Tisch und Verstand

Satire zum Thema Hunger

von  loslosch

Plures amicos mensa quam mens concipit (Publilius Syrus, 1. Jh. v. Chr.; Sententiae). Mehr Freunde versammelt um sich der Tisch als der Verstand.

Besonders in wirtschaftlichen Notzeiten hat diese Sentenz Geltung. Immanuel Kant (1724 bis 1804) war diese Problematik allerdings unbekannt. Der große Philosoph lud immer zur gleichen Zeit einen erlesenen Kreis zum Mittagsmahl ein. Pünktlich um drei Viertel (wohl um 11:45h) versammelten sich die Tischgäste in wechselnder Runde. Allzu viele waren es aber nicht; denn er besaß nur 9 silberne Löffel (laut Nachlassregister). Es begann dann mit dem Ritual des langjährigen Dieners Lampe: "´Die Suppe ist auf dem Tische!´ Dann ging man sofort, die Gäste voran, in das Eßzimmer und setzte sich dort ohne weiteres an den Tisch; ´wenn man Anstalten zum Beten machen wollte, so unterbrach er sie durch Nötigen zum Sitzen´ (Hasse)." [Zitiert nach Karl Vorländer, 1860 bis 1928; Immanuel Kant. Der Mann und das Werk.]

Hier und bei anderen großen Denkern zieht der antike Spruch weniger. Tisch (mensa) und Verstand (mens) treten dann kaum in ein konkurrierendes Verhältnis, weil die Zahl der Sitzplätze sehr begrenzt ist und die Zahl der hungrigen Denker groß.

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Kommentare zu diesem Text


 ViktorVanHynthersin (15.06.11)
Wer vermag im Ernstfall den Tisch/das Mahl vom Verstand/Hunger zu trennen? Wahrscheinlich auch nicht die 9 Löffel und deren Besitzer.
Herzlichst
Viktor

 loslosch meinte dazu am 15.06.11:
Abgewandelt: Erst kommt das Fressen, dann die Philosophie. Danke, Viktor. Lothar
(Antwort korrigiert am 15.06.2011)

 EkkehartMittelberg (15.06.11)
Ich vermute, dass die Tischgesellschaft um Kant in gleicher Weise Hunger nach Aufklärung wie nach einem guten Mahl hatte. Es war ein seltener Höhepunkt der deutschen Kulturgeschichte, vielleicht auch der Esskultur, obwohl es nur 9 silberne löffel gab.
Wieder eines deiner hellen Schlaglichter, Lothar, auf Geschichte, Philosophie, Literatur etc. etc.
Ekki
magenta (65) antwortete darauf am 15.06.11:
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 loslosch schrieb daraufhin am 15.06.11:
Nicht nur die geringe Zahl der silbernen Löffel fand ich köstlich, sondern auch die Notiz, dass Immanuel Kant Gebetversuche durch Befehl zum Suppe-Löffeln unterlief. Danke Euch beiden. Lothar

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 15.06.11:
Er hatte den Schalk im Nacken, dieser scheinbar so humorlose deutsche Professor.
Ekki

 loslosch ergänzte dazu am 15.06.11:
Mein seliger Onkel, nur nach außen hin gläubiger Christ (glaubte von sich aber, es zu sein!), ließ immer vor Tisch beten (herunterrattern): Komm, o Herr, und sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Amen. Das Wasser lief im Mund zusammen, es musste daher alles schnell gehen. Als Abgesang immer: Lieber Gott, ich danke dir, dass du gabst zu essen mir. Schenke auch dem Armen was, der vielleicht (!!) noch Hunger hat. Amen.

Ach, waren das noch Zeiten. Lo
Nimbus (35)
(15.06.11)
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 loslosch meinte dazu am 15.06.11:
Wo Du überall Dich umschaust! Jetzt bei Emilia Galotti. Das Zitat ist sehr interpretationsfähig, Heike. Vielen lieben Dank. Lothar

 Didi.Costaire (15.06.11)
Die Gäste scheinen trotz knapper Ressourcen immer gerne wiedergekommen zu sein, Lothar. Sonst wäre das Werk  "Ein Suppenkasper gibt den Löffel ab" wohl schon viel früher verfasst worden sein.
Schöne Grüße, Dirk
(Kommentar korrigiert am 15.06.2011)

 loslosch meinte dazu am 15.06.11:
In dem Link steht auch Übles, Dirk:

"Wären die Seiten nicht schon voller Scheiße, dann hätte man sie noch als Klopapier verwenden können." Leserkritik. Ein Alptraum. :) Lothar

 Didi.Costaire meinte dazu am 15.06.11:
Das hat aber eine Studentin der Religionswissenschaft geschrieben, die eigentlich lieber beten wollte.

 loslosch meinte dazu am 15.06.11:
Julie Gießler, tatsächlich! Eine verhinderte Betschwester. Falls katholisch, sollte sie zur Beichte eilen. Wir aber suhlen uns in ihrer Sünde. Lo
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