Avrum

Text

von  Akzidenz

[..] Und in euren Häusern findet ihr ein Licht,
das aus dem Traum entkommen ist.
Durchsuchet die Räume, die ihr im Traum nicht gefunden,
so erscheint euch dieser Phosphoros . .

Memorabilia über orthos logos

»Meine Hinkelbeinchen in die Pritsche reibend lag Ich da wach,
von meinen Träumen verjagt und von den Göttern bedauert,
mir diese Nacht keinen Hort zu geben. Da sah Ich das Gespenst
neben meinem Bette hockend und entseucht von dem Gefühl,
in dieser Nacht kein Auge geschlossen zu haben.
Im nächsten Augenblick zeigt das Chronometer Vieruhrsechs
und Ich ging schweren Herzens mit den Stunden . . «


Es ist dies nur eine Satzung meiner schweren physiologischen Verträglichkeit mit dem, was volkstümlich Arbeit genannt wird. Das heißt: sie geht die Welt nicht an! Sie geht gleichwohl jene Welt an, die vom Magendarmtrakte auf nach oben schauert - es erklärt sich mir nichts Tieferes aus der Obstipation, ja der Verstopfung, derer Ich mich meiner Werktage über abhärme. Es scheint, als trotze der düstreste Bahamut des Darms gegen die krampfhafte Enteignung; Leisetreter, Temperenz, Moral des Opfers, , der Bekennung, das er auf sich lasten lässt, zu sein. Denn seine Verbindlichkeit ist zweierlei: . . die Arbeit ist, insofern ihr Anordnungen zufallen, das Höchstmaß der Perlokution. Sie ist in derweise gemeint, in der sie eine Ausübung zu sehen wünscht, die von selbst niemals geschehen wäre. Nicht nur nicht von selbst, sondern dyspeptisch und auch aus niederen Instinkten hat sich mir mit der Weile ein ideologischer Anspruch darauf abgetan: sie lässt mich ganz wenig an den Menschen glauben. Vor allem nicht an gesunde Menschen. Ich habe von Haus aus nämlich das Selbstmitleid, mir alles sehr sklaventreiberisch zu machen, allen voran, mir schnell beleidigt vorzukommen - und nicht bloß dadurch; wenn Ich mit der apollinischen Rechtschaffenheit, wie man sie vom Deutschen gewohnt war, durchdenke, wie wenig Drangsal, wie wenig Leid, wie wenig G  a l e e r e mein Arbeitsverhältnis gegenüber einem anderen, einem echten vorzuweisen hat, so gehe Ich selbst darunter larmoyant in die Knie und rede mit das Elend der Welt in den Schoß. Denn: sich mit Leib und Seele seiner selbst nicht entbehren, das ist überhaupt aller Unverträglichkeit Anfang.

». . denn worum handelt diese Tugend? Um die Anerkennung ihresselben, und den, der Tugend anstrebt, ohne anerkannt zu sein. Und wenn wir annehmen, dass die Kunst auch darauf hoffen- aber auch das Kalokagathos, die eigentliche Bildung will, Schönes zu erkennen, Schönes zu genießen, und Schönes zu entlohnen, und Schönes anzuerkennen, ja, worum handelt dann die Tugend eigentlich?«[/b]

Wie vieles Schicksal, wie vieles Mammon, meiner Widernatur aber nur aus jugendlicher Bescholtenheit, aus rüpelhaftem Freiheitskampf, aus Gegengewicht herabgesunken ist, dies widerlegte das Gesicht der Arbeit in Wahrheit nur auf Zeiten der Ratlosigkeit und Agonie; ein Gegengewicht, das aus der Jugendlichkeit preisgegeben hat. Denn das Elend der Arbeit ist nur das Opfer eines falsch verstandenen Pflichtgefühls der Jugend; insgleichen in Sachen öffentlicher Arbeit, welche nicht die Örtlichkeit der Arbeit zur eigentlichen und immerwährenden Tragödie hinaufhebt, sondern die Tätigkeit selber, wiefern sich diese wiederholt und zu nichts Besserem veranlagt hat. Derart gespenstisch mag sich mir kein tobsüchtigerer Irrtum, kein inanerer Zufall auf das Leben errechnet haben, als die eiserne Unschößlichkeit Deutscher Fabriken* und Maschinen.

