Zacharias Bretzelburgs wundersame Antenne

Text zum Thema Weihnachten

von  Lala

VIII

So toll sein Fernseher auch war, das Leben war es einen Monat nach der Einschaltung der Wunderantenne nicht mehr. Pepe und Mario hatten – wie hatten sie es genannt? – „es“ hochgeladen. Sie hatten Zachs Abendprogramm hochgeladen, so als hätten sie eine Waffe geladen. Sie hatten sie nicht nur geladen, sie hatten auch abgedrückt. Im Internet brach ein Server nach dem anderen zusammen. Alle wollte Zachs Programm sehen. Und je mehr es nicht sehen konnten, umso wuschiger wurden sie. Der Wahnsinn, so erschien es Zach, war über ihn und seine Wohnung hereingebrochen. Menschenmassen standen vor dem Haus und wollten Zachs Programm schauen. Nicht nur Technikfreaks, Hacker oder Verschwörungsfanatiker, nein ganz normale Menchen, Menschen wie Du und ich, wollten unbedingt einen Blick auf Zachs Fernseher werfen. Zach war hin und hergerissen, hätte ihnen am liebsten den Fernseher und die Antenne geschenkt, aber dann hätte er ja wieder kein Bild und wäre allein und das wollte er nicht. Regelrecht beängtigend waren aber die Anrufe eines Andrejs der ihm jeden Tag hundertmal auf den Anrufbeantworter quatschte, dass er ihn bis in die Steinzeit verklagen würde, wenn er ihn nicht an der Antenne und dem erwarteten Gewinn beteilige.

Einerseits verfluchte Bretzelburg Pepe, andererseits war er dankbar, dass Pepe ihn nicht im Stich ließ. Ganz besonders froh war er, dass Pepe auch an dem Tag bei ihm war, als sich eine Delegation der Stadt und der Ulmer Universität sowie Herren, die sehr geheimnisvoll und sehr diskret taten und auch in geschlossenen Räumen Sonnenbrilen trugen, sich bei ihm angekündigt hatten, um das „Phänomen“ in Augenschein zu nehmen und wieder für Normalität zu sorgen.

Natürlich waren auch diese Herren, als Zacharias sein Programm vorführte vollkommen baff gewesen. Der Bürgermeister schnappte immer wieder nach Luft, die Honoratioren tupften sich die Stirn und die diskreten Herren nahmen sogar ihre Brillen ab. Pepe, diesesmal mit Anzug und mit seinem Vetter Miguel, einem Top-Anwalt, wie er Zach bei jedem zweiten Satz versicherte, strahlte triumphierend, denn er hätte 1A Verträge vorbereitet. „Wirst sehen, Zach, wir werden einen Geldspeicher wie Dagobert Duck brauchen, wenn Miguel mit denen fertig ist.“

Als die Herren wieder gingen, war Pepes Laune deutlich schlechter. Auch Zacharias war nicht sehr erbaut, denn auf unabsehbare Zeit, war er wieder ohne Fernseher und Antenne. Dem vollmundigen Versprechen, man werde umgehend für Erstatz sorgen, glaubte er nicht. Politikern, dass hatte Zach schon mit der Muttermilch aufgesogen, vertraute man nicht. Aber sie hatten eindeutig die Macht und so sehr auch Miguel, der sich allergrößte Mühe gab, diskutierte, am Ende war es die nationale Sicherheit, das Wohlergehen des Landes, ja der Welt, der die Maßnahmen unumgänglich mache.

„Was meinen die mit Maßnahmen, Herr Miguel“, fragte Zacharias zaghaft während der Verhandlungen seinen Anwalt.
„Die Herren hier, Herr Bretzelburg, werden jetzt die Antenne und den Fernseher mitnehmen. Es stehen größere Interessen auf dem Spiel als Ihr Unterhaltungsprogramm. Aber seien Sie versichert, denn dafür habe ich gesorgt“ und da reichte er ihm schon ein mehrseitiges Papier zur Unterschrift, „dass sie der Eigentümer bleiben. Die Bundesrepublik hat sich verpflichtet, das Gerät zu untersuchen und es ihnen vollkommen funktionstüchtig und im Sinne des Erfinders unverändert, als auch in angemessener Zeit wieder zur Verfügung zu stellen. Bis dahin werden Sie ein angemessenes Ersatzgerät erhalten. Es sei denn von Ihrem Gerät gehe eine Gefahr von Leib und Leben aus, dann muss es verschrottet werden.“
„Ich bin kein Verbrecher, Herr Miguel“, stammelte Zacharias und unterschrieb natürlich. Denn eines hatte er auch mit der Muttermilch aufgesogen, dass man einem Doktor, seinem Arzt oder Anwalt und dem Staat nicht widerspricht.

Als alle gegangen waren und das Wohnzimmer einen großen, blinden Fleck hatte, fluchte Pepe fürchterlich und schimpfte auf spanisch auf seinen Vetter ein. Immer wieder hörte Zacharias, wie Pepe „Puta“ rief und sich die Haare raufte. Schließlich stampfte er wütend zur Tür raus und rief zu Zacharias noch: „Du hörst von meinem Anwalt!“

„Nehmen Sie Pepe nicht so ernst.“, sagte Miguel und schob ihm seine Karte rüber. „Er ist ein Kindskopf. Er weiß nicht was er sagt. Die Rechnung schicke ich Ihnen dann per Post und wenn Sie weiterhin juristischen Beistand brauchen – rufen Sie mich an.“

Dann war Zacharias wieder allein und pling, pling, pling, gingen die Mattscheiben hinter seinem Frontallappen einer nach dem anderen, wieder aus. Harte Zeiten standen Zacharias Bretzelburg bevor, denn was sollte er denn jetzt mit sich anfangen? „Vielleicht backe ich einen Kuchen für Frau Silberstein?“

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