Ausschnitt aus meinem Buch I

Text zum Thema Beziehung

von  Strange-glow-in-the-sky

Kurz bevor sie die Haustür verließ hielt sie noch einmal inne, doch dann fasste sie sich ein Herz, zog die Tür hinter sich zu und lief in Richtung Bauernhof. Das Wetter war noch schöner als gestern: Am Himmel war keine einzige Wolke zu finden und die Sonne schien heller und wärmer als sonst. Die warmen Sonnenstrahlen fielen auf Rose' Haut, die bereits einen leichten Braunton angenommen hatte und die goldenen Sommersprossen auf ihrer Nase funkelten. Als sie näher zum Bauernhof kam blieb sie wieder stehen. Sie war sich nicht sicher, wie sie dorthin gehen sollte, ohne das der alte Mann sie sieht. Eigentlich dürfte sie ja nicht hier sein. Noch bevor Rose einen klaren Gedanken fasste, kam ihr der Junge auch schon zuvor: Als ob er geahnt hätte, dass sie wiederkommen würde, um ihn zu sehen, schaute er an der einen Seite des Haues um die Ecke. Er lächelte und dann winkte er sie zu sich. Rose war leicht befangen und wusste nicht recht, ob sie wirklich auf ihn zugehen sollte, doch sie trat ein paar Schritte nach vorne. Auch der Junge trat ihr ein paar Schritte entgegen, bevor er sie erneut zu sich winkte. Rose ging jetzt entschlossener auf ihn zu. Er lächelte sie an und streckte ihr die Hand entgegen. Sollte sie seine Hand wirklich nehmen? Rose zögerte, doch bevor sie überhaupt zu Ende denken konnte, kam ein leises "Hi" und er packte sie bereits fest am Arm und zog sie in seine Richtung. Die beiden liefen über die große Wiese direkt hinter dem Hof. Als sie angekommen waren, liefen beide noch ein Stück nebeneinander her. Plötzlich hielten beide an. Sie waren noch regelrecht außer Atem und schwiegen sich an. Sie blickte vorsichtig zu ihm herüber und er hielt den Kopf leicht gesenkt. Rose wusste nicht, was sie sagen sollte oder ob sie überhaupt sprechen sollte. Die Wiese auf der sie nun standen war übersäht von wunderschönen Blumen und der liebliche Duft vernebelte beinahe Rose' Sinne. "Das hier ist der einzige Ort, an dem ich mit dir sein kann, ohne das es ihn stört." Er lächelte ein schiefes Lächeln. "Kein Problem, aber wieso hast du mich hier her gebracht? Ich hatte eher erwartet, dass du mich abweisen würdest.", sagte Rose. "Dich abweisen? Nein. Wieso?" "Du warst gestern so komisch zu mir und ich verstehe dich auch, schließlich war ich ein ungebetener Gast. Ich bin einfach auf euren Hof maschiert, aber ich dachte, er wäre unbewohnt. Er sah zumindestens so aus. Es tut mir echt leid. Ich dachte, du möchtest mich nicht mehr sehen, weil ich einfach auf euer Grundstück gegangen bin. "Wieso machst du dir so viele Gedanken?", fragte er. "Ja, ich war echt komisch zu dir, aber nur, weil ich es nicht gewohnt bin, dass wir Gäste bekommen. Ich habe mich einfach nur so erschrocken, als du plötzlich aufgetauscht bist. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Wir hatten schon seit Jahren keinen Besuch mehr und erst recht nicht von so einem hübschen Mädchen. Als du urplötzlich vor mir standest, war ich echt überrascht." Rose spürte, wie ihr die Röte in die Wangen stieg. Es dauerte eine Weile, bis Rose ihm antwortete: "Ich wollte gestern nur ein wenig die Gegend erkunden. Hier ist alles noch sehr neu für mich." "Bist du hierher gezogen?", fragte der Junge. "Nein, aber ich mache hier zwei Wochen Urlaub. Nun ja, eigentlich sind es jetzt nur noch elf Tage." Fast schon ein wenig enttäuscht blickte der Junge sie an. Die beiden schwiegen einige Zeit. "Du sahst nicht sehr glücklich aus, als ich dich gestern dort sitzen sehen habe, so unzufrieden und dein Vater ist auch nicht gerade nett mit dir umgesprungen." "Er ist nicht mein Vater." "Ist er nicht? Gestern hast du gesagt, dass dein alter Herr nicht sehen darf, dass ich da bin.", sagte Rose verwundert. "Ja, du hast Recht. Aber er ist nicht mein Vater. Er hat mich damals bei sich aufgenommen, als ich eine Weile lang im Praktikum bei ihm war. Mein Vater lebt schon lange nicht mehr. Er ist vor