*Ich habe es mir vorbehalten, meine Feindschaft auch dorthin zu verfrachten, hingerückt zu haben, wo man sie gut verachten, gut hätte riechen können; es hatte nie so sehr Hand und Fuß mit mir - es genügt dafür die gesunde Objektion; Ich habe sie das Förderband entlanggeifern sehen, im schwitzigen Abgrund des Kartons, jenes Päckchen, das meinen Blick mitnahm - vielleicht strömt das Gas beim Adressaten aus und vergiftet ihn mit den hellen Karfunkelsteinen der Hekunft. Für die Herkunft der Arbeit habe Ich nämlich nichts als Unsichtbarkeit und Proteine übrig. Was Ich unter Deutscher Arbeit einbegreife ist nur das mundartliche Soll von „Bildung“ und schwarzöligen Apparaturen, gar nicht außer Acht zu lassen, was sich in diesem Denotat noch verbirgt! Ein rechnungloserer Vergleich von Stempeln, Rücken und detachierter Förmlichkeit. Was reizt mich das gegen das Leben! Wenn Ich jemals in Rücksicht - ins Rückgrat - genommen hätte, was mir unter dem Argot der Untoten, also unter der Belegschaft eine Warnung hätte bedeuten sollen, ein Windzug, ein Hauch Fegefeuer, geradeso insektenhaft, wie Ich die Sprache aufspüren will, so wäre mir das wirtschaftliche Recht der Arbeit kein Sesterz mehr wert gewesen, denn nichts schien mir seither so schwerblütig aus dem Fruste Deutscher Gespanntheiten emporgegangen zu sein wie die verdrießliche Begründung der vielen Hekatomben, die ihre Schrebergärten auf jenem Permafrost zu parzellieren begonnen hatten, in dessen ungreifbaren Untiefen sich mir der Begriff arktischer und borealer Hautfarben errechnet hat. Actus Apprehensivus - Ein Tag in der Fabrik entölt die ganze Seele!

»Man ist über die spelaei, die Abgründe und Stollen der Erde auf eine allerhand übergreifende Farbpalette von Salzgesteinen und Achat gestoßen, die einer von Grund auf neuen Astrologie nach unten bedurften. Es entbergen sich in diesen Höhlen die malakologischen Wunder, die versteckten Mineralien, die tausendjährige Archnologie des Dunkeln, die mykologischen Geheimnisse unserer aller Irdischkeit!«[/b]

Unsere Hygiene. Ich sage es antiseptisch:
Ich kann keine Arbeit ernstnehmen, die Ich mir nicht selber mache!
Sie wird - beim Spotte meines Archegeten - geschissene Scheiße.
Ich sage noch mehr: Ich kann kein göttliches Geheiß ertragen,
das nicht von Gott selber kommt; keinen Berg und keinen See,
keine Lärche, keinen Flieder, wenn sich ein Mensch hinter verbirgt.
Und ebenso spielt sich mir Arbeit, öffentliche Arbeit auf; ebenso fälschlich, remonstrierend, babylonisch für das Leben. Allen voran ihre Teleologie, ihr sich selbst Beherbergendes, ihr vorwendiges Arbeitsrecht, die Askription der Junkerschaft, die säuerlichen Anblicke, die moralinen Herrschaften, die Utilität, das Spielsein und die Verjenseitigung des Lebens als Verjenseitung allen Gesprächs. Der Teufel weiß, was überhaupt damit gemeint sein könnte. Der Grund jeder Philippika - und somit auch der meinen - hat immer die Empörung im Gewissen getragen; eine Empörung mit der Gefahr, entschuldbar zu sein, ein schleimiges Memento mit menschlichen Wunden - man verzeiht ihm das Geschundensein, aber missachtet auch den Grund dafür.

