Strafende Götter der Antike

Persiflage zum Thema Grenzen/ Grenzen überschreiten

von  loslosch

Procul a Iove, procul a fulmine (Ohne Quelle; Redewendung im alten Rom). Weit weg von Jupiter, weit weg vom Blitz.

Umgekehrt gilt dann auch: Wenn´s blitzt, ist Jupiter nicht weit. Treffend von Goethe veranschaulicht in seinem berühmten Poem (ohne Reim und festes Metrum) "Grenzen der Menschheit": Wenn der uralte/ Heilige Vater/ Mit gelassener Hand/ Aus rollenden Wolken/ Segnende Blitze/ Über die Erde sät,/ Küss ich den letzten/ Saum seines Kleides ...

Übermächtige Gottheit, verängstigtes Menschenkind. Wohl auch ein altes Bild (an der Wand des Frankfurter Patrizierhauses hängend?) vom strafenden Gott, der aus dunklen Himmelshöhen seine Blitze herabsendet.

A priori gütige Götter kannte die Antike kaum. Man musste die höheren Wesen gnädig stimmen, durch Tieropfer, Menschenopfer, Beschwörungen, Anrufungen usw. Strafende Götter gab es später erst im Totenreich: Die meisten Römer landeten - Gott sei es gedankt! - in der Abteilung Elysium, auserwählte, handverlesene stiegen sogar in den Olymp auf und durften schmerzfrei fortwesen, die wenigen anderen (Frevler) hatten in der Abteilung Tartaros ewige Qualen zu erleiden. Und leiden noch immer ... So meinten die Römer.

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Kommentare zu diesem Text

Shogun (73)
(04.09.11)
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 loslosch meinte dazu am 04.09.11:
das alte testament sprach meist vom strafenden gott. neuer empirische messungen haben jedoch ergeben, dass er gar nicht eingreift. somit verkündigt die "moderne" christliche lehre vermehrt den gütigen, verzeihenden gott.

da lobe ich mir die alten römer: sie versuchten hienieden nur, die götter gütig zu stimmen. strafen im jenseits lassen sich bekanntlich empirisch schwer nachweisen. kluge römer also. - wer mir die geistesblitze beschert hat? großer gott, ich weiß es nicht. ach so, der große g...

danke dir, liebe anne-marie, für launige darstellung und freundliche bewertung. lothar

 EkkehartMittelberg (04.09.11)
"Bedecke deinen Himmel, Zeus,
Mit Wolkendunst!
Und übe, Knaben gleich,
Der Disteln köpft,
An Eichen dich und Bergeshöhn!"
Dies schleuderte der junge Goethe 1774 noch respektlos dem strafenden Göttervater entgegen.
Er wurde bescheidener und schrieb 1789 in "Grenzen der Menschheit"
"Denn mit Göttern
Soll sich nicht messen
Irgendein Mensch."
Mich würde interessieren, welche spätere Religion sich von dem Gedanken des strafenden Gottes/ der strafenden Götter frei gemacht hat.
Ekki
(Kommentar korrigiert am 04.09.2011)

 loslosch antwortete darauf am 04.09.11:
als ich den kommentar oben schrieb, gab ich, ohne es zu wissen, dir eine antwort: das christentum. eingeschränkt auf den hienieden strafenden gott. das gewaltige erdbeben von 1755 in lissabon hat wohl auch dazu beigetragen: wer am tag des bebens, an allerheiligen, die christenpflicht verletzte und statt zur messe in den puff ging, durfte überleben. fast eine totale zerstörung lissabons, das puffviertel aber überdauerte.

danke dir, ekki, besonders für die für mich schelmisch kingende frage. lothar

ps: 1789 ist wohl das veröffentlichungsjahr von "Grenzen der Menschheit", enstanden um 1780/81.
(Antwort korrigiert am 04.09.2011)

