Was hat man den Trauben angetan

Dokumentarstück zum Thema Leben

von  tueichler

Ein Shiraz aus dem Supermarkt. 5.59 in Berlin. In Rheinhesen ist das ein stolzer Preis für einen Wein, teurer wird's aber auch kaum. da kennt man den Winzer, oder zumindest jemanden, der den Winzer kennt. Bevor noch die Ernte eingebracht wird, weiß der Winzer schon, was aus dem edlen Saft mal werden kann. Wie sonst könnten Winzer in etwa abschätzen, was ein guter Jahrgang wird, oder welchen Verlust er einfahren wird. Das liegt wohl auch daran, dass hier jemand ein Erzeugnis (ich hasse das Wort) produziert (ich hasse das Wort in Verbindung mit Wein noch viel mehr!), in welchem sich seine Zeit, seine Kompetenz im Weinberg und im Keller und seine Liebe zum Wein wiederfindet.
Wie erwähnt, ein Shiraz aus dem Supermarkt, 5.59. Australier. Soundso Estate. Jetzt fahr‘ mal einen Container voll Wein von Australien hier her. Mal abgesehen vom Wein, der auf dem Schiff tropische und, wenn's schlecht läuft, arktische Temperaturen abkönnen muss, ist das wie Eulen nach Athen tragen (wahrscheinlich gibt es in Athen keine Eulen mehr).
Am Rhein haben die Römer vor 2000+ Jahren Wein angebaut, der schon einige tausend Jahre früher kultivier wurde. Mit der Zeit und mit dem Geschmack hat sich eine Weinkultur entwickelt, die als Lebensmittelkultur ihres gleichen suchen darf.
Also 5.59 aus dem Supermarkt, Australier und Shiraz. Ich habe schon Weinproben im gehobenen Segment erlebt, bei dem Shiraz Weine, deren Trauben eigentlich aus dem mittleren Osten kommen, gut abgeschnitten haben. Die Weine waren aber auch alle deutlich über 20 Euro. Also was macht ein Shiraz im Supermarktregal, oder besser was trinke ich gerade?
Ich möchte mir die Frage lieber nicht beantworten und ... naja, es ist 2 Uhr nachts, da ist mein Qualitätsgeschmack schon im Bett. Aber die brutalen Säuren und Tannine kommen gerade noch durch.
Eigentlich bin ich entsetzt. Was muss man Trauben antun, damit sie etwas Mostähnliches liefern, das vergoren entfernt an Shiraz erinnert - für 5.59. Trauben brauchen Liebe zum Wein, Pflege und einen Schuss Verzweiflung oder Zweifel, ob man alles richtig gemacht hat. Im Weinberg und im Keller. 5.59 können nur billigste 'Produkte' sein, zieht man den Transport und die Transportbedingungen in Betracht. Alles was dem Wein fehlt, ist Liebe. Daran kann man vielleicht den Wert der Liebe ermessen. 5.59?

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Kommentare zu diesem Text

Gruszka (62)
(05.06.11)
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 tueichler meinte dazu am 06.06.11:
Hallo Gr,

da bin ich ganz bei Dir. Ein Winzer hat mit mal gesagt, es gibt 2 Sorten Wein. Die, die schmeckt, und die andere. Mein Punkt ist nur der. Wenn bei uns ein Wein 5 oder 6 Euro beim Winzer kostet, bekommt man schon was ordentliches. Wenn ich aber so einen Preis für einen Suprtmarktwein erzielen will und dabei Herstellung als Massenware und Transportkosten einrechne, dann kann das nur Dreck sein und hat sicher nicht mehr viel mit einem Naturprodukt zu tun. Und es hat ja auch so geschmeckt. Ach ja und Kork. Da bin ich auch völlig bei Dir, Schraubverschlüsse oder Glasstopfen sind mir auch lieber.

Viele Grüße,

Tom
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