Aktenzeichen

Satire zum Thema Bürokratie

von  KayGanahl

Herren, … Damen, - soweit niemand da ist, den ich jetzt durch diese Worte begrüßen müsste --- seien sie herzlich gegrüßt! Damen, Herren! Allesamt in allen Variationen von Persönlichkeit und Outfit. Guten Morgen, - denn ich vermute, dass diese Schrift heute Morgen noch von einem oder mehreren Richtern gelesen werden wird, so dass ich mich - ein Scherz! - ängstigen müsste.
Gegen 20 Uhr gestern Abend habe ich sie in den Nachtbriefkasten geworfen, vermutlich ist die Schrift noch nicht heiß geworden. Sie können sie dann zum Mittagessen zu sich nehmen. Jetzt schon „Guten Appetit!“!
Das würde bedeuten, dass sie sich
1. beeilt haben,
2. auch noch einen Nutzen davontragen, der köstlich ist: der Verzehr einer Klageschrift - für die Richterzunft ist wohl nichts Köstlicheres erhältlich.
Das nehme ich nicht nur an, sondern ich weiß es genau. Falls sich einige für Literatur interessieren, so werden sie mit dieser Schrift viel anfangen können.
Köstlicheres an Literatur ist nirgends zu bekommen!
Nunmehr dies: Ich liebe Sex. Doch, ehrlich. Ehrlich! Die körperliche Liebe ist mir viele Hemmungen wert, daher kann ich dem auszuübenden Sex auch so viel abgewinnen. Gehemmt zu sein, ist das Höchste für mich. Ich kann darauf stolz sein; ich möchte sagen, es ist das Höchste und das Schönste auf der ganzen Welt!
Niemand muss jetzt darüber überrascht sein, denn es ist wie es ist. Sex liebe ich über alles!
Das sage ich Ihnen, meine Damen und Herren Richter, doch auch Ihnen - Damen und Herren Staatsanwälte etc., also jedem, der diese Zeilen meiner „Klageschrift“ bis jetzt heruntergelesen hat, ohne allzu gelangweilt aufblicken zu müssen.

Mein Mandant, dies möchten sie bitte bitte für die reine Wahrheit nehmen, liebt Sex sogar noch viel mehr als ich, sein Rechtsanwalt. Dass er seine Ehefrau wegen zu viel Sexpraxis arg geschlagen haben soll, das ist eine üble Lüge. Nicht ein einziges Mal machte er ihr auch nur einen Vorwurf! Und so ist er eigentlich derjenige, der das Opfer ist. Also klagt er, nicht sie. Gegen ihre permanenten vorwurfsvollen, vor aller Öffentlichkeit Preis gegebenen peinlichen Äußerungen aus dem Intimbereich muss er sich fortan verwahren.
Klage ist hiermit geboten. Seine Ehefrau wird hier und jetzt der Verleumdung angeklagt.
Das ist es noch nicht. - Die Wahrheit ist des Weiteren: - immer wollte er auf sie drauf, doch sie, sie zierte sich und hatte viele Ausreden! Sie wollte eben nicht viel Sex haben. Jetzt verleumdet die Beklagte unentwegt meinen Mandanten insofern, als sie behauptet, er sei der, der sie nicht bespringen wollte. Unsinn! Unsinn! Sie war die frigide Person.
Das ist es immer noch nicht. Ich heiße sie, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Leserinnen und Leser, endlich auch der Form nach zu meiner Schrift willkommen - (man hat mich zur Abfassung dieser Schrift aufgefordert, weil es nötig sei, eine solche zur Darlegung der Klage zu verfassen), sie soll ja auch offensichtlich eine

Klageschrift

sein.

Sie, meine Damen, meine Herren, (dazu lade ich jeden, der sie liest, namens und im Auftrag meines Mandanten ein) können durchaus unparteiisch Seite für Seite lesen. Es soll nicht ihr Schaden sein, weder privat noch beruflich! Jede Form der Objektivität ist höchst gefragt. Fast wäre ich versucht, einen Bonus für Objektivität zu geben, wenn es denn irgend möglich wäre.
Einer Verfolgung von Seiten meiner Mandantschaft werden sie gewiss nicht ausgesetzt sein. Das hat sie mir versprochen. Jeden Ansatz von Verfolgen melden sie mir bitte. Dann werde ich mich sofort mit meinem Mandanten darüber informell austauschen und an die Verpflichtung gegenüber dem Gericht erinnern. Wie sie diesen Sätzen entnehmen können, handelt es sich um eine vor dem Gericht abgelegte schriftliche Verpflichtung in Form einer schriftlichen Erklärung.
Hier oben Gesagtes nehmen sie bitte zur Kenntnis, oder besser noch mehr als das.

Verehrte/r Frau/Herr Richter, ... sie können diese Schrift lesen und zwecks Urteilsfindung eingehend berücksichtigen, denn meine Darlegungen sind entsprechend meiner Rechtsposition zur Verteidigung meines Mandanten sehr sinnvoll, in ihnen wird sehr gut dargelegt, wie sehr mein Mandant gelitten hat und warum er von seiner Frau unbedingt geschieden werden muss.
Das müssen alle, die mit dieser Sache befasst werden, jetzt denken! Sie müssen es, daran führt kein Weg vorbei! Jetzt und immerdar - denken, feststehend. Jedermann muss das alles so einsehen, wie ich es sehe und einsehe. Die Schuld liegt eindeutig auf der Seite der Gegenpartei. Es darf keinen einzigen Zweifel in dieser Hinsicht geben.
Seit dem X.XX.XXXX sind mein Mandant Herr Karl Karl und Frau Erna Karl, geborene Schallhuber, verheiratet und haben seither Haus und Hof ehelich geteilt. Er wollte immer wieder viel Sex zum Genusse, sie jedoch, ein wenig frigide, wehrte oft Versuche der sexuellen Annäherung ab. Verleumdungen seitens ihrer Wenigkeit sind somit als besonders idiotisch zu werten. Dazu möchte ich meinen Mandanten wie folgt zitieren: „Diese Stunden der gemeinsamen Sexhappenings kann ich nicht immer ertragen. Sie nimmt mich wohl ausschließlich im Kopf ihrer Vorstellungen,  was mir nicht reichen kann. Unerträglich diese Frigidität!”

Wenn einer Schuld trägt, so ist sie es.



Kay Ganahl
Copyright by Kay Ganahl.
All rights reserved.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram