Grausame Erinnerung

Kurzprosa zum Thema Qual(en)

von  nachtfalke

Was hatte sie nur getan? Was hatte sie nur getan!
Sie sank zu Boden, noch immer strömten die Tränen unaufhaltsam ihr Gesicht herunter. Sie kniff fest ihre Augen zusammen, krümmte sich dem Boden entgegen, sodass lediglich unartikulierte, hässliche Laute aus ihrem Mund drangen, die nicht ansatzweise ihre Verzweiflung zum Ausdruck bringen konnten, aber ihr Unbegreifen zeigten. Rhythmisch verkrampfte sich ihr Magen, ihre Hände wühlten nach irgendetwas, das sie ergreifen konnten. Sie krallten sich fest, schlugen dann wieder darauf ein wie auf die quälende Erinnerung. In ihrem Kopf war ein einziges Wirrwarr an Bildern und Gefühlen, die wild durcheinander sprengten, ohne dass sie diese fassen oder gar beseitigen konnte. So drangen sie mehrmals auf sie ein und quälten sie immer wieder von neuem. Verzweiflung hielt sie in eisernen Ketten gefangen.

Sie musste den Schmerz betäuben, das war ihre einzige Chance. Stöhnend und mit den Augen rollend kämpfte sie sich in eine halbwegs aufrechte Position und kroch zum kleinen Schrank, der ihren Dank schon so viele Abende erhalten hatte. Sie öffnete ihn und holte sich die erste Flasche, die sie greifen konnte. Nach raschem Öffnen kippte sie sich den Inhalt ihre wartende Kehle hinunter, doch viel Inhalt war aus ihr nicht mehr herauszupressen. Es reichte bei weitem nicht für ihren Schmerz. Unbefriedigt ließ sie die Flasche klirrend auf dem Boden aufkommen. Unwirsch wischte sie sich die Flüssigkeit vom Kinn, leckte es von ihrem Handrücken ab und warf ihren Kopf umher, auf der Suche nach etwas anderem. Wild stierte sie umher.

Immer wieder stachen die Vorwürfe in ihren Kopf. Hackten erbarmungslos auf sie ein.
Sie war erhitzt in ihrer Raserei, sie musste sich abkühlen. Länger kam sie mit ihren reißenden Gedanken nicht zurecht, sie sollten aufhören. Sie in Ruhe lassen, das Quälen beenden.
Schwankend stand sie auf, wollte weg. Sie wollte vor ihren jagenden Gewissensbissen fliehen. Schwankend stürmte sie aus dem Zimmer.
Unvorsichtig torkelte sie ins Bad, rutschte aus und fiel ungelenk auf die kalten Fliesen. Unwillig sich wieder aufzurichten, zerrte sie sich am Rand der Dusche vorwärts und zog sich hinein. Langsam kroch sie auf die Ecke zu, presste ihren Rücken an die Wand und zog die Beine an.
Ihre Hand glitt die Wand entlang, langte nach oben. Sie drehte den Hahn ungelenk mit Schwung auf und kauerte sich in die Ecke hinein. Den Kopf lehnte sie an die Wand, mit geschlossenen Augen nach oben streckend, der Kühle entgegen. Nach anfänglichem Schock über die Kälte, zierte ein kurzes höhnisches Lächeln ihr Gesicht, das ihr selbst galt. Nun bekam sie ihre Abkühlung. Wie gewünscht lähmte es tatsächlich ihren Körper, drang durch ihre Kleider. Schwer fielen die Tropfen herab, machten Bewegung unmöglich, verlangsamten aber auch ihr Denken. Sie kühlte ab, passte sich ihrem Herzen an. Es machte sie schläfrig und sie gab sich ganz dem Lebensquell hin…

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Kommentare zu diesem Text


 Blutmond_Sangaluno (19.01.11)
Das kann man sich richtig gut vorstellen.
Eins eines weiß ich: So etwas möchte ich nicht
erleben.
Sie kommt mir fast schon animalisch vor, beschränkt
auf ihre Sucht zu vergessen, ihre Instinkte.

Was mich interessiert, ist:
Was quält sie so.
Man wartet. Den ganzen Text und zum Schluß
weiß man es trotzdem nicht.
Einerseits schade, aber andererseits:
Will man wirklich wissen warum?

...warf ihren Kopf umher, auf der Suche nach etwas anderem. Wild stierte sie umher.
Etwas ungeschickte Wortwahl, da es zwei Mal "umher" heißt.
Klingt nicht so schön.

Gruß
Sanga

 TrekanBelluvitsh (02.01.20)
Ich hätte da etwas in meinem Kopf, was zuvor geschehen ist. Schön ist das nicht...

Aber eindringlich von dir geschildert.

 Thal (22.02.22, 00:28)
Ach schön ist das doch immer wieder: Wasser- nicht?
Lebensquell; so auch IN mir

 Dieter_Rotmund (03.06.23, 22:36)
Kalter Drogen-Entzug?
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