Gemarkung Osterfeld - Flur 15 - Flurstück 9 - Parzelle F

Kurzgeschichte zum Thema Schreiben

von  Pameelen

Unbemerkt davon geschlichen, ahnendes Kinderhirn. Gerade mal zwölf Jahre alt, rotzig, trotzig und verschmutzt und Nebel, der aus seinem kleinen Körper drang. Unterwegs auf einem alten klapprigen Rad frühmorgens durch eine Bergarbeitersiedlung im November. In den Taschen klirrt eine Handvoll mühsam abgesparter Groschen. Die Sonnenstrahlen schwärmen kalt in den blattleeren Zweigen der säumenden Platanenallee. Die Gesichter der schmauchenden Alten am Straßenrand, eingehüllt in lange wärmende Mäntel, Worte über ein Ehemals, ein Damals, ein Vordem. Hin und wieder, nur manchmal, hörte er gebannt ihren Erzählungen zu, wenn sie im Garten aufeinander trafen und ihre Worte den achten Mai fünfundvierzig wälzten; ihre Reden, weit gespannt, von der Gründung des Siedlervereins und über die Heimatwehr, ihre schlanken Kanonen, die auf einer Anhöhe in Vonderort weit den Luftraum bis nach Essen kontrollierten. Geschichten, die gedeutet werden wollten und die sie ebenso behutsam entpackten wie andernorts eine wertvolle Schmuckdose.

Jetzt standen sie paffend da, vollzogen kreisende Gesten hinauf gen Himmel, ein frohes Lachen, ein Wink zum Gruß und Fahnen kalten Rauches im Fahrtwind. Stille. Nur das surrende Geräusch des sich abrollenden Reifengummis auf dem Asphalt, so ergiebig wie das Prasseln eines kühlen Graupelschauers bei einem Sommergewitter, so angenehm erdig wie ein frisch gepflügter Acker oder so unverfälscht wie eine frisch gemähte Wiese. Hier lagen seine Bestände. So herrlich die Fahrt die steile Straße hinab. Das alte Rad flitzt davon. Er schließt wie später noch oft in solchen Momenten die Augen und zählt die Sekunden. Eins. Zwei. Drei. Ein Lächeln. Schwärmen. Sieben Sekunden strahlend rauschendes Reifengummi, endlose sieben Sekunden Freiheit.

Unterwegs zu einer Drogerie, um spitze flaschengrüne Hütchen zu kaufen, drei Stück in einer wohlig duftenden Pergamenttüte, nur wenige Münzen wert. Weihrauch müsse es schon sein, das gebiete wohl der Anlass, grinst er verschmitzt dem Verkäufer entgegen. Silbrig klirren die Groschen auf der Ladentheke aus. Jetzt nur schnell zurück. Drehung um Umdrehung wuchtet er atemlos das Rad seiner großen Stunde entgegen. Es hallt und es schwingt auf, allenthalben. Dort auf dem Weg die rauchenden Ziegelkamine, das Empfinden hustender Kamine frühmorgens nach dem ersten Entzünden des Holzes, das später in den penetrant schwefligen Geruch verbrannter Kohle überging. Später kniet er auf dem Boden, wiegt und wendet seine unscheinbaren Kostbarkeiten in der Hand. Kleine, nach Weihrauch duftende Räucherkerzen, kaum größer als ein Daumennagel, die nun in mühsam erbauten Papierhäusern mit beweglichen Türen und Läden an den Fronten in einem Kinderzimmer vor sich hin schwelen, weit in den Tag hinein bis zum Anbruch der Dämmerung. Du mit deinen Träumen, sprach der kopfschüttelnde Räuchermann überlegen von seinem Regal in den Raum hinab. Geweiht ist nun der glutrote Raum, eine Zuflucht, ein Habitat allein, dann das jähe Versagen seiner Wirkung. Der Kopf gesenkt zu Boden und vor sich ein leeres Blatt. Er schreibt.

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Kommentare zu diesem Text


 Songline (12.03.11)
Du weißt, ich liebe deine Texte. Eingetaucht, mitgefahren, den Rauch der Alten in der Nase, den Fahrtwind gespürt. Ja!

Lediglich die zwei Kamine in der Mitte des dritten Absatzes lassen kurz stolpern. Aber sonst: Sehr gern gelesen.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 13.03.11:
Mir sind da zuviel blumige Adjektive drin.
Lila_Regenflieg (56)
(02.12.11)
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 Pameelen antwortete darauf am 02.12.11:
Danke für deinen Kommentar!
rumpelsophie (49)
(22.12.11)
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Graeculus (69)
(10.07.15)
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