Der Schutzengel

Märchen zum Thema Liebe und Tod

von  Muuuzi

Es lebte einst vor langer Zeit eine Prinzessin...
Ihr Haar war so blond, wie des Weizenfelds Korn.
Ihre Lippen waren so rot, wie der Glanz der verstecktesten Rubine.
Ihre Augen waren so blau, wie der Kristall des Meeres Tiefe.
Sie war wunderschön. Jede andere Frau sah sie voll Neid und Ehrfurcht an.
Des Schöpfers größtes Werk war sie. Die Prinzessin.
Sie war sehr intelligent. Lieb und einfühlsam.
Sie war gebildet und klug.
Sie tanzte mit der Welt in einer Symphonie des Zaubers und des Glücks.
Sie schwebte, wenn sie sich bewegte.
Sie gab sich dem melodischen Klang der Schönheit hin.
Sie verwandelte sich in das kostbarste Geschöpf auf Gottes Erdboden.
Sie war einmalig. Einzigartig. Unvergesslich.
Sie war ein Schatz der Besonderheiten.

Ihr Vater war der mächtigste Herrscher im ganzen Lande.
Er war stur. Er war zornig. Er war aufbrausend und aggressiv.
Er sperrte sie ein. Immer. Jeden Abend. Jede Nacht. Jede freie Minute, die ihr gehören sollte.
Sie verbrachte ihr Leben in einem Gefängnis.
Ein Kerker? Beinahe.
Ihre Mauern sind kalt. Hart. Aus Stein.
Nur ein Bett. Nur ein Stuhl. Nur ein kleiner Tisch.
Die Fenster sind sehr klein. Luken förmig.
Kaum groß genug, um den Schein der Sonne in voller Pracht erleben zu können.
Der Blumentopf auf ihrem Fensterbrett spendet ihr nur geringen Trost.
Die Blume verwelkte langsam. 
Und die Prinzessin sah sie sterben.
Jeden Tag verlor sie ein Blatt. Vertrocknete. Verfiel zu Staub.

Niemand wusste von ihrem Verlies.

Kein Mensch kannte ihr Leben hinter der Fassade.
In Wirklichkeit war sie traurig. Hoffnungslos. Einsam und sinnlos.

Sie vermisste ihre Mutter.
Sie vermisste ihre Schwester.
Sie waren beide tot.
Schon sehr lange.
Sie starben am selben Tag.
Wurden sie ermordet?

Sie betete. Jeden Tag.
Sie betete für ein erfülltes Leben.
Sie betete für ihre Liebsten.
Sie hasste ihr Dasein.
Sie vermisste die Liebe.
Sie sehnte sich danach. Obwohl sie dieses Gefühl niemals kennenlernen durfte.

Jeden Tag hatte sie größere Angst.
Dass ihr Leben verstreicht.
Vergeht.
Sich im Strudel des Nichts dreht. Nicht aufhört.
Weiter. Bis sie zu Staub verfällt. Wie ihre tote Blume am Fensterbrett.
Sie. Eine zerrissene Prinzessin.
Sie. Eine zerrissene Blume.
Sie. Eine hoffnungstragende Person, ohne Hoffnung.
Sie eine hoffnungstote Blume, auf der sich Fäulnis legte.
Sie ist einsam.
Alleine.

Sie schlief bereits. Sie träumte schlecht.
Sie träumte von Farben. Doch nicht von schönen.
Schwarz. Braun. Grau. Wie ihr Leben.
Sie wälzte sich hin und her.
Ihr Hemd war verschwitzt. Ihre Füße nackt.
Sie wachte auf. Plötzlich.
Ein Schreck.

Ein Mann stand am Fenster. Still. Schweigend.
Ruhig und entspannt.
Er wirkte stolz und erhaben.
Er hatte weiße Haut.
Weißer denn Gottes Hand.
Weißer denn Gottes Flügel.
Weißer denn Gottes Selbst.
Mit einem Hauch von Gold.
Natürlicher, als alles andere, was sie bis jetzt gesehen hatte.
Niemals zuvor, war ihr ein Wesen so selbstverständlich und richtig vorgekommen.
Niemals zuvor, spürte sie dieses Gefühl.

Sein Haar war hellbraun.
Seine Lippen waren cremefarben
Seine Augen sanft. Ein brauner Ton.
Eine sinnliche Utopie.
Eine Verschmelzung aus den seltensten Farben.
Ein kostbares Wesen.
Er war wunderschön.
Die Flügel waren so groß, dass sie kaum durch die Tür gepasst hätten.


Er stand sehr lange einfach nur da. Sprach nicht. Bewegte sich nicht.
Wärme. Nähe. Geborgenheit.
Liebe.

Er setzte sich nach unendlichen Minuten auf das Bett der Prinzessin.
Er lächelte. Still und doch unglaublich vielsagend.
Er streichelte ihren Kopf und plötzlich wurde zwischen ihnen ein Gefühl geboren. 
In diesem einen kleinen Moment entstand sowas wie ein Wunder.
War es Liebe? Vertrauen? Hoffnung? Respekt? Wohlbefinden?
Oder war es ein Baum, deren Äste all diese Früchte trugen?
Nur ganz kurz und das Gefühl war da.
Es umarmte sie.
Es umarmte ihn. Ohne dass er es gewollt hätte.
Es umarmte sie beide.
Sie schauten sich an und fühlten das Universum wachsen.
Sie spürten es gedeihen und größer werden.
Und der Ring des Zwanges und der Einschränkung zerbrach...
Sie schwieg und schaute ihn sehr lange an.
Sie lächelte auch.
Sie weinte irgendwann.
Und dann küssten sie sich.
Liebe!!
Keine Leidenschaft. Keine Erotik.
Nur Romantik.
Zärtlichkeit.
Liebe!!!!
Die Liebe, die über alle Wunder hinausgeht.
Stärker und Verbundener als alles andere.
Die Zeit und der Raum spielten.
Sie tanzten eine Melodie des Glaubens.
Sie sangen eine Sprache der Unzertrennlichkeit.
Sie umarmten sich und ließen sich nie wieder aus.
Obwohl es nur Augenblicke waren.
Sie wurden für immer in Erinnerungen verwandelt. Und bewahrt.
Liebe!!!!!!!

