Begegnung mit dem Tod

Kurzprosa zum Thema Tod

von  KayGanahl

"Tod? Sind Sie der Tod, he? Ja? Sie wissen es nicht genau ...? Das finde ich ja sehr seltsam, muss ich gestehen, ... wenn ich mir Sie so ansehe, dann komme ich auf den Gedanken, dass es auch seltsam ist, vor Ihnen im Moment keine Angst zu haben. Das Gefühl stellt sich bei mir einfach nicht ein. Es wird sich vielleicht auch nicht mehr einstellen, so lange Sie vor mir stehen und ich Sie für den möglichen Tod halte. Wie heißen Sie denn? Ihren Namen können Sie mir doch sagen! Keine Antwort. Das ist bedauerlich.
Überhaupt sind Sie für mich eine traurige Gestalt, wenn vielleicht doch nicht der Tod, so doch auf jeden Fall eine traurige Gestalt, die zu sehen ich das Pech habe. Verstehen Sie mich? Ihr Verhalten macht mich krank, so einen wie Sie habe ich noch nie vor mir gehabt. Verstehen Sie mich denn nicht!?
Ich muss jetzt weg von hier, weil Sie sonst noch viele weitere Stunden vor mir stehen werden, um mich gezielt anzuschweigen, denn so kommt mir das vor. Sie wollen mich provozieren ... in Grund und Boden provozieren, damit ich so reagiere, dass Sie mich für sich ausnutzen können. Stimmt das? Ist meine Vermutung richtig? Sie sagen immer noch nichts, nun ja, so ist das eben. Ich muss wohl damit auskommen, solange ich hier bin und quatsche. Denke und quatsche. Verantwortung für Sie, für Ihr Leben, Ihre Intelligenz trage ich nicht, weiß sowieso nicht, wie Sie hier haben erscheinen können. Hoffentlich werde ich für Sie niemals Verantwortung tragen müssen.
Ich sage jetzt schlankweg: Der Tod ist für mich nicht existent! Und ich sage jetzt auch: Mit Ihnen werde ich deshalb nicht alt werden müssen!"
Als ich aufgehört habe, mit dem Tod zu sprechen, ist diese Erscheinung, der Tod als eine Erscheinung gesehen, futsch, weshalb ich aufatme. So einen Tod, wenn es denn wirklich der Tod als ein Tod des Erdlebewesens war, brauche ich nicht, denk auch, kein Mensch auf der Welt braucht einen Tod wie den, - ja überhaupt keinen!
Ich vermisse ihn nicht. Gerade habe ich mich genauer umgeschaut, nicht einmal seine Visitenkarte hat er zurückgelassen. Mein Leben geht weiter, denke ich nun, was mir ein paar Sekunden des Glücksgefühls verpasst. Mich schwindelt es ein bisschen. Ich bin froh, noch ein normaler Mensch unter vielen normalen Menschen sein zu können.
Im Hof stehen mehrere schäbige Autos herum. Ein Nachbar werkelt an einer alten Unfall-Limo herum. Es ist Jack, der arbeitswütige Arbeitslose, dem ich noch zwölf Öre schulde, was er fast täglich anmahnt, wenn er mich auf dem Hof trifft. Der Hof wirkt wie ein Auto-Friedhof. Über mir im Hof gestaltet sich momentan der wild gewordene Himmel um, was ich mit Vergnügen wahrnehme, weil ich solche Umgestaltungen liebe, wie ich denn das Leben durchaus liebe, nicht etwa den Tod und das Sterben. Türen und Fenster, so weit ich es erkennen kann, sind verschlossen. Aus den Schornsteinen pafft das Gift, das die Erde verpestet - alle Bewohner der Häuser, die um den großflächigen Hof gruppiert sind, müssen hier leben, da sie nicht gerade zur sozialen Elite des Landes gehören, dessen Bürger ich bin. Das ist ein Land, das ich nicht ungern für einige Jahre verlassen würde.


Kay Ganahl
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Kommentare zu diesem Text

DerAutor (42)
(02.01.11)
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