»Als der Obelisk zum Himmel hinaufstieg um das Welträtsel zu lösen,
da hatten die Menschen freilich gehofft, er würde aus der namenlosen Herrschaft, die ihm in einer ungeahnten Stelle des Sterngewölbes widerführe,
mehr als ein weiteres Rätsel zu entsenden gewagt haben.«


Der öffentliche Mensch war immermehr mein Altruismus, weil er das Chaos zu versöhnen versucht -  ein Chaos, das ihr unguter Anstand der Verdickung, der grienende Kiefer, das bare Unbotmäßigsein des menschlichen Gesichts nur solange erträgt, bis es sich angefasst fühlt; die christliche Länge seiner Nase, die christliche Langwierigkeit, die Gravitation des Uhrwerks, die dazu führt, dass die Menschen im Verlaufe seltener und stiller Stunden nichts besseres mit sich zu tun wissen, als auf strengen Stühlen vor Uhren zu sitzen.*

*Ich habe Ohren für diese Bilder;
sie stimmen die Zärtlichkeit in der Musik.
Auf Vierteltöne kommt es an! - sie sind die grauenhafte Erscheinung,
die Essentifikation der musikalischen Hölle! Ihr Art déco; eine so viel unliebsamere Herstellung von Einmachgläsern stimmungsloserer Musik,
die sich im Wahnwitz des neunzehnten Jahrhunderts einen Sinn für (meinen) Grusel ausmachte. Es gibt dafür keinen sinnlicheren Beweis als jene Partitur Erik Saties, die er stimmungsvoll Vexations nannte - Quälereien.

Der Aplomb der Großstadt hat aus Altertum gemacht, was es insgeheim schon immer war; an Stelle der Wahrheit ein härener Fortschritt der Zeit. Wie sehr, dass nichts Neues von ihrem Verheere mehr entlarvt als permutiert wurde, was sich die große Müdigkeit nicht mehr verheimlichen konnte; nur noch Kaffee zu atmen und nach Fortschritt zu schassen. Gibt es ein höheres Sinnbild, einen hyperbolischeren Klang für einen Deutschen, als die Schwarzgalligkeit dieses deutschgewordnen Lebenswassers! In geheimen deutschen Küchen, auf unentdeckten Lampenschirmen, dort habe Ich den Beweis, das Imago, die frühe Kälte nordischer Abscheu geboren. Dort habe Ich sogar lang gelebt. Dort habe Ich, um anamnesische Motive zu erklären, auch den Falstaff kennengelernt. Doch Ich habe mir bei Zeiten den Glauben abgewöhnt, es könne mehr als Omnizid daraus erwachsen sein. Mehr als die Genäschigkeit einer märchig trunkhaften Figur. Denn: die Deutsche Einfalt, es wäre jede Einfalt damit gemeint, wäre Ich - es wäre tröstlich - von einem anderen Land geboren worden: ein Land anderer Physiologie, anderen Bauchschmerzes und anderer Elektrizität

Es ist eine solche Endlichkeit unter den Leuten, eine, sprechen wir es höhnisch aus, Blödigkeit aus anderen Sinnen, die aus Motiven on dit, aus dem Bei-der-Sache-bleiben in den Undingen aufgerüttelt wurde: jedwedes Vorstellungvermögen geht daran zu Grunde, die Welt nie gefunden zu haben; denn sie ist die imaginative Einzelheit derselben. Es ginge mir bei Leibe nicht so nahe, besäße diese Einzelheit über den Anderen nicht die Unverzeihlichkeit von falschen Würdeträgern, von geistiger Pseudepigraphie, von blicklosen Stunden in allmähliche Tiefen . .

