie sich das anfühlte, dieser Schwebezustand. Corvin hatte ihn schon vor einigen Jahren in den Kreis seiner privilegierten Mitarbeiter aufgenommen, die sich nicht mit dem billigen Stoff von der Straße abgeben mussten. Es war dieses feine Gold, von dem niemand genau wusste, wo es herkam, mit dem sich Corvin neben dem Handel mit Waffen und Frauen sein dekadentes Leben finanzierte, und das ihn für viele zu einem Gott machte.
Ave hatte diesen Stoff nicht oft in Anspruch genommen. In diesen Kreis der Abhängigkeit wollte er sich nicht bewegen, wobei diese Überlegung in Anbetracht der Tatsachen wirklich lachhaft war, da er doch mitten in diesen Kreisen arbeitete und so tief drin steckte in all dem Dreck dieser Gesellschaft.
Corvins herrische, tiefe Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
„Er soll sich in diesem kleinen Laden in der Brookstreet aufhalten. Mann nennt ihn „Pico“! Kleiner, dicklicher Kerl. Einer meiner Männer vermutet, dass er sich wohl bald aus dem Staub machen will! Das ist jetzt deine Abteilung!“
Ave nickte. Er speicherte die Informationen wie ein Computer, ohne weitere Nachfragen.
„Ich kümmere mich darum!“ Er nickte Corvin noch einmal zu und ging dann, bereit sich an die Arbeit zu machen.

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