Er wusste nicht, was geschah. Er kannte dieses Gefühl nicht.
Er kannte die Liebe nicht.
Er war ein Engel des Schutzes. Der Verzweiflung. Der Einsamkeit.
Und er wollte für sie da sein.
Doch ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, zerriss sein Faden der Vernunft.
Und übrig blieb dieser Kuss.
Lichter und Funken erhellten ihr Dasein.
Bunte Schmetterlinge flogen in einer Symphonie durch ihren Bauch.
Die bösen Farben verschwanden.
Schöne Farben kamen zum Vorschein. Erwachten. Erblühten und erstrahlten.

Sie liebten sich. Ohne ein Wort gesprochen zu haben.
Sie vertrauten sich.
Sie nahmen und fühlten sich.
Sie erkannten sich und verstanden sich.
Die Prinzessin und der Engel.
Sie würden für immer eins sein.

Doch die Zeit ist schneller. Sie spielt ein unfaires Spiel...

Dieser Moment zerriss.
Als der Vater an der Tür seiner Tochter klopfte.
Der Engel musste gehen.
Er löste sich in Luft auf. Er verschwand, als der Vater nach seiner Tochter rief. Fast genervt. Wütend? Misstrauisch.
Er würde sie wieder schlagen.
Der Engel blickte traurig. Hilflos.
Doch es blieb keine Wahl.
Er konnte nicht bleiben.
Er war nur ein Engel.
Er war nur ihr Schutzengel. Nur für sie lebendig.
Nur für sie echt und real.
Wirklich und wahr.
Sie versuchte, ihn mit aller Macht fest zu halten. Doch er verschwand in ihren Armen.
Der Vater war böse, als er durch die Tür trat.
Er schrie seine Tochter an. Und schlug ihr ins Gesicht. Das machte er immer, wenn er getrunken hat.


Der Engel. Er überschritt die Grenzen des Universums. Er spielte nicht nach dessen Regeln.

Und er konnte nicht mehr zurück. Nie wieder.
Er verschwand. Er verletzte die Gesetze des Himmels und musste büßen...

Seine Flügel wurden ihm gebrochen. Er konnte nicht mehr fliegen. Nie wieder.
Doch er war immer noch ein Engel. Ein Engel, der liebte und nun nie wieder seine Spuren hinterlassen konnte. Nie wieder beschützen konnte. Er konnte sie nie wieder trösten.

Er vermisste sie. Er kannte sie sein Leben. Er kannte sie ihr Leben lang.
Denn sie waren gemeinsam aus dem Licht der Ewigkeit geboren.
Er konnte nicht anders.

Er würde es wieder tun. Das wusste er. Denn dieses Gefühl gibt es wahrlich nicht oft.
Ein Schatz, den die Menschen viel zu wenig schätzten und ehrten. Behüteten.
Nur sie wussten, wie kostbar er war.
Wird er sie wiedersehen? Irgendwann?
Er lebt nicht in ihrer Welt. Sie nicht in seiner.
Werden sie sich eines Tages wieder im Himmel sehen? Zu Licht verschmelzen?
Sich in den Zauber der Verbundenheit verwandeln?

Er lag kauernd auf einer Pritsche. Er sah nichts. Nur die Dunkelheit, die ihn nun auslachte.
Auch sie hatte Flügel, so wie er sie gehabt hatte.  Und sie legte sie um ihn und verdeckte ihn und seine Traurigkeit.

Eine tiefe Wunde war in seinen Augen entstanden.
Rotes Blut tropfte aus ihnen.
Es regnete. Oder waren es nur Tränen?
Er musste nicht lange warten, denn sie kam diesmal zu ihm.
Liebe...


Anmerkung von Muuuzi:

P.s. es handelte sich hier um ein Spiel mit einer Freundin. WIr mussten bestimmte Wörter in eine Geschichte einbauen (prinzessin, engel, fenster, kerker, himmel, blut, kuss, angst, trauer, einsamkeit, träne, wunde, liebe)

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Kommentare zu diesem Text


 AZU20 (25.02.11)
Natürlich gibt es sie, es ist übrigens alles andere als langweilig. LG

 Muuuzi meinte dazu am 25.02.11:
Die Überschrift war ein Experiment.
Ich will nicht immer ein Tatatataaaa machen.
Und wie hätte ich es denn nennen können? WEißt du eine gute Überschrift?
Ich dachte hier, dass es sicher interessant wäre, wenn man davon ausgeht, dass der autor seinen text selbst als langweilig beschreibt.
danke!

 AZU20 antwortete darauf am 25.02.11:
Warum nicht? Als Leser merkt man ja dann, wie es gemeint ist. LG

 Mummelchen (25.02.11)
Hallo Muuuzi...es ist ein sehr schönes, tiefgründiges Märchen,
gefällt mir sehr...liebe Grüße zu dir.

 Muuuzi schrieb daraufhin am 25.02.11:
ich mag es, wenn tiefgründige menschen, so etwas sagen! danke.
mir gefallen auch deine werke.

 Martina (14.03.13)
*Und die Moral von der Geschicht,
die Liebe gibt es, verdammt nochmal, ob du's glaubst oder nicht!*


Das ist der beste Satz =))) Und sooo waaahr!!!!

Lg Tina.
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