Zorn

Alltagsgedicht zum Thema Aggression

von  EkkehartMittelberg

Er rastet wieder einmal völlig aus,
vor seinen Augen flimmert rot die Glut,
die Kinder ducken sich vor seiner Wut,
und keiner ist mehr sicher in dem Haus.

Die Hiebe prasseln auf den Leib der Frau,
die sich dem Rasenden entgegenstellt
und von der Schläge Wucht zusammenfällt,
ein Häufchen Elend, wimmernd, grün und blau.

Den Zorn beherrschen wollten schon die Alten,
doch wie den Dämon zähmen, niederringen?
Im Zorn zu handeln macht doch keinen Sinn,

der alte Cato ließ ihn erst erkalten,
den frechen Sklaven diese Botschaft bringen:
„Nun* freut euch vorerst**, dass ich zornig bin.

* und **: Die Worte „nun“ und „vorerst“ sind Ergänzungen des Originalzitats

© Ekkehart Mittelberg, September 2011

Anmerkung: Die Stoiker glaubten ihre Affekte durch Beherrschung besiegen zu können. Heute weiß man, dass Appelle an die Vernunft nicht ausreichen. Man vertraut auf langfristige therapeutische Behandlung, auch nur mit mäßigem Erfolg. Überfüllte Frauenhäuser machen skeptisch.

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (26.09.11)
die zweite strophe ist delikat. ein bisschen schrill. allerdings schrieb mal - zu deiner ehrenrettung - eine us-autorin in ihrem eheberatungsbuch: wenn dein mann auf dich einschlägt und bei jedem hieb laut ruft "a-ber-ich-lie-be-dich-trotz-dem", so glaube ihm kein wort! lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Lieber Lothar, wenn die Verhältnisse schrill sind, ist der Autor nicht zimperlich. Vielen Dank für deine Kommentar.
Ekki
Nimbus (36)
(26.09.11)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 26.09.11:
Vielen Dank, Heike, ja, wer die Wahrheit sehen will, darf nicht beschönigen, muss aber differenzieren.
Liebe Grüße
Ekki
janna (66) schrieb daraufhin am 26.09.11:
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 loslosch äußerte darauf am 26.09.11:
eine rekomm, von einer frau geschrieben: da häng ich mich gerne dran. aus dem "generell" mach ich ein "zu 99%". lo
Nimbus (36) ergänzte dazu am 26.09.11:
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Nimbus (36) meinte dazu am 26.09.11:
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janna (66) meinte dazu am 26.09.11:
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Nimbus (36) meinte dazu am 26.09.11:
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 Isaban meinte dazu am 26.09.11:
Seltsam ist, dass sich auch die Schläger in den meisten Fällen in der Opferrolle glauben. Die diesbezüglich häufigste Aussage der Täter ist wohl: Sie hat mich provoziert!
Wenn eine Beziehung nicht funktioniert, tragen immer beide Beziehungspartner einen Schuldanteil, wenn aber einer zuschlägt, ist dafür der verantwortlich, der schlägt.

LG, Sabine
Nimbus (36) meinte dazu am 26.09.11:
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 Isaban meinte dazu am 26.09.11:
Wenn eine Beziehung nicht funktioniert sollte man die Konsequentzen daraus ziehen und sich voneinader trennen, bevor es nachher wirklich handgreiflich wird.

Liebe Heike,

wenn das immer so einfach wäre, würde man es vermutlich per Gesetz festschreiben. Es gibt da keine Patentlösungen und vorgefertigte Urteile und Pauschalierungen helfen auch nicht wirklich weiter - aber ich glaube, diese Diskussion hat höchstens sekundär mit dem Text zu tun.

LG, Sabine
KoKa (43) meinte dazu am 26.09.11:
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Nimbus (36) meinte dazu am 26.09.11:
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KoKa (43) meinte dazu am 26.09.11:
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Nimbus (36) meinte dazu am 26.09.11:
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 AZU20 (26.09.11)
Solche Dinge sind erschreckend und du stellst sie so auch dar. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Danke, Armin, ich bin froh, dass du keine Schönfärberei entdeckt hast.
LG
Ekki
chichi† (80)
(26.09.11)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Vielen Dank, Gerda, der alte Cato war in der Antike ein bewundertes, aber selten erreichtes Vorbild. Die bloßen Appelle an Selbstdisziplin funktionieren in gravierenden Fällen nicht, wie wir heute wissen.
LG
Ekki

