Ameisenmäßig

Erörterung zum Thema Tiere

von  loslosch

Formicae semitam canere (ohne Fundstelle; römisches Sprichwort). Den Weg der Ameise verkünden. Oder: Eine Sache detailgenau erklären. Ein schwieriges Unterfangen, dieses unablässige Gewimmel, Gewusel exakt zu beschreiben. Die Römer wussten schon, dass so ein Ameisenstaat bestens organisiert ist, und nahmen ihn sich zum Vorbild: Formica vobis exemplo sit! Die Ameise soll euch ein Vorbild sein. (Ein geflügeltes Wort im wahrsten Sinne.) Schon bei Horaz (65 v. Chr. bis 8 v. Chr.) findet man in seinen Sermones:  Parvula - nam exemplo est  - magni formica laboris ore trahit quodcumque podest atque addit acervo, quem struit, haud ignara ac non incauta futuri. Die winzige Ameise - sie dient in der Tat als Vorbild - schleift unter großer Mühe mit dem Maul heran, was immer sie schafft, und führt es dem Haufen zu, den sie baut, voll Weitsicht und Sorge für die Zukunft.

Seither hat sich das Wissen über die Hautflügler potenziert. Was bedeutet "Kollektivpinkeln"? Ameisen tun es. Cataulacus muticus Emery, eine in Südostasien lebende Ameisenart, die sich in Hohlräumen des Bambus aufhält und dort nistet, löst das Problem des von außen eindringenden Regenwassers genial: Abertausendfach wird es von in Ritzen kauernden Ameisen getrunken und über den Enddarm wieder ausgeschieden. Hier sollen uns die Emsen nicht unbedingt zum Vorbild dienen. Diese Kerbtiere scheinen eine kollektive Intelligenz zu besitzen, funktionieren quasi als ein verzweigter Superorganismus. Gezielte menschliche Eingriffe in das System und den Aufbau des Ameisenstaats haben gezeigt, dass die Kasten (Königinnen, Arbeiterinnen, Soldatinnen) nach einer Generation in ihrer Größenstruktur vollständig wiederhergestellt sind. Wie dieser Superorganismus genau funktioniert, ist erst in Umrissen bekannt. Die Individuen des Staates sind im strengen Sinne gar keine Einzelwesen.

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Kommentare zu diesem Text

wiesel (44)
(07.06.11)
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 loslosch meinte dazu am 07.06.11:
... gar nichts ... Gelungene Ironie. Lothar

 EkkehartMittelberg (07.06.11)
Besäßen die Menschen die kollektive Intelligenz der Ameisen, wäre es denkbar, dass es einen Weltstaat ohne Kriege gäbe. Aber vermutlich ist manchen Individualisten dieses perfekte Funktionieren als Rädchen im Getriebe unheimlich und sie halten den Ameisenstaat nicht für ein Vorbild.
Auch an der Fabel "Cicada et formica (Die Grille und die Ameise)" scheiden sich die Geister. Einige sympathisieren mit der Künstlerin, der Grille, obgleich sie für den Winter, die Not, nicht vorgesorgt hat.
Ekki

 loslosch antwortete darauf am 07.06.11:
Guter Tipp des gelernten Altphilologen für den Gelegenheitslateiner. Der alte griechische Fabeldichter Äsop wurde von den Römern geliebt und übersetzt. Hier ein schöner Link:  für englische Studenten. Zur Zikade hab ich was in der Schublade, Ekki - als hättest Du es geahnt. :) Lothar














Guter
(Antwort korrigiert am 07.06.2011)

 Bergmann (07.06.11)
Auch Maeterlinck schrieb über die Ameisen (und Bienen; und Termiten - letzteres jedoch plagiativ)...

„Sobald wir etwas aussprechen, entwerten wir es seltsam. Wir glauben in die Tiefe der Abgründe hinabgetaucht zu sein, und wenn wir wieder an die Oberfläche kommen, gleicht der Wassertropfen an unseren bleichen Fingerspitzen nicht mehr dem Meere, dem er entstammt. Wir wähnen eine Schatzgrube wunderbarer Schätze entdeckt zu haben, und wenn wir wieder ans Tageslicht kommen, haben wir nur falsche Steine und Glasscherben mitgebracht; und trotzdem schimmert der Schatz im Finstern unverändert.“
– Maurice Maeterlinck (Motto des Romans "Die Verwirrungen des Zöglings Törleß" von Robert Musil)

Lieber Lothar, bin zurück aus Venedig (Biennale). Morgen reise ich nach Halle/saale (Händel-Festspiele)... LG, Uli

 loslosch schrieb daraufhin am 07.06.11:
Darüber freut sich dann auch Deine betagte Mutter. Das Zitat spricht aus, dass kein Glücksmoment angehalten werden kann. Eine Vatiation zu panta rhei. Danke Dir, Uli Lothar

 Didi.Costaire (07.06.11)
Hallo Lothar,
so einen Ameisenstaat wünscht sich bestimmt so mancher Diktator - aber dieser ist ja eigentlich immer männlich. Recht passabel funktionieren die "Ameisen" von Jungheinrich.
Schöne Grüße, Dirk

 loslosch äußerte darauf am 07.06.11:
Guter Einwurf vom Tiefstapler Dirk. :) Lothar
Nimbus (35)
(07.06.11)
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 loslosch ergänzte dazu am 07.06.11:
Ja, das gibts beim Homo sapiens auch, bei einer Sauforgie. Das Wort sollte man hoffähig machen. :) Lo
ichbinelvis1951 (64)
(07.06.11)
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 loslosch meinte dazu am 07.06.11:
Schöner, launiger Kommentar, Klaus. Nur das mit dem Hummelnest nehme ich Dir krumm. Diese lieben Hubschrauber düften nach den Gesetzen der Physik eigentlich nicht aufsteigen können. Wahre Wunderwerke. Und sie haben kein Gift, können allenfalls beißen. Man kann ihre schuppige Haut sanft streicheln, ohne dass sie es merken. Und sie sind hoch nützlich.

Und Du willst Dich da hineinlegen, einfach so. Lothar aber sagt (trotzdem) Danke. Lo
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