acht Jahren gestorben." Seine Augen glänzten und er schaute zu Boden. Es schien, als wäre er noch lange nicht darüber hinweg. "Das tut mir leid.", meinte Rose. "Es muss dir nicht leidtun.", sagte der Junge und blickte ihr ins Gesicht. "...und ja: Ich bin traurig. Manchmal ist mir das hier alles zu viel. Die Arbeit auf dem Hof scheint mich an manchen Tagen regelrecht zu erdrücken. An solchen Tagen würde ich am liebsten nur noch weglaufen wollen, weil es so unerträglich ist. Die ganze Gegend hier, diese ganze Routine. Es ist einfach schwer für mich mit manchen Dingen umzugehen. Aber was erzähle ich dir das eigentlich..." Er senkte wieder den Blick. "Wahrscheinlich, weil ich in all den Jahren niemanden hatte, mit dem ich über meine Gefühle sprechen konnte.", fügte er hinzu. "Denkst du mir erging es anders? Genau deswegen bin ich hierher gekommen! Ich kenne diese Gefühle die du hast nur zu gut. Oft fühle ich mich auch einfach nur erdrückt, unverstanden und allein. Es sind so viele Menschen um mich herum, aber ich habe niemanden, dem ich wirklich etwas anvertraue. Ich wollte einfach nur Weg von zu Hause. Es hat mich genauso erdrückt wie dich, aber ich verstehe nicht, was an diesem Ort hier verwerfliches ist? Für mich scheint er sehr erholsam zu sein.", sagte Rose. "Das mag sein. Für viele scheint diese Gegend hier idyllisch und entspannend, doch wenn man schon viele Jahre hier lebt sieht man auch das schlechte daran, wie die Menschen hier. Sie scheinen alle sehr nett zu sein, doch wenn du dir die Zeit nimmst, sie näher kennenzulernen, wirst du deine Meinung über sie ändern." Er sah noch traurig aus, nachdem er seinen Satz beendet hatte. Wieder kam diese Stille und umhüllte sie wie einen Schleier. Rose blickte vorsichtig zu ihm herüber. Erst jetzt bemerkte sie, wie hübsch er eigentlich war: Er hatte mandelförmige grüne Augen, die wie Smaragde im Licht der Sonne funkelten und dunkles wunscheliges Haar, dass ihm halb in sein schmales Gesicht fiel. Wenn er lachtte zeichneten sich auf seinen Wangen kleine Grübchen ab. Er war schlank, etwa einen Kopf größer als sie und vor allem hatte er total schöne Hände. Das fiel ihr jetzt auf, da er erst  jetzt ihre Hand losließ. Er hatte sie die ganze Zeit über gehalten. Sie war weich und warm. Es war angenehm gewesen. Der Junge blickte leicht beschämt zur Seite und Rose spürte ein eigenartiges Gefühl in ihrer Bauchgegend. Nach ein paar Minuten fragte der Junge: "Wie ist eigentlich dein Name?" "Ich bin Rosylin, aber Rose mag ich lieber und wie heißt du?" "Rose. Ein sehr schöner Name... Rose wie die Rosen. Die muss ich dir unbedingt zeigen!" "Was?" "Die Rosen. Ich muss sie dir unbedingt zeigen." Die beiden gingen nebeneinander her über die Wiese ein paar Meter weiter vom Hof entfernt bis sie schließlich an einem kleinen Tor ankamen. "Ich bin übrigens Finn.", kam verspätet seine Antwort auf ihre Frage. Finn... Finn... Finn... Ein außergewöhnlicher Name. Er gefiel ihr sehr. Das Tor an dem sie nun standen war alt und schon verostet. Der Junge öffnete es vorsichtig und beide gingen hindurch. Er zeigte mich seinem Finger in ihre Blickrichtung. Rose schaute auf die Fläche, auf die er gedeutet hatte: Ein kleines Stückchen weiter entfernt von dem alten Eisentor lag eingezäunt eine große Fläche voller bunter Rosen. Gelb, Rot, weiß. Noch ein Stück weiter entfernt davon lag hinter dem Meer aus diesen wunderschönen Rosen ein Bogen aus weißem Holz, in das geschwungene Ornamente geschnitzt wurden, durch den man zu einer kleinen Sitzbank geführt wurde. Ebenfalls in weißem Holz mit filigranen Verzierungen. Sie balancierten über den schmalen Steg, der über das Meer führte und setzten sich schließlich nebeneinander auf die Bank. So konnten die beiden den Garten komplett überblicken. In Finn's Augen konnte man ein Funkeln vernehmen und auch Rose war begeistert gewesen. "Sie sind so wunderschön.", sagte sie, doch plötzlich senkte sie den Kopf und drehte sich ein Stück von Finn weg. "Was ist mit