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 04.09.11:
Stimmt, 1789 wurde "Grenzen der Menschheit" veröffentlicht. Ich habe dieses Jahr der Ironie wegen gewählt: Beginn der Französischen Revolution.
Ekki

 loslosch äußerte darauf am 04.09.11:
soviel ironie bleibt da nicht, wenn man bedenkt, dass napoleon knapp 20 jahre später in weimar jwg empfing und letzterer mächtig stolz war. (oder hatte er bloß schiss in der hose?). :)

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 04.09.11:
Ich denke, ihm wurde bewusst, dass Napoleon Geschichte machte, er sie nur beschrieb.
Ekki
ichbinelvis1951 (64)
(05.09.11)
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 loslosch meinte dazu am 05.09.11:
o götterfrevel! :) lothar

 Dieter Wal (10.09.11)
A priori gütige Götter kannte die Antike kaum.

Aphrodite.

Mehr dazu:

W. F. Otto: Die Götter Griechenlands, S. 92 - 104

Hermes.

S. 105 - 126

 loslosch meinte dazu am 10.09.11:
Aphrodite, ja. das sag ich mal ungeprüft: du meine "güte", für notfälle brauchte man APHRODITE! das "moderne" christentum äfft nach. wer was verloren hatte, betete früher zum hl. antonius. auch so ein grundguter. lothar

 loslosch meinte dazu am 10.09.11:
vermutlich auch die römische göttin Spes zählt zu dieser spezies. siehe auch  Ernst gemeinter Grabspruchund dort den thread. dabei fällt mir jetzt erst auf, dass dieser makaber-schöne spruch nicht im kapitel "Grabsprüche" der aphorismen zu finden ist. mist, verdammter ... lo

 Dieter Wal meinte dazu am 10.09.11:
Bei den röm. Allegorien-Göttern fällt mir noch Flora ein. Der Grundgedanke wurde zuletzt versuchtsweise in der franz. Revolution wiederbelebt mit dem Kult um den Gott der Vernunft. Mir erschienen innerseelisch bei Verwendung in Gedichten die Götter Isis, Osiris und Horus und Apoll und Aphrodite noch kraftvoll. Da ging es mir wie den Frühhumanisten in Italien.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.09.11:
Bei Goethe ist überhaupt nicht vom strafenden Gott die Rede. Im Gedicht wird der Gott imaginär als blitzespendender Vater zurückgeholt und Ehrfurcht vor dem Naturphänomen und zugleich dem Gott darin beschrieben. Wer solche Stürme erlebt- und überlebte, empfindet Ehrfurcht vor der gewaltigen Natur. Mann kann sie pantheistisch auch als Gott bezeichnen.

 loslosch meinte dazu am 10.09.11:
nicht unmittelbar vom strafenden gott. die ehrfurcht gebietende urgewalt hat aber etwas implizit strafendes an sich. die ehrfürchtigen menschenkinder zittern.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.09.11:
Im Wort "Großartigkeit" steckt das Phänomen einer relativen Größe wie z. B. einem Unwetter mit Blitzen und Donner und dem mit nur einer Lebensspanne ausgestatteten kleinen Menschen. Manche empfinden vor den Herrlichkeiten der Natur Ehrfurcht. Bei Goethe bleibt völlig offen, WARUM der Gott mit gelassener Hand Blitze streut. Zornige Götter wären nicht gelassen. Keine Strafe.

Die grausame Strafe des Apoll an Marsyas erklärt sich, dass ein Mensch sich mit dem Gott messen wollte und dafür vom Gott selbst grausamst bestraft wird. Ich meine, eine gute Geschichte, um den diametralen Unterschied zw. einem Menschen und einem Gott zu verdeutlichen.

Vielleicht fordern gerade anthropomorphe Gottesbilder solche Mythen heraus.
(Antwort korrigiert am 10.09.2011)

 loslosch meinte dazu am 10.09.11:
anthropomorphismus, seit langem einer meiner lieblingsbegriffe. den psychologischen zusammenhang hat als erster der uraltgrieche xenophanes (6./5. jh. v. chr., lange vor sokrates!!) hergestellt.
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