Sophie.

Text zum Thema Entfremdung

von  Skala

Sophie war eben Sophie. Habe ich immer gedacht. Ein stilles Wasser, aber tief.

„Weißt du, ich glaube, wir verstehen uns auch ohne Worte“, sagte ich ihr einmal in einem sentimentalen Moment, als wir auf einer Wiese lagen und den über uns ziehenden Wolken alberne Phantasieformen andichteten.
„Kamel“, sagte sie nur und schaute zum Himmel.

Sie war nicht wirklich originell, wenn wir phantasierten. Was mich nicht störte, denn in ihrer Gegenwart konnte ich phantasievoll sein, phantasievoll und originell. Bei ihr konnte ich meinen Gedanken freien Lauf lassen, sie in Worte fassen oder auch nicht. Sophie hörte mir zu und lächelte.

Sophie war eben Sophie. Weder wirklich klug, noch wirklich dumm, weder wirklich hübsch, noch wirklich hässlich. Manchmal leidenschaftlich, manchmal distanziert. Meistens zurückhaltend, eingeigelt in ihrer kleinen, großen Sophiewelt, an der sie niemanden Anteil haben ließ.

„Erzähl mal“, pflegte ich sie gelegentlich aufzufordern. Dann sah sie mich an mit diesem Blick, dem Sophieblick, zuckte mit der linken Schulter und schaute wieder aus dem Fenster.

So war Sophie. Und ich war glücklich. Bis sie begann, zu verschwinden.

Sophie verschwand nicht Knall auf Fall. Nein, sie zog es vor, sich still und heimlich, wie sie eben war, aus meinem Leben zu schleichen. Mir Stück für Stück die immer kälter werdende Schulter zuzuwenden. Mir mit ihren wenigen Worten Eiskristalle entgegenzupusten, die selbst die warmen Erinnerungen an die Sonne Italiens auslöschten und das Wasser des Trevi-Brunnens zu Eis erstarren ließen.

Sophie ist fort. Obwohl sie da ist. Jeden Tag sehe ich sie an und schaue ihr vor den Kopf. Auf die Wasseroberfläche.

Sophie ist eben Sophie. Doch heute weiß ich, dass tief unten im Wasser eine Schneekönigin lauerte und mir dabei zuschaute, wie ich aus den weißen Flockenwolken das Wort Ewigkeit las.

In ihrem, unserem wortlosen Miteinander hatte es wohl keine Zukunft.


Anmerkung von Skala:

Gewidmet und subjektiv.

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Kommentare zu diesem Text


 Sanchina (20.11.10)
subjektiv und dennoch sehr verständlich, sehr intensiv. Gern gelesen.
Gruß Barbara

 Skala meinte dazu am 20.11.10:
Immerhin.
:D
Danke und liebe Grüße, Ranky.
(Antwort korrigiert am 20.11.2010)

 Sanchina antwortete darauf am 20.11.10:
bloß immerhin? - nein, so war das nicht gemeint, aber das weißt du auch

 Skala schrieb daraufhin am 20.11.10:
Nein, das weiß ich schon!
Das "immerhin" hab ich nur dahingekleistert, weil ich (meine) "Ich-schreib-mir-jetzt-mal-den-ganzen-Weltschmerz-von-der-gepeinigten-Teenieseele"-Texte selbst für eher peinlich und/oder überkitscht halte und mich auch eher auf Kommentare in der Richtung gefasst mache. Deswegen auch der Smiley hinter dem immerhin!
Grüßle, Ranky.

 Sanchina äußerte darauf am 21.11.10:
der Text ist weder überkitscht noch peinlich! Aber langsam lern ich dich ein bißchen kennen!
Schönen Sonntag dir! Gruß, Barbara

 Skala ergänzte dazu am 21.11.10:
Na, dann ist ja gut... *puh*
Schönen Sonntag dir! :D
Ranky.

 princess (21.11.10)
Sophie. Meine Tochter heißt ähnlich. Nur am Ende mit –a statt mit –e. Also musste ich den Text lesen. War eine gute Idee. Warum? Toller Text. Darum.
Auch ganz subjektiv.
Liebe Grüße, Ira

 Skala meinte dazu am 21.11.10:
Danke!
Liebe Grüße zurück, dann auch an die Sophia!
Ranky.
Scrag (23)
(21.11.10)
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 Skala meinte dazu am 21.11.10:
Oh, danke! "Herzberührend" klingt toll! "Traurigschön" auch...
Ranky.

