Nur ein kleines Abenteuer

Kurzgeschichte zum Thema Horror

von  youngShadow

Nur ein kleines Abenteuer

Robert kneift seiner Frau in den Hintern. Linda stößt seine Hand weg, lacht aber dabei.
„Später“, sagt sie. Vor ihnen sind Leon und Anne stehen geblieben.
Leon zeigt mit einem langen Stock auf eine Abzweigung, die fast vollständig von dichtem Gestrüpp verborgen wird.
„Gehen wir da lang, Mami?“, will Anne wissen.
„Nein, wir bleiben auf dem Weg.“
Das kleine Mädchen schaut traurig zu Boden.
„Wieso eigentlich nicht“, ergreift Robert das Wort.
„Leon, versuch mal die Sträucher wegzuschlagen.“
Begeistert drischt das jüngste Familienmitglied auf die Pflanzen ein.
„Du darfst nicht immer meine Autorität untergraben, Robert“, flüstert Linda.
Er muss lachen, Autorität untergraben, als wäre sie die Super Nanny.
Ihre Augen funkeln böse und sein Lächeln verschwindet.
„Tut mir leid, Schatz, aber den Kindern wird’s bestimmt gefallen. Ein kleines Abenteuer sozusagen.“
„Papa, Papa schau.“ Leon steht Stolz wie Oskar inmitten eines Strauchmassakers.
„Auf ins Abenteuer!“, bläst Robert ins Horn.
Leon und Anne sind schon längst im Wald verschwunden, als Linda Roberts Hand ergreift.
„Ich weiß nicht, ich finde wir sollten auf dem Weg bleiben. Wir kennen uns hier nicht aus,
wenn sich eines der Kinder verletzt...“
„Papalapap, jetzt mal nicht gleich den Teufel an die Wand. Wir sind hier im Schwarzwald und nicht im Dschungel von Peru. Die einzige Gefahr die hier auf uns lauert, ist von einem Tannenzapfen erschlagen zu werden. Glaub mir, solche Pfade führen früher oder später immer auf den eigentlichen Weg zurück. Komm schon, es ist ein Abenteuer, Schatz.“
Robert grinst sie herausfordert an.
Auch nach fast dreizehn Jahren Ehe, kann Linda diesem Grinsen nicht widerstehen.
Sie gibt ihm einen Klaps auf den Po und huscht durch die Öffnung.
„Auf ins Abenteuer!“, ruft sie.
Robert lacht und stürmt hinterher.

Inmitten der hohen Tannen, ist es merklich kühler und vorallem dunkler. Ein paar Meter vor ihm, steht Linda mit den Kindern. Sie sehen auf etwas herab. 
„Schau mal Papi, was wir entdeckt haben“, sagen die beiden fast gleichzeitig, als er sie erreicht.
„Was ist das?“, will Linda wissen. Vor seinen Füßen ragt ein weißer Stein aus dem Boden. Er ist viereckig und eindeutig von Menschenhand bearbeitet worden. Ein Zeichen ist darauf, ein seltsam verschnörkeltes Symbol, ebenso ein Schriftzug:

- Iä! Shub-Niggurath -
Ziege mit den tausend Jungen

Robert kann mit den Worten nichts anfangen und zuckt mit den Schultern.
Linda sieht zu ihm auf. Er kennt diesen Blick, es ist ihr-das gefällt mir nicht-Blick.
„Sicher nur irgendein Wanderer mit ner Menge Zeit“, sagt er.
Ein äußerst Verwirrter, fügt Robert in Gedanken hinzu.
„Papa, komm schnell!“, ruft Anne.
Die Kinder sind schon wieder ein ganzes Stück weiter gerannt. Robert greift Lindas Hand.
„Also ich find's spannend“, sagt er augenzwinkernd.

