Die Trollhochzeit (Teil III)

Erzählung zum Thema Fantasie

von  DariusTech

Nach dem ich meinen Kampf überstanden hatte, hatte ich ehrlich gesagt eher die Nase voll von der Veranstaltung, und von stinkendem Schlamm. Aber nun ja, was tut man nicht alles für die Artverständigung. Jedenfalls versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen und meinen Wunsch nach einer Dusche zu unterdrücken.
Die folgenden Kämpfe verliefen nach dem gleichen Muster... Abwechselnd traten Helga und Otto gegen einen Herausforderer an, die Trommler spielten einen lärmenden Tusch, die Brautleute gewannen und der Herausforderer, beziehungsweise die Herausforderin bestätigten brav, das sie würdige Krieger seien. Die umstehenden Trolle jubelten, jolten und applaudierten.
Schließlich baute sich der Priestertroll in der Mitte auf und erklärte die Ahnen für ausreichend überzeugt.
"Nun ist es an der Zeit Helga und Otto im Namen von Krok Warro zu vermählen. Lasst uns in den Tempel schreiten!"
Das hieß wohl, dass der unangenehme Teil vorbei war, wer auch immer dieser Krok Warro sein mochte... Die Hochzeitsgesellschaft marschierte zurück in den Tempel, insgesammt etwas weniger glänzend als zuvor. Otto und Helga namen vor dem Altar Aufstellung. Der Priester erschien aus dem Hintergrund und trug einen etwa fußballgroßen Gegenstand vor sich her, der mit einem scharzen Tuch bedeckt war. Die Trolle murmelten, wieder fiel der Name Krok Warro.
Die anderen Herausforderer traten hinter Otto und Helga vor den Altar, anscheinend waren wir jetzt wohl noch so etwas wie Trauzeugen. Nun ja, dass würde ich jetzt auch noch überstehen.
Zu meiner Rechten stand wieder der Experte für Trolldreiecksgeschichten... er stieß mir leicht unsanft den Ellbogen in die Seite. Dann wies er auf eine der Trollfrauen hinter Helga.
"Guck Dir mal Rominas säuerliches Gesicht an, herrlich!"
Um ehrlich zu sein, sah ich nur Schlamm, aber ich nickte und grinste, in der Annahme dies würde von mir erwartet. Wer hätte gedacht, das ein Kleiderschrank von Troll so eine Tratschtante ist... Nun denn, Trolle sind wohl auch nur Menschen! (Oder so ungefähr...)
Wer schon mal auf einer Hochzeit war, der weiß, dass der Priester, Pfarrer oder Standesbeamte zunächst eine Rede hält, über die Bedeutung der Ehe und Partnerschaft, in der einen oder anderen Form. Ob man es glaubt oder nicht, DAS ist bei Trollen nicht anders.
Der Priester erzählte eine recht niedliche Geschichte, ungelogen. Es ging um zwei Kieselsteine im Fluss des Lebens. An der Quelle, bei der Geburt beginnen sie ihre Reise allein, sie werden vom unaufhaltsam fließenden Wasser, der Zeit, davongetragen, treiben den Fluss hinunter, reiben sich an anderen Kieselsteinen, reifen und formen sich an ihnen. Irgendwann jedoch treffen sie aufeinander und beschließen sich von nun an gemeinsam den Fluss herabtreiben zu lassen und vor allem aneinander zu reiben. Ein schönes Gleichnis für eine Ehe, irgendwie. Bild
Auch der folgende Teil des Rituals war ziemlich vertraut. Zumindest zu Beginn...

"Willst Du, Otto, die hier anwesende Helga zu Deiner Frau nehmen und Ihr Treue und Liebe für das ganze Leben schwören?"
"Ja, das will ich! Ich schwöre es im Namen von Krok Warro!" (Schon wieder dieser Kroko-Typ!)
"Willst Du, Helga, den hier anwesenden Otto zu Deinem Mann nehmen und Ihm Treue und Liebe für das ganze Leben schwören?"
"Ja, das will ich! Ich schwöre es im Namen von Krok Warro!"
"Dann sollt Ihr dies nun mit dem Geist Krok Warros, dem großen Begründer unseres Ordens besiegeln!"
Der Priester ging zu dem verhüllten Gegenstand und hob das schwarze Tuch ab.