 ZornDerFinsternis (21.11.10)
Ein absoluter Wahnsinnstext... zu Tränen gerührt und mehr als berührt... wundervoll.
Anni

 Skala meinte dazu am 21.11.10:
Puh... Derart positive Reaktionen...
Danke dir und danke für die Klixx!
Ranky.
Mahina (70)
(18.12.10)
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 Skala meinte dazu am 18.12.10:
Dankeschön! Es freut mich, wenn der Text nachdenklich gestimmt hat!
Liebe Grüße zurück, Ranky.

 Ingmar (01.03.11)
frau nonsense,

wunderbar geschrieben, berührend. das ist viel, wenn nicht alles. aber. und das aber ist dieses: aber am schluss fehlt was. ich behaupte: der text ist nicht fertig. ich behaupte: es gibt noch mehr (zu sagen). beweis mir das gegenteil, oder - was ich besser, richtiger fände - bestätige mich: mit einer forsetzung! wie ging das vor sich, das verschwinden? das ist einen roman wert. und "Sophie ist fort. Obwohl sie da ist. Jeden Tag sehe ich sie an und schaue ihr vor den Kopf. Auf die Wasseroberfläche" - ja, und warum erzählst du nicht davon, so als liesse sich ihr verschwundensein damit wenn nicht ungeschehen machen, so doch verzögern. ein bisschen mehr hat sie verdient, die sophie. oder nicht? oder willst du dastehen als die wahre schneekönigin? aaaalso...

grüsse,
ingmar

 Skala meinte dazu am 01.03.11:
Hey, erstmal danke für deine Worte...
Du hast nicht Unrecht damit, dass die Geschichte noch weitergeht, ganz einfach aus dem Grund, dass es sich nicht um Erfundenes handelt, wie sonst bei mir üblich. Aber gerade deswegen habe ich auch ein wenig Hemmungen, zu viel zu erzählen, vielleicht, weil ich damit der echten "Sophie" zu nahe treten würde, auch, wenn sie es wohl nie lesen wird...
Nur so viel: Sophie taucht nicht mehr ganz soweit unten, und wer weiß, vielleicht gibt es ja irgendwann ein Sophie-Sequel... wer weiß... ich spielte schon mit dem Gedanken. In dem Sinne danke für den Anstups.

Liebe Grüße, Ranky.
Christianna (49)
(10.08.11)
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 Skala meinte dazu am 10.08.11:
Danke dir, auch für die ganzen Klicks!
Ja, das subjektiv und gewidmet hatte ich ausnahmsweise druntergeschrieben, weil das bei mir eher selten ist... :)
LG Ranky.

 HarryStraight (24.07.15)
Wenn du jemanden charakterissieren willsst, dann schreib doch nicht so unbestimmte Sachen rein, sondern mach klare Ansagen wie sie war. Und dann noch diese ewige sie war eben sie führt es noch weiter in die falsche Richtung. Am Ende des Textest schleichst du dich selbst feige davon. Ich weiß nicht, ob das ganze nicht sogar eine Denunziation an einen Charaktertyp von Mensch ist.

 Skala meinte dazu am 30.07.15:
Das hier ist keine Charakterbeschreibung. Wäre es eine, stünde da wohl "sie war eine hinterfotzige, verlogene Schlampe". Ob das jemand lesen will? Na, ich weiß nicht. Ich persönlich ziehe es vor, dem Leser Raum für Deutungen zu lassen. Und mein sechzehn-, siebzehnjähriges Ich, das diesen Text geschrieben hat, fand das damals auch schon.

Am Ende des Textest [sic!] schleichst du dich selbst feige davon.
Ich würde es doch bevorzugen, wenn du nicht von "du", sondern vom Lyrischen Ich sprechen würdest. Auch wenn dies einer meiner wenigen biographisch angehauchten Texte ist, so distanziere ich mich als Autorin doch von meinen Charakteren.

Und wenn du aus dem Text eine Denunziation eines bestimmten Charaktertypen herausliest, dann ist das deine Interpretation. Ich kann dir nur so viel sagen, dass es in dem Text nicht um eine Art von Mensch, sondern um diesen einen, bestimmten Menschen geht, um Sophie, wie im ganzen Mehrteiler.

Danke für deinen Kommentar.
Skala.
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