Getäuscht

"Ich werde euch nicht in die Augen sehen,
wenn ich nach Hause komme, denn so war es oft genug.
Und schon gar nicht werde ich mit euch sprechen.
Auch für mich war es eine lange Nacht.
Und ja: Sie hinterließ Spuren und hat mich innerlich aufgewühlt.

Aber ich bin gut.
Gut genug, denn man sieht es mir nicht an. Wie auch?
Ich kann so vieles vor euch versteckt halten und ich habe noch nicht einmal Schwierigkeiten damit. Es fällt mir nicht schwer. Ich bin geübt darin euch auf diese Weise zu täuschen. Fast immer seid ihr naiv und glaubt es mir.
Manche Tage beherrsche ich es sogar so gut, dass ich selber denke, dass ich glücklich bin, obwohl genau das Gegenteil der Fall ist.
Lieber verstecke ich meine Gefühle, um nicht von euch verletzt zu werden.

Doch ich weine hinter meiner Fassade.
Bittere Tränen der Wut.
Doch heute ist es die Verzweiflung die schwer an meinen Nerven zerrt.

Wie so oft saß ich wieder einsam in einer Ecke und meine Augen schauten ins Leere. Ich war da und doch so weit weg.
Mein Halstuch fing die Tränen auf.
Keiner bekam etwas davon mit. Ich war leise, ganz für mich alleine. Niemand war da.

Und die Situation war in diesem Augenblick gut, denn niemals würde ich zulassen, dass man mich so sieht.
Nein. Egal wie tief der Abgrund in mir auch wäre:

Ich würde aufstehen, mir die Tränen von den Wangen wischen und tief durchatmen, um das Zittern in meiner Stimme zu ersticken. Ich würde den Menschen mit meinem schönsten Lächeln entgegentreten.

Doch umso mehr ich euch täusche, desto tiefer falle ich später in der Nacht.
Manchmal sehe ich trotz all dem fertig aus, denn mein Körper streikt. Dann bin ich völlig teilnahmelos. Aber es ist egal, denn ich würde allen, die nachfragen versichern, das es mir gut ginge und ich nur müde sei.

Ich will nicht einsehen, dass andere sagen, dass ich eine Auszeit bräuchte, wenn unter meinen Augen dunkle Schatten liegen und ich meine Stimme nicht finde.

Ich habe mir mit großer Mühe diese Mauer aufgebaut, die mich wie ein zweites Ich umgibt, dass immer glücklich zu sein scheint und euch täuscht. Es kostete mich Kraft, sie zu errichten, nach all' der Zeit und deshalb werde ich diese Mauer nicht so schnell zum Einstürzen bringen, denn in gewissen Maßen schützt sie mich in zweierlei Hinsicht: Sie schützt mich vor mir selber und vorallem schützt sie mich vor euch!"