Anne kniet vor einem weiteren Stein, ihr Bruder hält etwas in seinen kleinen Händen.
„Guck, das stand oben drauf.“
Der Junge reicht ihm eine kleine Steinfigur.
„Hässliches Ding!“
Er hat recht. Robert hat keine Ahnung, was er da in den Händen hält, aber es ist hässlich und abstoßend.
Es könnte ein Drachen mit einem Tintenfischkopf sein. Er reicht die Figur an seine Frau weiter, die es mit angewidertem Blick entgegen nimmt.
„Anne, geh mal ein Stück zur Seite.“
„Wart! Diesmal steht was anderes drauf.“
Sie räusperte sich.
„Komme hervor mit einem Tausend und mehr“, liest sie feierlich vor.
„Da hinten ist noch mal einer!“, schreit  Leon aufgeregt. „Komm Anne, wir untersuchen ihn!“
Robert und Linda folgen ihnen. In Lindas Stirn hat sich unterdessen eine tiefe Sorgenfalte gegraben.
-Ich finde wir sollten umkehren- kann Robert darin lesen.
Sie bleiben vor dem dritten Stein stehen.

- Wo die Steine gesetzt wurden sollst du Shub-Niggurath rufen -

Die beiden Kinder mutmaßen über den Hintergrund der Steine. Anne glaubt an eine Prophezeiung, Leon, dass sie zu einem Schatz führen.
Robert deutet in den Wald vor ihnen. „Ich glaub dort hinten, geht es wieder auf den Hauptweg. Siehst du die Lichtung, Schatz?“
Linda sieht nichts außer Wald, aber sie vertraut ihrem Mann.

Ein großer, schwarzer Stein thront in ihrer Mitte. Um den Stein herum haben die Bäume einen Kreis gebildet und somit die Lichtung geschaffen. Fasziniert steht die kleine Familie davor.
„Er ist warm.“ Leon hat seine Hände darauf gelegt.
„Lass das!“, sagt Linda und zieht sie weg.
„Er ist wirklich warm, Mama.“
Auch Anne hat jetzt beide Hände darauf gelegt, zieht sie aber gleich zurück, als sie den Blick ihrer Mutter sieht.
„Psst!“ Robert hält sich den Zeigefinger vor den Mund. Er hat etwas gehört.
Jetzt hören es auch die anderen. Leons Hand stiehlt sich in seine.
Ein Ast bricht. Blätter rascheln.
Robert sieht eine Bewegung zwischen den Bäumen. Etwas kommt.
„Hallo!“
Die vier zucken zusammen, Anne schreit kurz auf.
Ein Mann ist aus dem Dickicht, auf die Lichtung getreten.
„Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
„Schon gut, nichts passiert“, sagt Robert viel zu schnell, sein Lächeln ist gekünstelt, den auch er hat sich erschreckt.
„Wunderschön, nicht wahr?“ , sagt der Fremde. Er zeigt auf den schwarzen Stein.
„Äh ja, können Sie uns vielleicht sagen, ob dieser Pfad wieder auf den großen zurückführt?“
Die Augen des Fremden ruhen noch einen Moment auf dem Stein.
„Oh ja, komm selber von da, hab den Pfad nur kurz verlassen um auszutreten. Folgen Sie ihm noch etwa zwanzig Minuten, dann kreuzt er den Hauptweg.“
„Vielen Dank. Kommt Kinder, wir gehen weiter.“
Der Fremde sieht ihnen lächelt hinterher.
„Gruseliger Typ!“ sagt Linda.

Der Wald verändert sich. Die Tannen stehen dichter beieinander, kaum noch ein Busch wächst zwischen ihnen.
Robert schaut auf seine Uhr. Sie ist stehen geblieben.
Die Kinder sind jetzt ruhig. Sie halten sich an den Händen und sehen wie Hänsel und Gretel aus.
Nichts mehr übrig von ihrem Forscherdrang. Die Stimmung des Waldes hat sie ergriffen.
„Wir hätten die Kreuzung doch schon längst erreichen müssen.“
Linda ist wütend, doch Robert kennt seine Frau, weiß dass sich dahinter Unsicherheit und Angst verbergen.
Auch er hat mittlerweile ein ungutes Gefühl. Robert greift nach der Hand seiner Frau und zuckt zurück.
„Linda, warum hast du das Ding mitgenommen?“
Seine Frau sieht mit großen Augen auf die groteske Steinfigur in ihrer Hand.
„Ich, ich weiß nicht“, stottert sie.
„Papa?“
Anne zeigt auf einen weiteren Stein am Wegrand.