 Momo (26.09.11)
Zorn ist an sich ja nichts Schlechtes, er sorgt für den nötigen Antrieb. ;) Der Jähzorn ist allerdings des Teufels. Ich glaube, die Menschen, die unter ihm leiden, können nicht einmal mehr bis drei zählen.
Der Inhalt deines Alltagsgedichts liest sich bestürzend, Ekki, weil er für viele Frauen und Kinder quer durch die Gesellschaftsschichten Alltag ist.
Was mir, wie auch bei anderen ernsten, lebensbedrohlichen Themen, die lyrisch verarbeitet werden, nicht so gut gefällt, ist die glatte Verreimung. Sie hat etwas Verharmlosendes, Schönfärbendes an sich, wobei ich nicht damit sagen will, dass du dieses Thema schönreden wolltest, aber mir liest es sich zu glatt und eingängig.

Zu deiner Anmerkung: Affekte sind nicht beherrschbar. Um Affekte beherrschbar machen zu können, müsste man an den Ort ihres Entstehens gehen, sie aufspüren, was einer Auflösung gleichkäme.

LG Momo

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Liebe Momo,
vielen Dank für deinen Kommentar. Man kann wie du grundsätzlich der Meinung sein, dass sich ein Sonett mit seinen Reimen für das Thema "Ausrasten im Zorn" nicht eignet. Andererseits zeigt die lebhafte Diskussion im thread, dass es wohl des Inhalts wegen Betroffenheit ausgelöst hat. Durch seine strenge Form bewahrt es vor Weitschweifigkeit und zwingt den Autor, auf den Punkt zu kommen.
Deine skeptische Sicht zur Beherrschung von Affekten teile ich. Selbst wenn Psychotherapeuten an den "Ort ihres Entstehens" gehen, haben sie nur teilweise Erfolg.
LG
Ekki
fdöobsah (54)
(26.09.11)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Lieber fdöobsah, ich mag deine gut durchdachten Kritiken. Aber diesmal liegst du aus meiner Sicht falsch: Die beiden Teile des Sonetts sind so miteinander verklammert: Schlagen im Affekt des Zorns ist seit Jahren Thema, ohne wirkliche Fortschritte. Ein Rückblick auf eventuelle Lösungen früherer Zeiten liegt da nahe. Nie wurde meines Wissens dem Nachdenken über Affekte so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie in der Philoosophie der Antike, insbesondere in der Philosophie der Stoiker. Sie glaubten an die Beherrschbarkeit der Affekte, und Cato war eines ihrer Vorbilder. In meiner Anmerkung habe ich aber deutlich gemacht, dass der Blick in die Historie nicht weiter führt, die Hilfe der Psychotherapie notwendig ist und selbst deren bescheidene Erfolge zur Skepsis Anlass geben.
Die witzige Antwort des alten Cato, der von sich ausgehend die Selbstdisziplin weit überschätzte, verstehe ich mit Blick auf das Gesamtproblem "Beherrschung von Affekten" als tragische Ironie (In diesem einen Fall hat es funktioniert).
Beste Grüße auch von mir
Ekki
(Antwort korrigiert am 26.09.2011)
Anne (56)
(26.09.11)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Vielen Dank,liebe Anne, ein bisschen Antwort hoffe ich dir auf deine Fragen geben zu können. Eine große Zahl von Menschen lernt schon als Kind, Konflikte nur mit Gewalt zu lösen. Das funktioniert vordergründig sogar, wenn man der physisch Stärkere ist. Wenn nicht, wird das Nachdenken verdrängt, weil man es anders nicht kennt. Klar, dass das keine akzeptablen Lösungen sind. Es bedarf einer langen Therapie, (die leider nur teilweise Erfolge hat), bis ein so sozialisierter Mensch anders denkt. Meine Theorie ist aber defizitär. Es gibt ja auch Schläger aus Familien, in denen Gewaltlösungen nicht vorgelebt werden. Vielleicht kann dazu jemand von den kv-Usern etwas sagen.
Herzliche Grüße
Ekki
janna (66) meinte dazu am 26.09.11:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.09.11:
Liebe Janna, ich vermute instinktiv, dass unsere sozialen Erfahrungen so unterschiedlich nicht sind. In meiner Gymnasialzeit (1949-1958) habe ich genau das erfahren, was du schreibst. Aber als Grundschüler in einer Bergarbeiter-Stadt führte mich mein Schulweg durch den berüchtigten Goethe-Block (So hieß der soziale Brennpunkt meiner Heimatstadt; grins) Dort wurde ich öfter - wie ich damals dachte, ohne Grund - körperlich angegriffen und ich musste mich mit Schlägen meiner Haut wehren. Heute weiß ich, dass die Kinder dort, die meinen anderen Stallgeruch witterten, mich als Repräsentanten der Mittelschicht schlugen (Das reflektierten sie natürlich nicht) und ich weiß, dass die meisten von ihnen zu Hause geschlagen wurden, ohne dass sie das hinterfragten. Mit Schlägen verschaffte man sich in diesem Milieu Respekt, das war einfach so und hatte mit dem Charakter und der Veranlagung des Einzelnen wenig zu tun. Ich hoffe sehr, dass ich mich dir verständlich machen kann.
Liebe Grüße
Ekki
Rubicon (43)
(26.09.11)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Vielen Dank, Michael. Ich bin auch skeptisch, was die generelle Therapierung von Zorn angeht. Aber grundsätzlich würde ich Heilerfolge nicht ausschließen. Wenn du recht hättest, dürfte niemand, der im Affekt getötet hat, je ein Gefängnis verlassen.
Liebe Grüße
Ekki

