Schick-sal

Lyrischer Prosatext zum Thema Schicksal

von  Georg Maria Wilke

Die Dunkelheit schneidet weiße Schatten
in alte Mauerwand,
der leuchtende Scherenschnitt,
geformt aus Meisters Hand
gräbt längst vergessene Spuren
in den gebrannten Stein,
trügende Schatten werden klein
und wachsen in ihren Urgrund,
den nächtlichen Himmel hinein.
Die Einsamkeit findet keine Worte
an diesem menschenleeren Orte,
nur der Ruf: ANANKEE!
tönt in die Stille, in die ich geh.

Dort sind purpurne Lettern in Stein gegraben,
schmerzlich der Ruf, wenn man ihn spürt,
kein Gott hat unter diesem Zeichen: erhaben,
den Menschen bei der Schöpfung berührt,
als er ihn aus der Erde formte,
ward sein Schicksal schon zu Stein,
in diesen zeichnete er bedeutungsvoll
die wundersamen Schicksalslinien ein.

Die Schatten brechen sich am Licht,
dem bleichen -
die Vergangenheit muß hier und jetzt
wohl weichen -
und in den Morgen ziehn
und starr gerichtet, der Augen Schein
zerbrechen den Schatten auf dem Stein,
um mit Allem Eins zu sein.


Anmerkung: Anenkee bedeutet Verhängnis, Schicksal, aber auch Nötigung,
wie Goethe das 4te orphische Urwort übersetzte.

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Kommentare zu diesem Text

SigrunAl-Badri (52)
(31.12.10)
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Brian (69)
(01.01.11)
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