» . . an der Schönheit des Berges hat sich mein Herzgold entblößt.
Es war die Ehrfurcht naturalis in den gipfelnden Kratern empedoklischer Vulkane.
Als die Goldgier von mir ging, da regte entrüstet mein Gefährte seine Wurzeln im Feuer, und mit jedem Male, dass er sich dabei verbrannte, stieg eine Gier so sehr in ihm nach unten, das Benthal des Magnas zu erreichen - «


Die Baumwollfelder hatten nicht den Anstand, den Menschen zu beleidigen;
allenthalben bewegte sich der größte Prior, die größte Sachlage der Arbeit in Latitüden der Gefangenschaft und dem Willen ihrer Meisters. Was drängt sich mir ferner die bezähmte und verdeutschte Frage darin auf, ob man mehr mit Seele oder mit dem Körper Dienstleister ist. Die missgebildetste Arete des Deutschen, die Priorität, die Jugend meiner Selbstwahrnehmung, war bloß die, mich in der Arbeit sehr erhofft zu sehen. Dies war nachmalig für den Eindruck fähiog: Für den, der an solcher Arbeit nicht zu Glücke findet, ist sie auch bloß Widerstand seiner eigenen Homöostasis.

» Im Büro ist es schwierig. Man weiß, man würde sich, um zu verschwinden, mitnichten gegen sein eigenes Gewissen, sondern gegen gewissenhafte Menschen auflehnen. Ein circulus vitiosus, wenn Sie mich fragen. Denn man überwindet im Übrigen auch nicht den Menschen, und auch nicht deren Handlanger, denn der Handlanger bin Ich selbst: es ist eine Frage von guter Lust und Strebsamkeit, und Ehrensache, sich eine Arbeit anzutun, die man nicht im Ernste will.«

Das orthos logos, das Vernunft-Gespräch, von dem sie sich erzogen fühlen -
und „gut erzogen“ dünken sich ohnehin nur die, die es nicht ändern konnten - ist obendrein noch so altehrwürdig, dass es ein Leichtes wird, die Menschen zu beleidigen. Die Ehre dieser Menschen ist ein Fingerzeig ins Lexikon,eine Parabel der Entschädigung, ein Anspruch auf die Klarheit dessen, aus dem sie sich verdunkelt haben.

Meine Pflicht, das ist ein sittlicher Takt.

Das unsichtbare Fleisch der Götter, das der Tantalos so beneidet hatte,
ist eine endlose Gebärde unserer aller Sterblichkeit. Jene Spiegelung,
aus der wir uns vor der Göttern zu Antipoden des Himmels verkleinern,
deren Niederes es immer war, noch weniger als dies zu werden und zu sterben, hat die unerträgliche Verfleischlichung zu einer Gier des Apeirons gemacht. Man
hat die Neidschaft nicht ertragen lernen wollen - nicht so. Das leichte  Geschlecht war der Ewigkeit darin bestimmt, die güldenen Speisen vom
Nabel des Berges zu atmen, und silbernes Blut durchströmte sie dabei,
dass sie keines Urtriebs darbten. Es hat sich hier die Verderblichkeit, die Abhängigkeit, der Nexus des Menschen, sein Fortleben geklärt; die Leibesfrucht, von der er, entgegen der Ambrosia, entgegen des Ichors, sich immerwie zu laben hatte, um den Göttern gleichzukommen, hat die Not reifiziert, das Nahhafte mit Wahrheit zu verbinden; eine nutritio in aeternum, die unendliche Ernährung des Menschen in die Ewigkeit.
Die Ehre ist ein ätherisches Geschenk der Götter an die Menschen.
Wo die Götter Würde haben, dort hat der Mensch nur die Moral;
es ist in seiner Versunkenheit zur Physis eine Notwendigtkeit zu Gott
geworden, ein Stoff, die Ehre aus dem Blut der Götter zu ertragen,
indem wir Schöpfer eines Schicksals werden, dessen Urspung keinen
Körper hat, so die Ähre uns genügt, die Ehre in uns abzufinden,
jenes Schicksal unserer göttlichen Neidschaft, bei allem was wir tun
- nicht grundlos zu leben, wofern man nichts vom Grund zu sehen bekommt . .

. . denn die aus der Öde gewachsen, denen, euch Volk,
    muss man auch diese Re i f e aberziehen!

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Kommentare zu diesem Text

AliseaAvery (32)
(01.08.11)
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