Wahre Schätze

Lehrstück zum Thema Internet

von  loslosch

Homo doctus in se semper divitias habet (Phaedrus, ~20 v. Chr. bis ~51 n. Chr.; Liber Fabularum). Stets findet ein gelehrter Mensch Schätze in sich selbst. Dieser grundrichtige Gedanke verdient im Zeitalter weltweiter Vernetzung eine Erweiterung: Ein gelehrter Mensch findet stets rudimentäre Schätze in sich selbst und vertieft und erweitert sie über das Internet.

Der Einwand, man hört ihn schon, ist ja richtig: So viel Wissenswertes, wahre Schätze sind im Internet zu heben. Und gratis gleich dazu so viel Nonsens, so viel Stuss in der parallelen Welt. Wer kennt den Filter, der die Spreu vom Weizen trennt? Ein paar Tipps, die dem rastlos Suchenden helfen können: Achte auf Sprache, Präsentation, Ausdrucksweise, formale Kriterien (Rechtschreibung, Interpunktion). Natürlich kann selbst in korrekter Schreibung der größte Unfug verzapft und verkündet werden. Die Wahrscheinlichkeit aber ist geringer.

Gib die Hoffnung auf, du könntest noch auf S. 12 eines Aufrufs die Orientperle entdecken. Die Masse ist zwar nicht immer klüger als das Individuum, aber längst gilt nicht mehr Friedrich Schillers Aphorismus: "Jeder, sieht man ihn einzeln, ist leidlich klug und verständig, sind sie in corpore [versammelt], gleich wird ein Dummkopf daraus." Die Exoten (extrem Dummen) filtern sich selbst heraus. Siehe auch Peter R. Hofstätter, Gruppendynamik, aus den 1960er Jahren. Mehrsprachigkeit hilft dir ebenfalls. Manchmal genügen rudimentäre Kenntnisse, z. B. auf der Suche nach der fehlenden Quellenangabe. Erschwert wird das Filtern durch die Marotte (oder Dreistigkeit) des Abschreibens voneinander. Gerade hier nützt das gelegentliche Wechseln in eine andere Sprache. Das Englische genügt meist. Vorsicht vor Übersetzungsmaschinen! Vergiss diese Warnung ab etwa 2012. Die Maschinen sollen bis dahin "klüger" sein, übersetzen dann mit partieller Unterstützung der Brute-Force-Methode (Abklopfen nach Worthäufigkeiten).

Den letzten Schliff bekommst du erst durch lange Erfahrung, auch im Umgang mit Enttäuschungen und kleineren Rückschlägen (trial and error). Und verheddere dich nicht beim Suchen. Wer hat nicht schon im dicken Lexikon nachgeschlagen und vor lauter neuen Entdeckungen das Suchwort aus dem Auge verloren! Das Internet ist gnädig und gestattet den Rückwärtslauf - ganz ohne Lesezeichen. Wer viel Grundwissen hat, kann übrigens leichter Schätze heben.

Grundsätzlich gilt: Das alte eigene Wissen - ein Magnet!

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Kommentare zu diesem Text

AronManfeld (43)
(11.10.11)
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 loslosch meinte dazu am 11.10.11:
zu viel der ehre. ich weiß natürlich, dass hofstätter als psychologe für das nazi-militär gearbeitet hat. aus der gruppendynamik (1957) hab ich einiges mitgenommen, z. b. dass brainstorming (das wort gabs damals in der deutschen fachliteratur noch nicht, in den usa 1958 erst ausformuliert - hinter lo die wissensmacht google ) erkenntnisse beflügelt. merci. lothar

 Lluviagata (11.10.11)
Herr Phaedrus darselbst war ganz sicher ein sehr gelehrter Herr, jedoch
[Ein gelehrter Mensch findet stets rudimentäre Schätze in sich selbst und vertieft und erweitert sie über das Internet.]?
Wie definierst du gelehrt? Ein Mensch mit normaler Schulbildung ist nicht gelehrt. Er hat sich Wissen angeeignet, um im Leben "fortzukommen." Synonyme von gelehrt wären dagegen: fachkundig, fachmännisch, kundig, qualifiziert, versiert, ausgebildet, erfahren, erprobt, gebildet, gekonnt, gelehrt, gelernt, kultiviert, routiniert, sachverständig ...

Ist es nicht so, dass ein Schüler der Mittelschule anhand seiner Aufgabe nur Folgendes eingeben (abschreiben) muss: "Gedichtinterpretation von Goethes Zauberlehrling" - und doing- hat ein gelehrter Kopf seine Hausaufgabe erledigt.

All deine anderen Aussagen begrüße ich sehr, natürlich! Bin selbst ein eifriger Sucher und Finder.

