Das Allerschwerste

Erörterung zum Thema Trauer/Traurigkeit

von  loslosch

Nihil est enim difficilius quam magno dolori paria verba reperire (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr., Ad Polybium). Nichts ist nämlich schwieriger, als Worte zu finden, die einem großen Schmerz angemessen sind.

Ein immerwährendes Empfinden. Besonders schwer fällt das Kondolieren in der persönlichen Begegnung, wenn ein Partner oder engster Familienangehöriger heimgegangen ist. In der Stammbäckerei des Autors war der Inhaber unerwartet verstorben. Die Bäckerin stand wieder hinter der Theke. Die Kundin vor ihm  kondolierte wortreich. Was man so sagt. Als er selbst an der Reihe war, stand hinter ihm - niemand. In seiner Verlegenheit presste er hervor: "Ich möchte Ihnen jetzt die Hand geben." Das rechte Wort im rechten Augenblick mit überspielter Verlegenheit? Möglicherweise.

Wie souverän dagegen der damals 63-jährige Goethe, als Carl Friedrich Zelter, seines Zeichens Komponist und Musikdirektor in Berlin, ihm 1812 postalisch mitteilte, sein geliebter, hoch geschätzter (Stief-)Sohn habe sich das Leben genommen.

Zelters Bitte: "Sagen Sie mir ein heilendes Wort. Ich muss mich aufrichten ..."

Goethes Erwiderung begann so: "Dein Brief, mein geliebter Freund, ... hat mich sehr gedrückt, ja gebeugt ... und ich habe mich nur an Dir selbst wieder aufgerichtet ..." Erstmals, nach einer voraufgegangenen langen Korrespondenz, schreibt Goethe an Zelter ganz unvermittelt in der Du-Form.

Goethe und Schiller übrigens sollen zeitlebens der Sie-Form verhaftet geblieben sein.


Anmerkung von loslosch:

Rüdiger Safranski: Goethe und Schiller - Geschichte einer Freundschaft, 2009: "Die waren schon dicke miteinander."

Freunde, die sich siezen!

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (35)
(03.07.11)
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 loslosch meinte dazu am 03.07.11:
ich stimme dir zu, heike, nur in einem punkt nicht:

... Ein Niveau, dass es dem Kind erschwert "Idiot" auch nur zu denken ... da bin ich wohl brutaler als du.

wenn ein kotzbrocken zu grabe getragen wird, ist die glückwunschkarte angezeigt. vom thema trauerfall etwas weit weg: die beileidskarte zur hochzeit, in der tat ebenso. nur sollte man die ein paar jahre später (das verflixte 7. jahr) versenden. :) lachen und weinen diemal nach der lektüre. nebenbei: safranzki (s. anm.) ist für mich ein blender. Lothar

ps: zeit heilt wunden, klar. bei psychopathen können sie auch wachsen, schwelen.

 Bergmann (03.07.11)
Grandioser Lotino.

Die Goethe-Zelter-Story war mir zwar bekannt, aber sie ist hier sehr schön vermittelt. Übrigens kenne ich Joachim Zelter, ein Urur...enkel des berühmten Zelter.

Herzlichst: Uli

 loslosch antwortete darauf am 03.07.11:
uli, wie stets literarisch bewandert. :) lothar
RobertaRupp (48)
(03.07.11)
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 loslosch schrieb daraufhin am 03.07.11:
wenn das sooo einfach ist, roberta, dann wird man in meinen fall sagen können: er schlürfte gern tütensuppen. lothar
ichbinelvis1951 (64)
(03.07.11)
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 loslosch äußerte darauf am 03.07.11:
genau so ists, klaus. ich hörte mal eine "trauernde" 60-jährige witwe gegenüber nahen angehörigen wehklagen: ich will nicht mehr leben. das kannst du nicht mehr toppen, klaus. goethe hatte mehr als taktgefühl. lothar

 EkkehartMittelberg (03.07.11)
Für mein Empfinden trifft Senecas Sentenz zu. Welcher Trost angemessen ist, das hängt wohl sehr von der Persönlichkeit des zu Tröstenden ab. Er kann von dem wortlosen Händedruck, der wortlosen Umarmung über einige tiefempfundene Worte bis hin zur Trostschrift reichen. Senea war ein Meister des Tröstens und hat mehrere Trostschriften verfasst. Am bekanntesten ist "De consolatione ad Helviam matrem". (Vgl. dazu Wikipedia: "Seneca's Consolations.")

 loslosch ergänzte dazu am 03.07.11:
Ja, ein immerwährendes empfinden. die briefe an seine mutter deuten an, dass er den frauen mehr "seele" zumaß als die zeitgenossen. beste regel: spontan entscheiden, wie goethe. danke, ekki. lothar
baerin (53)
(03.07.11)
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 loslosch meinte dazu am 03.07.11:
Ja. bei ekki schrieb ich: spontan entscheiden. lothar
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