Darunter verbarg sich ein äußerst grausiges Etwas. Verschrumpelt, hässlich und entstellt. Bei genauerem Hinsehen entpuppte es sich als der mumifizierte Kopf eines Trolls. Die Schädeldecke war entfernt worden.
Die versammelten Trolle intonierten mit einer Stimme: "KROK WARRO!"
Irgendwo hinter mir hörte ich Mars lachen, was kein gutes Zeichen war.
Der Priester reichte Helga den Schädel. Diese schloss die Augen um ihn dann wie einen Kelch zum Mund zu führen und einen tiefen Schluck zu nehmen. Dann reichte sie den Schädel zurück an den Priester.
Als nächste reichte der ihn an Otto, der ebenfalls daraus trank und ihn zurückreichte.
Dann sagte er: „Hiermit erkläre ich Euch zu Mann und Frau.“
Schließlich wand er sich an uns, die Trauzeugen, innerlich schluckte ich. Ich hatte das ungute Gefühl, dass das noch nicht alles war, was ich heute zur Artverständigung beizutragen hatte…
„Bezeugt Ihr, dass Helga und Otto dieses Bündnis aus freien Stücken eingegangen und würdig und fähig sind dies zu tun?“
Die Antwort erfolgte im Chor. „Ja, dass bezeugen wir.“
Die Gemeinde der Trolle schwieg andächtig. Auch Mars war im Augenblick still.
„So besiegelt auch Ihr dies im Geiste von Krok Warro!“
Man erwartete doch wohl nicht allen Ernstes von mir, dass ich aus einem vertrockneten Trollschädel trank? Mir drehte sich alleine bei dem Gedanken der Magen um und ich hatte das dringende Bedürfnis mich in Luft aufzulösen.
Währenddessen wanderte der Schädel zu der ersten Zeugin hinter Helga, welche daraus trank und ihn an Romina weitergab. Ok, wenn ich verschwinden wollte, dann ganz schnell… Aber ich war in einem Höhlentempel voller Trolle, und überhaupt, ich würde Otto die Hochzeit versauen und nicht gerade dazu beitragen, dass Trolle und Menschen gut miteinander auskamen in meiner Stadt. Irgendwo sah ich ein, dass ich jetzt da durch musste… aber die Aussicht darauf aus dem grausigen Gefäß zu trinken erfüllte mich nicht gerade mit Freude.
Inzwischen war Krok Warro bei der letzten weiblichen Zeugin angekommen.
Der Klatschexperte stieß mich erneut in die Rippen. „Hey! Du bist der erste Mensch der vom Geiste Krok Warros trinken darf.“
Ich atmete tief durch… Was blieb mir da noch anderes übrig… Und immerhin, die Biologie von Trollen und Menschen war nicht sehr verschieden, und die anderen hatten es auch überlebt. Und es war wohl eine große Ehre, irgendwie.
Mein Nachbar war nun an der Reihe, er nahm wie alle vor ihm einen tiefen Schluck aus dem Schädel, mit andächtig geschlossenen Augen. Und eh ich mich versah, hatte ich den Schädel selber in den Händen.
Um ehrlich zu sein, meine Hände zitterten leicht, weniger weil ich mich geehrt fühlte, als darum, dass ich nicht wusste ob ich dass hinbekommen würde.
Während ich zögerte, betrachtete ich den Schädel mit morbider Faszination.

Von innen war ein Metallgefäß in den Schädel eingesetzt, es ragte gerade hoch genug aus dem Schädel heraus, damit man aus ihm trinken konnte, ohne den eigentlichen Schädel mit den Lippen zu berühren.
Mir fiel so ungefähr der gesamte Mount Everest vom Herzen. Ok, Augen zu und durch, dachte ich, und setzte zum Trinken an.
Der Geschmack war vertraut… Anscheinend war der Schädel mit nichts anderem gefüllt als Bärenfang*.
Erleichtert reichte ich Krok Warro an den letzten Zeugen weiter.

Der Priester erklärte die Zeremonie für beendet. Das andächtige Schweigen verwandelte sich in fröhliches Lärmen, und die Trolle trollten sich aus dem Tempel ins Freie.
Vor dem Tempel war ein großes Zelt aufgebaut, in dem die eigentliche Feier stattfand. Das Buffet bestand größtenteils aus Fleisch, Spanferkel, Lammkeulen und ähnlichem. Dass, und das es so etwas wie Besteck nicht gab war mir mittlerweile egal. Dazu wurde Met und Bier in Trinkhörnern gereicht und es spielte eine Band die mich irgendwie an die skurrilen Grand Prix Teilnehmer Lordi erinnerte. Es war eine fröhliche Feier und Ottos Mutter schwärmte mir erneut vom neuesten Familienzuwachs vor. Außerdem freute sie sich bereits auf den hoffentlich baldigen Nachwuchs von Otto und Helga, welcher bei Helgas offenkundiger Schönheit sicherlich besonders hübsch werden würde.

Ich bin bereits zur Namensweihe eingeladen…

Trauzeuge auf einer Trollhochzeit, was tut man nicht alles als Bürgermeister!

*Hochprozentiger Honiglikör

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