Kindheit - Igel

Erzählung zum Thema Kinder/ Kindheit

von  tueichler

Wir spielten auf einem alten Holzlagerplatz. Aus Brettern und Baumstämmen legten wir etwas zusammen, das wir unser 'Flugzeug' nannten und spielten fliegen. Beim Holzlegen entdeckten wir einen alten Igel. Alt, weil riesig und langsam. Er schniefte und hatte wahrscheinlich TBC, wie so viele Igel - das bestärkte uns darin - wir müssen helfen.
Wir, das waren mein Jugendfreund Peter und ich. Peter mußte nach Hause, also half ich.
Ein alter Leimeimer aus Pappe schien gerade richtig. Er lag auf dem Holzplatz und wurde dem Igel deshalb zum Transportmittel. Es dauerte eine kleine Weile, ehe ich den Igel anfassen konnte, ohne mich zu stechen, der Igel wehrte sich vehement. Endlich im Eimer erreichte der Igel meiner Mutter Küche zur Samstag-Mittagszeit.
Vater saß bereits am Tisch, Mutter machte 'Kakao und Brötchen'. Es gab immer Buttersemmeln mit Salz und handgemachten Kakao. Also Mutter stand am Herd und rüherte die letzten Runden im Kakao als ich hereinplazte, auf die letzte Minute zu Mittag und mit Igel.
Man muß sich die Küche klein vorstellen, es paßte geade ein schmaler Tisch in die Mitte und rundherum konnte man zur Spüle, dem Herd oder der Anrichte gehen.
Den Igel sehend (riesig) sprang meine Mutter zur Seite (naja, im Rahmen der Möglihkeiten war es eher ein kleiner Schritt) und belehrte mich über Igel, Flöhe und TBC. Hab ich auch eingesehen und den Igel vor meiner Mahlzeit zurückgebracht. Naürlich in der Annahme, danach sofort zu Tisch gehen zu können.
Weit gefehlt. Sommer. Ausziehen im Garten und duschen unterm Schlauch. Die Klamotten in eine Kunststoffüte und sofort ab in den Waschkeller. Darunter mein Lieblingsnikki (heute und im Westen nennt man das T-Shirt). "Damit das verflohte Zeug uns nicht völlig verseucht" (O-Ton Mutter) in den Kochwaschgang (Anweisung Vater).
Was soll ich sagen, der Einsatz für den Igel hat mir das Mittagessen und mein (damals) liebstes Kleidungsstück versaut und dem Igel einen aufregenden Samstagnachmittag beschert.

Da komme ich auf Jorges Gedicht zurück und zitiere aus Der Betteligel
"...und frag das dicke Weideschaf
nach etwas Milch im Tiegel."
(http://www.keinverlag.de/texte.php?text=301371)

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Kommentare zu diesem Text


 Jorge (03.06.11)
Was ist denn mein erfundenes Gedicht gegen deine erlebte Geschichte?
Ich kenne auch noch Lieblingsnikkis.

 AlmaMarieSchneider (03.06.11)
Als eiserner Igelfan mußte ich lachen. Ich nehme ja im Herbst immer die kleinsten meiner Gartenigel über den Winter auf und bringe sie zuerst zum Tierarzt. Also er schwört mir jedesmal, daß die Igelflöhe Menschen nicht beißen, aber irgendwie juckt es.
Ob er TBC hatte ist fraglich, meistens sind es Lungenwürmer. Dagegen kann man etwas tun. Aber sie sind oft recht hartnäckig.
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