Und so wartet dann ein gelehrig verfasster Eintrag, der so manchen Aphorismus auseinandernimmt, um ihn mir näher zu bringen, nur auf meinen geneigten Knopfdruck. Und ich musste noch nicht einmal aufstehen, um zum Bücherschrank zu gehen ... ;)


(Kommentar korrigiert am 11.10.2011)

 loslosch antwortete darauf am 11.10.11:
das kapitel "wie überliste ich meinen pauker, professor, doktorvater ... ?" habe ich hier nicht abhandeln können. das ginge ins uferlose. versiert abkupfern bedeutet im grunde eine eigene intellektuelle leistung - mit dem trostpflästerchen, dass der betrüger einen teil des lernziels erfüllt: er lernt dabei auch. für mich natürlich keine rechtfertigung. merci, madame
lothar
*Frieda* (48)
(11.10.11)
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 loslosch schrieb daraufhin am 11.10.11:
du scheinst nicht gemerkt zu haben, dass ich schiller kritisiere. so what! lo
*Frieda* (48) äußerte darauf am 11.10.11:
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 loslosch ergänzte dazu am 11.10.11:
kommachen, janeinjanein. du hast den text nicht verstanden? wo soll ich denn bitte anfangen? es empfielt sich aber, vorher den thread zu lesen. dann könnte ich mir vllt. die mühe ersparen - und dir die blamage.
*Frieda* (48) meinte dazu am 11.10.11:
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 loslosch meinte dazu am 11.10.11:
... Das eigene Wissen - ein Magnet ...

sagt eigentlich alles. hast du einen fundus an wissen, kannst du dich im netz wie ein schwamm vollsaugen und besitzt die fähigkeit, (fast) immer den weizen von der spreu zu trennen. der grunddumme fällt beim googeln oft auf die schnauze. mal so der grobe faden. je nach IQ könntest du dich jetzt blamiert fühlen - oder auch nicht.
*Frieda* (48) meinte dazu am 11.10.11:
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 loslosch meinte dazu am 11.10.11:
jetzt mal ganz platt, nach schmidt schnauze - bezogen aufs fernsehen damals: dieses medium mache die klugen klüger und die dummen dümmer.

das scheint mir auch fürs internet zu gelten. es wäre jetzt ein bisschen peinlich, die argumente haarfein abzuspulen.

"An RS, Grammatik und Interpunktion kannst Du den Wahrheitsgehalt einer Aussage nicht beurteilen", schreibst du. ein unfreiwilliges eingeständnis, dass du den text nicht sorfältig gelesen hast.
*Frieda* (48) meinte dazu am 11.10.11:
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 loslosch meinte dazu am 11.10.11:
neunmalkluge darf ich auf den kommentar unten von ekki verweisen. lo

 EkkehartMittelberg (11.10.11)
Lieber Lothar, ein besonders anregender Beitrag von dir. Er wirft für mich viele Fragen auf. Lohnt es sich angesichts der effektiven Suchmaschinen des Internets noch, gelehrt zu sein? Fast jedes Wissen, einschließlich des philosophischen, ist für den geschickten Internetnutzer auffindbar. Helfen die Suchmaschinen bei der Bildung? Sofern man Fachwissen darunter versteht, ja, Wenn man sie bildungsbürgerlich definiert, auch ja. Wenn man aber unter Bildung ein nicht endendes Suchen nach Sinn versteht, dann ist das Internet bestenfalls Mittel zum Zweck. Im Kopf des Suchenden mit seinen Fragen, seinen Zweifeln, seinen Wertungen ereignet sich Bildung. Daran hast sich nichts geändert. Jedoch möchte ich die schnelle Verfügbarkeit von Wissen aus dem Internet, das ich für mich selbst bedenken, einordnen muss, nicht missen.
Ekki

 loslosch meinte dazu am 11.10.11:
tja, ekki, hilfe in letzter not. wenn jetzt sternchen-frieda immer noch verständnis-probleme haben sollte, verweise ich sie auf diesen deinen eindrücklichen kommentar. lothar, multas gratias agens

 Bergmann (12.10.11)
Tja, die Rechtschreibung und die formalen Kriterien... Wer beherrscht das schon gut genug...

Zu Schiller: Die bürgerliche Demokratie versucht ja, Schillers Weisheit umzukehren. Es gelingt nicht immer, aber oft. Dass die Demokratie ihr eigenes Zerrbild wird, also zur Ochlokratie, bleibt immer eine große Gefahr.

In letzter Zeit kommt es zu einer erfreulichen Intellektualisierung (Vertiefung) deiner Betrachtungen. Das gefällt mir sehr.

Herzlichst grüße ich dich aus Hall! Uli
Graeculus (69)
(29.04.17)
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 loslosch meinte dazu am 29.04.17:
die übersetzungsmaschinen sind noch immer nicht weit genug gekommen. das sah ich 2011 zu optimistisch.
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