Zacharias Bretzelburgs wundersame Antenne

Text zum Thema Weihnachten

von  Lala

XII.

Zacharias machte die Augen auf. Er sah, wie er auf dem Sofa saß und die Augen aufmachte. Er brauchte eine Weile, um zu verstehen, was er sah und wo er war. Er war in seinem Wohnzimmer und war vor dem Fernseher eingeschlafen. Es war mitten in der Nacht und Zacharias sah sich selbst in perfekter Hochauflösung, ja fast dreidimensional. Er hatte gesabbert. Er sah einen Speichelfaden, der wie in Zeitlupe über sein unrasiertes Kinn und den speckigen Kragen lief. Er sah, wie stumpf seine Augen glotzten. Und dann hörte er sie, wie sie hinter ihm lachten. Erschrocken drehte er sich um und starrte die Typen an, starrte ihnen direkt ins Gesicht und sie lachten noch mehr. Verwirrt wischte er sich den Seiber ab. Das Fernsehbild war eine holografische 3D Ansicht seines Wohnzimmers und die Abbilder dieser Typen standen in seinem Wohnzimmer und lachten ihn aus. Zacharias stemmte sich hoch und in seiner Not floh er aus dem Wohnzimmer in die Küche. Von dort aus konnte er sie nicht sehen und daher sie ihn wohl auch nicht.

Er wusste nicht mehr, wie lange er in der Küche gestanden hatte, aber er musste irgendwann angefangen haben zu backen. Kuchen, Brot und Kekse. Er buk konzentriert, schnell und gut. So gut hatte ihm sein Handwerk schon lange nicht mehr gefallen, das Zubereiten und Kneten des Teiges und die Düfte die aus der Küche aufstiegen, brachten ihn zurück an die geschützten Orte seiner Kindheit. „Lacht ihr nur“, hatte er immer wieder gemurmelt und weitergearbeitet. In einer Schaffenspause, als er sich die Stirn abwischte und innehielt. Hörte er, wie aus dem Wohnzimmer wunderbare Klänge drangen. Verführerisch wie die Düfte seines Backwerkes. Zacharias dachte nach. Plötzlich sagte er trotzig „Nebbich“, ging ins Wohnzimmer, wo spektakuläre Bilder waberten, und machte die Kiste aus. „Nebbich“, wiederholte er erleichtert. Zum ersten Mal empfand er die plötzlich eintretende Ruhe, das bewegungslose Bild seines Wohnzimmers als Wohltat. Er war Zacharias Bretzelburg, er war Bäcker, er hatte ein Handwerk gelernt, das die Menschen satt machte, das den Menschen Freude bereitete, dessen Gerüche, die schönsten und behaglichsten Erinnerungen bereiten konnte und er wusste jetzt, was „Nebbich“ heißt und was ihm wichtig war. Sein Blick fiel auf das Anschreiben vom Bundesinnenministerium und Bundesministerium für Forschung und Technik, worin ihm bestätigt worden war, dass sein Fernseher keine Bedrohung für Leib und Leben war – und dass seine SuperSky Karte nicht für das Funktionieren des Gerätes erforderlich sei. Er hatte das Schreiben eingerahmt und sich über den Fernseher hingehangen. Er musste jetzt selber darüber lachen. Aber, wenn seine Karte nicht erforderlich war, dann konnte er sie ja auch rausnehmen. Steckte sie überhaupt noch drin. Er hatte es nie kontrolliert.

Sie steckte und was Bretzelburg nicht sehen konnte, als er die Karte herauszog, war, dass bei allen Fernsehern, die an eine dieser EarthToUniverseSetTopBox-Boxen angeschlossen waren, Bild und Ton schlagartig ausfielen. Der Superluxusliner am Horizont, der so plötzlich aufgetaucht und so verheißungsvoll ausgesehen hatte, war genauso plötzlich wieder verschwunden. Dass er für immer verschwunden sein sollte, lag daran, dass Bretzelburg die Karte konsequenterweise zerschnippelt und weggeschmissen hatte, nachdem er sie herausgezogen hatte.


Epilog

Noch bevor Bretzelburg bei Ihr geklingelt hatte, war Natascha erwacht. Es waren die Gerüche gewesen, die sie geweckt hatten. Gibt es etwas Schöneres, als vom Geruch warmen Brotes wach zu werden? Nicht das Schrillen eines Weckers, nicht die Konditionierung des Körpers auf eine Uhrzeit, sondern nur der umschmeichelnde Geruch gebackenen Brots. Besser als jeder Kuss, besser als jedes Geräusch oder Ritual. Auch wenn sie bemerkte, dass es erst halb Fünf in der Frühe war, nahm sie es Bretzelburg nicht übel sie mit solchen Düften geweckt zu haben. Dieser komische Kauz musste mitten in der Nacht angefangen haben zu backen. Sollte er sich etwa endlich daran erinnert haben, wer er war? Vielleicht würde ihm dann ja auch alles andere wieder einfallen? Sie setzte sich auf, machte sich etwas zurecht, arrangierte sich mit der Schwerkraft und freute sich wie eine Schneekönigin, als es um fünf Uhr in der Früh an ihrer Tür klingelte und Zacharias als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt mit einem Frühstückskorb vor ihrer Tür stand.

„Frau Natascha, ich möchte, dass sie mit mir Frühstücken. Und ich möchte, dass ich jeden Morgen mit Ihnen frühstücke und ...
„Zacharias?“, unterbrach sie ihn leise und fasste ihn bei der Hand „Wie wäre es, wenn wir erstmal anfangen.“
„Das klingt gut“, antwortete Zach.
„Ich weiß.“
So schwungvoll Zacharias Bretzelburg begonnen hatte, mit einem Mal war er verunsichert.
„Na los, worauf wartest Du denn noch? Komm rein.“
„Ich weiß nicht, wie das geht.“
„Was? Wovon redest Du?“
„Frühstücken. Ausgehen. Zusammen sein. Ich habe keine Ahnung wie das geht.“
„Na, dann zeige ich es Dir.“

Und Natascha hakte sich bei Zacharias ein und Zacharias hatte ein warmes Gefühl. Und zum ersten Mal war er richtig froh, dass er Zacharias und so vollkommen wie ein Kuchen war und noch glücklicher war er aber, dass er in Natascha seine Gefährtin gefunden hatte.

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