dir?", fragte er, als er vernahm, dass sich Rose plötzlich anders benahm. "Weißt du, meiner Mutter würde es hier sehr gut gefallen." "Oh, wir könnten es ihr zeigen!" "Nein, du verstehst nicht. Sie wird ihn sich nie ansehen können." Rose' Augen glänzten. "Wir haben selber solch einen Rosengarten. Meine Mutter hielt sich sehr oft darin auf und sie pflegte ihn mit aller Liebe, zog die Pflanzen darin wie ihre eigenen Kinder groß. Dieser Ort hier erinnert mich so sehr an sie. Sie starb vor sechs Jahren und seitdem kümmere ich mich um die Pflanzen. Mein Vater würde es auch gerne tun, aber er findet einfach nicht die Kraft dazu. Er würde es einfach nicht verkraften, da er jede einzelne Rose mit ihr in Verbindung bringt. Wenn er sich jeden Tag so damit konfrontieren müsste, würde ihn das kaputt machen." Rose sah im Augenwinkel, wie Finn seine Finger versteifte, seine Finger fester um das weiße Holz der Bank legte und seine Fingernägel darin vergrub, bis wieder diese Stille zwischen beiden entstand. Auf einmal legte er vorsichtig seinen rechten Arm um ihre Schulter. "Es ist doch okay?", fragte er. Rose legte ihren Kopf an seine rechte Schulter. Das war Antwort genug für ihn. So saßen sie einige Zeit schweigend nebeneinander, bis die Sonne durch eine einzelne Wolke brach und beiden hell auf das Gesicht schien. Nach einer gefühlten Ewigkeit löste sich Finn jedoch von Rose' Schulter. Er blickte in die Richtung des Torbogens und sprach mehr in die Luft als zu Rose: "Wir können nicht länger bleiben. Ich muss Charles noch auf dem Hof helfen." Charles war also sein Name. Beide richteten sich also auf und wandten sich zum Gehen. Zurück durch das alte Tor, über die bunte Blumenwiese bis kurz hinter dem Bauernhof. Dort blieben sie stehen. Finn ging noch zwei Schritt vorraus und stellte sich schließlich vor Rose. Er blickte sie tiefsinnig an. Sie konnte ihm nicht direkt in die Augen sehen und ließ ihren Kopf ein wenig sinken. Ihr war es fast schon unangenehm, dass er sie so eingehend beobachtete. Plötzlich hob er seine Arme ein Stück und legte seine Hände auf ihre Schultern. Sie zuckte kurz ein wenig zusammen und richtete den Kopf ein wenig höher. "Hey.", sagte er und legte eine Hand unter ihr Kinn, um es anzuheben. Jetzt musste sie ihm in die Augen sehen. Der Wind blies ihm die Haare ins Gesicht. Jetzt lächelte er ein schiefes Lächeln und seine feinen Grübchen zeichneten sich auf seiner Haut ab. Rose fühlte, wie ihr Gesicht allmählich wärmer wurde. Auf ihre Wangen legte sich ein sanftes Rot. "Ich möchte dich wiedersehen.", sagte er in seichten Ton. Rose' Herz schlug so laut in diesem Moment, dass sie befürchtete, er könnte es hören. Hatte er gerade wirklich gesagt, dass er sie gerne wiedersehen möchte? Sie war nervös und hatte Angst, dass sie zu stottern anfingen würde, wenn sie ihm jetzt antwortet. Also wartete sie eine Minute. Er wandte seinen Blick nicht von ihr ab. "Ich würde sehr gerne." "Ja?" "...dich sehr gerne auch wiedersehen." Mist, dachte sie. Jetzt fing sie doch das Stottern an. Finn lächelte und ein unergründliches Funkeln legte sich plötzlich in seine Augen. Sie wurde noch röter und verlegen. Er nahm die Hand von ihrem Kinn und ließ seine Arme schlaff neben seinen Körper hängen. Dann trat er einen Schritt auf sie zu, strich ihr einmal über ihr Haar und versiegelte die Stelle, die er berührt hatte mit einem Kuss. "Scheint ja doch ganz schön tief zu sein", meinte er. "W-w-was?" Er grinste fast schon. "Ich meine den Kratzer von Suri." "Oh." Sie fasste sich an den Kopf. "Ja, da hast du recht." Beide lachten. Dann wandte sich Finn zum Gehen. Er blickte sich noch einmal um und schenkte ihr ein letztes Mal sein schiefes Lächeln. Rose blieb noch eine Zeit lang wie angewurzelt stehen, bis sie wieder klaren Verstand fasste und schnellen Schrittes in die Richtung ihrer Wohnung lief, im Hinterkopf den Gedanken, dass Charles sie hoffentlich nicht zusammen gesehen hatte.

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