Zacharias Bretzelburgs wundersame Antenne

Text zum Thema Weihnachten

von  Lala

X.


Natürlich stellten sie ihm keinen Ersatzfernseher, natürlich wusste das eine Amt es besser als das Andere und schob die Verantwortung für den blinden Fleck in Zacharias Wohnzimmer von einer Institution zur anderen und Bretzelburg, der bei Natascha TV-Asyl genoß, hatte auch nach einer Woche gar keine Lust und auch kein Geld mehr – die erste Rechnung von Miguel hatte ihm gereicht – Gerechtigkeit für die gebrochenen Versprechen der Stadt einzufordern. Er war es ja auch nicht gewesen, der Geldspeicher wie Dagobert Duck bauen wollte, er war es nicht gewesen, der im Sinn gehabt hatte, mit Gewalt reich zu werden. Nein, er hatte sich als Staatsbürger erwiesen und zum Wohle der Nation unterschrieben. „Wenn’s gefährlich ist, dann muss ich das machen.“ hatte Zach bei der Leistung seiner Unterschrift gedacht. Zacharias war stolz darauf, dass er wohlgeordnet, organisiert und konstruktiv war und eben kein Tunichgut oder Terrorist.

Obwohl, und das war ein Treppenwitz, die vier größten Medienkonzerne der Welt, nach einer kurzen und teuren Ausschreibung, die „SpaceStation“, die „AlphaBox“, die „EMC²" oder die „MaoOneUniverseBox“ innerhalb von sechs Wochen nach Abtransport aus der Bretzelburgischen Wohnung für horrende Beträge herausbrachten, musste Zach, der Lehmkuchenbäcker, auf seine olfaktorisch und visuell ungenügende Antenne von Onkel Fock, weiter warten.

Aber es störte Zacharias nicht, dass sich die Meldungen überschlugen, es störte ihn nicht, dass die Video- und Hi-Fi-Tests den Apparaten der großen vier Hersteller eine gigantische Zukunft vorhersagten und Börsenkenner astronomische Gewinne für die involvierten Firmen prophezeiten. Zacharias störte es nicht, dass leidlich auf cool getrimmte Astrophysiker und Professoren, plötzlich Samstagsabends um Viertel nach acht erklären durften, dass sich mit diesen neuen, allerdings sehr teuren, aber mit Hightech vollgepackten „Enhanced SetEarthToUniverseBox-Boxen“, Fernsehprogramme „onthefly“ aus dem Zentrum der Milchstraße empfangen lassen könnten. Die werbewirksame Trommelei störte Zacharias nicht. Auch der Slogan: „Wir sind nicht allein im All“, mochte diese Botschaft auch wie ein Lauffeuer die Menschheit ergriffen haben, Zach auch jede zwei bis drei Minuten auf allen Kanälen hören musste: „Du bist mittendrin. Du bist live dabei und es ist verdammt noch mal - arschcool! Be Future, buy SpaceBox“, das alles störte Zacharias nicht. Was ihn störte, war, dass sein Fernseher fehlte. Das störte ihn und ein wenig die Unnahbarkeit der Natascha Silberstein.

Wie groß war Bretzelburgs Freude war, als endlich eines Abends ein missmutiger Lieferant an Silbersteins Tür schellte und im Gepäck den Fernseher, die Antenne und ein Schreiben mit mehreren Bundesadlern darauf hatte, kann sich jeder vorstellen. Die Übergabe war schnell erledigt, der Fahrer machte ein gequältes Lächeln, als Zacharias als „Trinkgeld“ ihm eine Tüte selbst gebackener Kekse in die Hand drückte aber Bretzelburg strahlte, als sein Fernseher und die Antenne wieder am Platz waren.

„Frau Silberstein, Natascha, haben Sie vielen, vielen Dank. Ich habe Ihnen viel zu verdanken und sicherlich war ich eine Last. Sie können immer bei mir klingeln, wenn Sie etwas brauchen.“, Zach hätte noch minutenlang ihre Hand im Hausflur schütteln und Dankesreden halten können, denn er spürte, dass, so wie er es sagte und was er ihr sagte, irgendwie nicht richtig war. Aber wie sollte er anders Danke sagen? Frau Silberstein erlöste ihn schließlich:
„Lassen Sie es gut sein, Herr Bretzelburg. Wir müssen uns doch als Nachbarn unterstützen. Nichts für ungut und jetzt genießen Sie ihren Fernseher.“ Sie klang sogar versöhnlich und seine Verlegenheit schien ihr zu gefallen. Zacharias ließ ihre Hand los, öffnete seine Tür und dann drehte er sich noch mal um. Frau Silberstein stand noch in ihrer Tür.
„Nebbich“, stieß Zacharias aus und lächelte. Denn wenn es etwas gab, was er behalten würde, dann war es dieses Wort und das schien ihm auf einmal richtiger, als alle andere Worte zu sein. Wie es ausschaute, sah es Frau Silberstein anders, schüttelte irritiert den Kopf und schloss die Tür sogar etwas lauter als sonst.
„Nebbich?“, wiederholte Zacharias leise in den Hausflur, der in diesem Moment – pling – dunkel wurde. „Nebbich“, murmelte Zach und schloss seine Tür.

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