 Songline (26.09.11)
Sowohl Inhalt und Form des Gedichtes als auch die Kommentarantworten des Autors gefallen mir sehr.
Liebe Grüße
Song

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Liebe Song,
ich bedanke mich besonders dafür, dass du dir die Mühe gemacht hast, auch meine Kommentarbeantwortungen zu lesen.
Liebe Grüße
Ekki

 Songline meinte dazu am 26.09.11:
Nichts zu danken, da ich deine Meinung schätze, lese ich sie gern.
Liebe Grüße
Song

 ViktorVanHynthersin (26.09.11)
Lieber Ekkehart,
mit diesem klugen Gedicht hast Du uns die bittersten Früchte des Zorns serviert, die sich frau vorstellen kann. Mögen alle Frauen (und Männer) davor verschont bleiben.
Herzlichst
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 26.09.11:
Viktor, du gibst mir hier die Möglichkeit, einmal zu sagen, was ich an deinen Kommentaren schätze. Mein Gedicht konzentriert sich einseitig nur auf das Schlagen von Männern. Inzwischen weiß man, dass es auch schlagende Frauen gibt. Viele, die das kapiert haben, schmücken es rhetorisch aus. Bei dir erscheint der Gedanke als kleine Klammeranmerkung: "Mögen alle Frauen (und Männer) davon verschont bleiben."
Danke und herzliche Grüße
Ekki

 Tintenklexe (26.09.11)
Lieber Ekki, die Neurobiologie hat heute Erkenntnisse aus Studien entwickelt die sehr interesssant sind wie ich finde... Es gibt auch ein gutes Buch von Roth : Fühlen, Denken, Handeln
Aber eigentlich geht es hier um eine klassische Gedichtform, ein von jeher beschäftigendes, wichtiges Thema , und was? uns zu sozialen" Wesen macht.... du gut dargestellt hast und zum nachdenken anregt.
Mit lieben Abendgrüßen
Gabi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 27.09.11:
Herzlichen Dank, Gabi. Ich habe nicht gedankenlos in ein Wespennest gestochen und bin doch mit mehr Fragen und Anregungen konfrontiert, als ich gedacht habe. Vorerst ist es eine Erleichterung für mich, dass du auf die Gedichtform zurücklenkst.-)))
Liebe Grüße zurück
Ekki

 HerrSonnenschein (28.09.11)
Ich hatte und habe leider beruflich sehr häufig sowohl mit Opfern und Tätern von häuslicher Gewalt zu tun.
Und es gibt leider keine einfachen Antworten was Lösungen angeht. Ich persönlich glaube, das nicht selten so etwas wie Sucht eine große Rolle spielt. Nicht unbedingt stoffgebunden (also Alkohol oder Drogen etc.) eher eine Abhängigkeit voneinander.

Kein Sonnenscheinthema, aber sehr wichtig

der Herr Sonnenschein

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.09.11:
Vorerst vielen Dank für deinen Kommentar, Sonnenschein, ich werde deiner Hypothese nachgehen.
Liebe Grüße
Ekki
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