Sallys Haus (3)

Erzählung zum Thema Geister

von  Prinky

Es war Zeit vergangen. Wochen, die wie Tage ins Land zogen, waren auf dem Weg Monate zu werden. Samantha und Kyle waren nur noch damit beschäftigt, sich irgendwie aus dem Weg zu gehen, während die Kinder sich von ihren Eltern zurückzogen.
Nur wenn sich Kyle längere Zeit nicht im Haus aufhielt, war ein erträglicher Umgang mit ihm möglich. Eines Tages wurden sie von Kyles Vater abgeholt, der sie mitsamt seiner Frau zu einem Essen in ein mexikanisches Restaurant inmitten von Nicholasville einlud.
Seine Eltern waren diese weite Strecke gefahren, um sie ganz plötzlich zu besuchen, und sie somit zu überraschen. Die Überraschung war auch gelungen. Als sie an der Haustüre klingelten, machte ihnen eine stark abwesende Samantha diese auf. "Freust du dich nicht?", entfuhr es ihm.
"Wo ist Kyle?"
"Irgendwo im Haus", sagte Samantha, und ließ die beiden wie dumme Schulkinder an der Schwelle der Haustüre stehen.
"Oma-Oma", rief Sam, als er sie dort erblickte. "Wir haben es schön hier. Ich habe eine Freundin, die Sally heißt, und wir haben hier auch einen schwarzen Mann."
Bis auf die Großeltern schien diese Aussage des kleinen Jungen niemanden zu interessieren. Während sich die beiden aufmachten, das große, alte Haus zu erkunden, schien Sam sie nur gelangweilt zu begleiten.
Karen, die Großmutter, fragte Samantha, warum Sam von einem schwarzen Mann erzählte. Doch Samantha meinte nur lapidar:
"Nun, da er eben nicht rot ist!"
Kyle tauchte erst auf, als der Rundgang durch das Haus beendet war. Als die Familie später am Abend zusammensaß, und eine fröstelnde Atmospähre im Haus vorherrschte, schlugen die Großeltern vor, sie in der City einmal zum Essen einzuladen. Indira und Jule meinten nur, das sie beide keine Lust auf Familie hätten. Sam wollte mit Sally spielen.
"Wo hat er denn die kleine Sally kennengelernt", meinte Karen interessiert.
"Hier", sagte Samantha, und ging sich fertigmachen. Kyle folgte ihr wortlos.
Myles, wie sich der Großvater nannte, schaute fragezeichenreich zu seiner Frau. Seine Familie schien ihm fremd.

Während sie später beim Mexikaner saßen, tauten Kyle und Samantha etwas auf. Nach Monaten waren ihre Blicke füreinander existenzberechtigt.
Kyle meinte, als er entspannt sein Essen genoss, das er sich schon länger nicht mehr so gut fühle wie zur Zeit. Samantha pflichtete ihm bei.
Myles wollte wissen, warum bei ihnen zuhause so eine fröstelnde Stimmung vorherrschte. Doch das Ehepaar beschloss den Großeltern keinen reinen Wein einzuschenken. Stattdessen erklärten sie ihnen, das der Umzugsstress und die Kraftanstrengung drei Kinder aufzuziehen, sie mittlerweile ganz schön zu fordern. Das erste Mal seit Wochen lächelten beide, als sie sich jeweils mit einem Glas Wein zuprosteten.

"Hättest ihr noch Platz für uns in euerem Traumhaus", meinte Karen plötzlich. "Vater und ich überlegen uns auch nach  Nicholasville zu ziehen."
Samantha und Kyle verharrten einige Sekunden.
Dann meinte Kyle auf einmal, sie müssten jetzt nach Hause. Man könne die Kinder doch nicht allzulang alleine lassen. "Jule ist alt genug", meinte Samantha, doch Kyle sagte nur noch: "Die zwei anderen nicht!"
Die Großeltern spürten; Es war an der Zeit. Die Rückfahrt war eisig, die Gespräche fast nur noch einseitig. Im Scheinwerferlicht tauchte die Villa auf, die den Broichs eine strahlende versprechen sollte. Doch das tat sie nicht. Stück für Stück demontierte dieses Haus ihr Leben und ihre Liebe. Und es schien so, als würden selbst die Kinder zu einer unwichtigen Nebensächlichkeit.
Am Haus angekommen, zeigte Samantha ihnen ihr Zimmer, und ging direkt danach wieder weg. Myles und Karen fühlten sich wie unerwünschte Besucher.
Bis auf Sam, der ihnen wegen seiner Fröhlichkeit auffiel, schien der Rest der Famile sich in einem desolaten Zustand zu befinden.
Die Nacht brach an, und der Wind schien das Haus wie eine Faust zu schlagen. Das klopfte es plötzlich, und Kyle trat hinein.
"Schlaft gut, und ach, ja..." sprach er sehr bestimmend, "morgen solltet ihr besser wieder fahren. Die Familie braucht alles, nur keinen Zuwachs."
Dann warf er die Türe beim weggehen ins Schloss.
Ja, gute Nacht, dachte sich Myles, als seine Frau sich nachdenklich die Haare kämmte.

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