Myrtille

Kurzgeschichte zum Thema Beobachtungen

von  süßerMacho

Unser Held -wie sollen wir ihn nennen- einigen wir uns auf Christian. Etwas gewöhnlich, darum geben wir ihn den Nachnamen -etwas Ausgefallenes-: Mondkalb. Zu ausgefallen? Na gut, wer möchte kann auch nur Kalb sagen. Eigentlich spielt das für unsere Geschichte keine Rolle. Egal. Dieser Christian Mondkalb bzw. Kalb studiert Französisch und Astronomie, spaßeshalber. Deshalb ist er in eine Großstadt gezogen und wohnt dort in einem Studentenwohnheim. Mittlerweile studiert er im 2,3 –wer bietet mehr?- 4 Semester. Eines Abends, nein morgens- wer hat morgens nicht gerne ein schönes Erlebnis- lächelte ihn im vorbeigehen eine hübsche Frau an. Sie war brünett und hatte Locken und trug eine enge Lederjacke.  Konnte sie tragen, denn sie ist schlank. Christian Kalb hatte es ohne zu wollen, ein wenig in sie verschaut. Er weiß er muss sie wieder sehen. Was Christian nicht weiß, sie wohnt genau vier Stockwerke über ihm. Da seine spannendste Aufgabe heute darin besteht nachzuschlagen was Myrtille auf deutsch heißt, verlassen wir ihn.
Stattdessen gehen wir vier Stockwerke nach oben um uns mal ihr Zimmer anzusehen. Irgendwelche Einwände? Nein? Dachte ich mir. Möglicherweise finden wir dort Anhaltspunkte ob sich Herr Mondkalb bzw. Kalb zarte Hoffnungen auf ein amouröses Abenteuer mit der schönen, fremden Frau machen darf. Selbstverständlich tun wir es nicht, weil es uns etwa Spaß machen würde im Zimmer einer jungen und äußerst attraktiven Frau herumzuschnüffeln. Es geschieht ausschließlich um Herrn Mondkalb zu helfen.
An ihrer Tür lesen wir den Namen an ihrem Namensschild ab: Maria Schneider. Betreten wir nun das Zimmer. Aus praktischen Gründen lassen wir sie nicht da sein und sie  vergessen haben lassen die Tür abzuschließen. Andernfalls müssten wir nur anhand ihres Namens und ihrer Tür Rückschlüsse ziehen, was sehr fantasievoll wäre, aber ohne jegliche beweisbare Grundlage, ohne die wissenschaftliches Arbeiten nicht möglich ist. 
Wir öffnen also die Tür und betreten das Zimmer. Auf den ersten Blick stellen wir fest, dass es genauso ausgestattet ist wie Christians Zimmer. Da es sich mit vollem Magen leichter philosophieren lässt, essen wir einen Apfel aus ihrem Kühlschrank. Wir sind zu faul um etwas zu kochen und weil wir nett sind, lassen öffnen wir auch das Bier nicht. Wir stellen fest: im Kühlschrank befindet sich weder Fleisch noch Wurst. Daraus schließen wir, Maria ist Vegetarierin. Zur Kontrolle noch ein Blick ins Kühlfach. Vollgestopft mit Schweinenackensteaks in Biermarinade. Also doch nicht. Der Blick in weitere Küchenschränke ergibt nichts Neues.
Ein Blick in ihren Kleiderschrank erscheint uns lohnenswerter. Schuhe, Stiefelchen, Lederjacken, sie hat also mehr davon, Hosen aha, Hemden, ein paar Blusen, soso. Ah, viel interessanter: Unterwäsche und Büstenhalter. Wir greifen uns einen um ihn ausgiebig zu begutachten. Pushup!?! Alles nur Betrug also, so eine Frechheit diese… Ähem, ich meine das wird Christian gar nicht gefallen. Naja, was ist denn überhaupt die echte Größe. Aha, doch so… klein. Naja gut wenden wir uns ihren zahlreichen Tangas zu. Für einen guten Überblick sehen wir sie alle kurz an und  prüfen sie auf… verschiedene Eigenschaften.  Exemplarisch greifen wir uns einen mit Blümchenmuster heraus und halten ihn gegen  das Licht und nah vor da Gesicht. Wir atmen tief ein. An dieser Stelle sei noch einmal erwähnt, dass dies nur im Sinne der Forschung geschieht. Nach diesen tiefen Einblicken schließen wir den Kleiderschrank, nachdem wir uns überwinden konnten alles an seinem Platz zu lassen, und sehen uns nun ihr Bücherregal an.
Aha, äußert interessesant. Sie scheint wohl Chemie zu studieren oder so etwas Ähnliches. Wir sehen ihre CDs. Schrecklicher Musikgeschmack...
Auf dem Schreibtisch liegt ein Buch, das wir für ihr Tagebuch halten. In völliger Missachtung des Datenschutzes und Fräulein Schneiders Privatsphäre schlagen wir es auf. Da wir die geheimen Daten nicht an Julian Assange weitergeben sondern an Christian Mondkalb, ist das nicht weiter schlimm. Wer trotzdem Bedenken hat, kann derweil wegschauen und das Bier aus Marias Kühlschrank trinken.
Sofort stellen wir fest, es handelt sich tatsächlich um ihr Tagebuch. Wir überfliegen es, aha, sie hält darin ihre innersten Gefühle und den ganzen Scheiß fest. Offensichtlich hatte sie eine Affäre mit einem gewissen Max, aha, scheint noch ganz frisch zu sein. Schweizer Architekturstudent, bei einer Party kennengelernt. Hatte schon gedacht es könnte es könnte was Ernstes werden, aber dann hatte sie Schluss gemacht. Dann wird es unleserlich. He, hör mal auf Bier zu trinken. Schau dir das an, kannst du was erkennen? Auch nicht, schade. Wie scmeckt das Bier? Was meinst du? Ist ekelhaft dieses B…- halt keine Schleichwerbung. Auf der nächsten Seite ist alles durchgestrichen mit Edding. Ah jetzt geht’s weiter, anscheinend hat er sie betrogen mit einer gewissen Schlampe. Dann wieder unleserlich offensichtlich hat sie geweint. Halt, das kann man wieder lesen. „…am liebsten alle vergiften.“ Aha. Dann folgen für uns nicht wichtige Angelegenheiten. Offensichtlich hat sie zurzeit keinen Freund, gute Nachrichten für Christian. Die letzte Seite noch. Sie ist ausgegangen weil sie Vanilleeis essen will mit heißen Blaubeeren. Hervorragend. Brauchen wir noch irgendwas? Nein, Bier ausgetrunken, dann gehen wir wieder. Wir sehen noch einen fünfzig Euroschein den wir, ähm, einstecken. Denn Geld kann man immer gebrauchen. Um fünfzig Euro reicher und mit Erkenntnissen aus Marias Privatleben verlassen wir ihr Zimmer und kehren zu unserem Hauptprotagonisten zurück.
Nein wie niedlich, er ist schon eingeschlafen. Leise summen wir ein Schlaflied und verlassen sein Zimmer. Leise, ganz leise auf Zehenspitze  und nun vorsichtig die Tür schließen. So, geschlossen. Entlassen wir Christian Mondkalb ins Reich der Träume, in das niemand einzudringen vermag.

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