Öffentliches In-sich-Gehen

Glosse zum Thema Schuld

von  loslosch

Me ipse non noram (Quelle unklar; vermutlich bereits bei Cicero; [cog]no[ve]ram). Besser gefiele: Me ipse non novi. Ich selbst kenne mich nicht wieder.

Dann wären wir bei Petron (~14 n. Chr. bis ~66 n. Chr.) angelangt, diesem gebildeten und köstlichen Satiriker, der hier den Weg zum inszenierten Schuldeingeständnis ebnet. Diese alte Wendung erfreut sich in letzter Zeit wieder verstärkter Beliebtheit, insbesondere in Situationen, wenn sich religiöse Würdenträger(innen), in flagranti ertappt oder der Tat überführt, zu ihrem Fehltritt öffentlich bekennen, bekennen müssen. Der Ausspruch suggeriert, der/die Täter(in) habe zur Tatzeit neben sich gestanden, das alter Ego sei stellvertretend in Aktion getreten. So etwas kommt in der öffentlichen Wahrnehmung sehr gut an, erzeugt den Eindruck der Fähigkeit, von außen auf sich selbst zu blicken, ja herabzublicken. Ziel erreicht: Mit dem "neutralen" Blick auf sich selbst wird dezenterweise Mitgefühl eingefordert. Das nennt man in der "modernen" Kommunikationstechnik eine psychologische Meisterleistung.

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Kommentare zu diesem Text

managarm (57)
(22.08.11)
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 loslosch meinte dazu am 22.08.11:
ich hatte käßmann im visier, die in ihrem statement vor der presse und auch später noch im blick auf die alkoholfahrt clever erklärte: "ich habe mich nicht wiedererkannt."

mal ein saugrober vergleich: der mörder vor gericht: denke ich an meine tat, erkenne ich mich nicht wieder. klingt irgendwie nett. eigentlich war ein fremder, böser geist in ihm. schizoide sagen oft: ich folgte einem inneren befehl. das ist dann gar nicht hilfreich, denn sie kommen in die sicherungsverwahrung.

es ging mir also weniger um die reue als vielmehr um die betroffenheitsarie in eigener sache, frank. lothar
(Antwort korrigiert am 22.08.2011)
managarm (57) antwortete darauf am 24.08.11:
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 loslosch schrieb daraufhin am 24.08.11:
sehr aufschlussreich, lieber frank. ich wusste nicht, dass der cdu-star ein glänzender schauspieler ist und mit taschentuch arbeitet. manchmal sind kommentare noch wertvoller als empfehlungen, wie in diesem fall. danke. lo

 EkkehartMittelberg (22.08.11)
Man hat den Eindruck, dass die Käßmann, die sich nicht wiedererkannt hat, populärer ist als die Käßmann vor der Alkoholfahrt. Sie kennt ihren Marin Luther: pecca fortiter*g
Ekki

 loslosch äußerte darauf am 22.08.11:
hübsch, hübsch. das vollzitat, übersetzt, lautet (brief von luther an melanchthon):

Sei ein Sünder und sündige kräftig, aber vertraue noch stärker und freue dich in Christus, welcher der Sieger ist über die Sünde, den Tod und die Welt!“

wunderbar leerformelhaftes gesabbel. danke, ekki t.t. lo
ichbinelvis1951 (64)
(22.08.11)
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 loslosch ergänzte dazu am 22.08.11:
schlimm, wie du die von mir hoch geliebte käßmann abwatschst, lieber klaus. schöne groteske. ausbaufähig mit der sinnigen überschrift "der schuldige tritt nach". auf diese überschrift hast du jetzt - bis auf widerruf - ein vorrecht! schreib eine groteske, los, komm und zögere nicht. lothar
RobertaRupp (48)
(22.08.11)
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 loslosch meinte dazu am 22.08.11:
trotzdem kannst du mit dem text gut leben, roberta. als auf einem katholischen (!) kirchentag in münchen nach ihrem ämterverzicht käßmann einen saal füllte, soll sie öffentlich erklärt haben: "die pille ist ein segen gottes". präses schneider als ratsvorsitzender der ekd meinte später: "ich hätte das nicht so gesagt." bei vielen protestanten hat man ohnehin den eindruck, dass sie sozial engagiert sind und das wort "gott" als emty box verwenden. - jetzt bin ich abgeschwoffen ... lothar
(Antwort korrigiert am 22.08.2011)
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