- Wandle auf der Erde, ein weiteres Mal -

Der Spruch klingt wie eine Drohung. Linda will die Figur loswerden und stellt sie auf den Stein am Wegrand. Sie passt genau in eine kleine Mulde darauf.
Wind kommt auf. Er zerzaust Lindas Haar. Der Wind ist warm. Wie der Atem eines Raubtiers.
Die vier rücken zusammen. Leon drückt seinen Kopf an Roberts Bauch, Anne hält die Hand ihrer Mutter.
Er spürt die Angst seiner Kinder, seiner Frau.
„Kommt, wir gehen weiter“, sagt Robert.
Mit jedem ihrer Schritte wird es dunkler.
„Wie kann es den so schnell dunkel werden?“
Er hört die aufkeimende Panik in Lindas Stimme. Leon schluchzt leise neben ihm.
Hinter ihnen knackt es im Wald. Äste brechen, Sträucher rascheln.
Ein Reh springt zwischen den Bäumen hervor.
Es landet auf der Seite, richtet sich wieder auf und verschwindet im Wald. Ein weiteres Reh rennt an ihnen vorbei. Ein paar Raben fliegen krähend aus einer der Tannen, sogar ein paar Hasen überholen sie.
Dann Stille.
Plötzlich fühlt sich Robert beobachtet. Auch Linda und die Kinder schauen sich ängstlich um.
Ein schmatzendes, ekelhaftes Geräusch hallt durch den Wald.
Wieder brechen Äste (oder sind es Bäume?).
„Wandle auf der Erde, ein weiteres Mal“, flüstert Anne.
Robert löst sich aus der Starre. „Kommt!“
Sie rennen jetzt. Robert muss Leon tragen. Er weint bitterlich.
Sie kommen nicht weit, Linda stolpert und reißt Anne mit.
Robert bleibt stehen, sieht nach Frau und Tochter.
Ein schwarzer Strahl schießt zwischen den Tannen hervor und legt sich um Lindas Fuß.
Lindas und Annes Schreie vermischen sich.
Das Schwarz um ihren Fuß dehnt sich aus, wandert nach oben und umschließt sie ganz, dringt in ihren Mund und erstickt ihre Schreie.
Leon fängt in seinem Armen an zu zucken. Weißer Schaum drängt aus seinem Mund.
Anne rennt an ihm vorbei, die Augen riesig, den Mund weit geöffnet.
Auch Robert rennt, panisch und orientierungslos. 
Er hat den Weg verloren, rennt zwischen den Tannen.
Er stößt mit der Schulter an einem Baum, dreht sich, rennt weiter.
Leon.
Er hat ihn fallen gelassen. Anne schreit von irgendwo.
Robert will zurück, zu spät.
Es hat seinen Sohn.
Leon verschwindet in der Schwärze.
Robert erstaart, als er es sieht.
Die Ziege mit den Tausend Jungen.
Ein schwarzer Sturm baut sich vor ihm auf.
Er kann Farben darin erkennen, Millionen von Farben.
Ein Auge erscheint, fixiert ihn kurz, zerfließt wieder und taucht wo anders auf.
Aus Roberts Mund quillt weißer Schaum.
Er fällt auf die Knie. Es umarmt ihn.
Schwarz.

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Kommentare zu diesem Text


 Dieter_Rotmund (12.11.11)
Mir ist da etwas zuviel direkte Rede, etwas zu viel familiär-betulich-redundanter Dilaog, Mama hier, Papa da. Wieso müssen da überhaupt Kinder dabei sein? Zum Schluß würde ich wesentlich unkonkreter sein, denn konkrete Beschreibungen sind der Tod jeden Gruselns...

 youngShadow meinte dazu am 12.11.11:
Danke für deinen Kommentar, Dieter.
Die Kinder sind eben dabei, und da sie recht jung sind, ist es für sie anfangs eben ein kleines Abenteuer, und sie sind aufgeregt, mama hier und papa da.
Das Wesen lässt zum Schluss, lässt sich nur erahnen.. falls man Lovecraft nicht kennt;)
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