Zum Verstehen einer Welt mit Herrschaftsbeziehungen

Essay zum Thema Gesellschaftskritik

von  KayGanahl

A. Die Oberfläche des Tatsächlichen

Nicht nur der deutsche Philosoph Ernst Bloch, verschiedene Sozialphilosophen sowie einige andere Denker und Wissenschaftler aus dem Kreis der Vertreter der Kritischen Theorie/ Frankfurter Schule haben die Herrschaftsbeziehungen in der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung, besser gesagt Gesellschaftsordnungen in Europa und der Welt äußerst kritisch bis ablehnend gesehen.
Gehen wir nunmehr sehr kritisch mit den wissenschaftlichen Begriffen Herrschaft und Macht um, so dass wir erkennen können, was sie in Wahrheit bedeuten - dem wir uns als intelligente Zeitgenossen, dem Humanismus und der Zivilgesellschaft verpflichtet, nach dem Studium der entsprechenden Werke durchaus anschließen müssen: wer bzw. was die Herrschaft ausübt in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, der ist an den verschiedensten Erscheinungen der Veränderung (oder auch Wandlung) als den gesellschaftlichen Bewegungen an der Oberfläche des Tatsächlichen(d. h. soziales Verhalten, das Geschehen in jeder Hinsicht, Ereignisse, Handeln etc. ) interessiert. Dies wird dann auch allzu gern positiv beleuchtet und herausgestellt, was infolge dessen eventuell mit einigem Erfolg für die Stabilisierung der gegebenen Herrschaftsbeziehungen (sozialen, politischen, wirtschaftlichen etc.) nutzbar gemacht wird.
Man verhält sich jedoch als „normaler“ Bürger zu dieser Oberfläche des Tatsächlichen derart, als würde gerade dies offen oder halb verdeckt, mit etwas Kritik versehen, mehr oder weniger befürwortet, um damit gegenüber der Öffentlichkeit guten Willen im Sinne des Denkens in Kategorien der gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Moderne und des Speed Of Time, die sich gesamtgesellschaftlich einer großen Anerkennung erfreuen, zu beweisen.

Aber, es sei gesagt, wir wissen um die moderne Welt des Hier und Jetzt mit all den komplexen Herrschaftsbeziehungen in den Bereichen Mensch und Organisation, kennen mittlerweile durchaus den modernen Menschen mit seinen Eigenschaften und Bedürfnissen, zumal seinen Fähigkeiten. Eben das könnten die Gedanken eines konservativen Menschen und Politikers und Philosophen sein, der dies alles einer von Medien dominierten Öffentlichkeit vor die Füße geworfen hat, einer Öffentlichkeit mit dem Hang zur mehr oder weniger ausgefeilten Kritikfähigkeit. Hingegen weiß wirklich nur das menschliche Individuum selbst, der Einzelne inmitten seiner subjektiv wahrgenommenen Wirklichkeit als Weltlichkeit, die er beherrschen will, viel von sich.
Er ist es nämlich, der nach wie vor, und wer weiß wie lange noch, möglichst ein sich selbst Schaffender sein will, was prinzipiell ein ungeheuer hohes individuelles Ziel ist. Und er sollte angesichts dessen nicht nur die Veränderung bzw. Wandlung als gesellschaftliche Bewegung an der Oberfläche der Gesellschaft wahrnehmen, sondern auch und im Besonderen das, was sich unterhalb der Oberfläche begibt. Die perzipierte Oberflächenbewegung der Wandlung ist einfach (am einfachsten!) wahrnehmbar, aber es ist dies tatsächlich noch keine, denn die wahrhaftige Wandlung mit substanzieller Tiefenwirkung findet stets unterhalb statt.

B. Die Wandlung an sich

Nur im Unterhalb dessen, was wir oberflächlich wahrnehmen, kann wahrhaftiges Sein sein – und wenn es noch nicht sein sollte, so doch noch werden - und wir können als Einzelne, die es wahrgenommen haben, in vollem Bewusstsein auf dieses zugehen und denken sowie auf dieses positiv oder negativ reagieren. Unsere Welt, diese Welt der Oberfläche ist bloß eine der Erscheinungen, weshalb die Wege, die unterhalb dieser Welt der Erscheinungen laufen, am wichtigsten für das Verstehen, Begreifen all der tatsächlich möglichen Wandlungen, welche uns über unsere Grenzen als soziale Wesen hinausführen können, sind.
Mensch bleibt nicht Mensch; das menschliche Individuum ist im Rahmen seiner Gattung, doch auch individuell, die Wandlung an sich! Nichts wandelt sich im Laufe der Erd- und Menschheitsgeschichte mehr und zuverlässiger als der Mensch als Einzelner, die Menschheit als Gattung, die sie selbst ist. Nur sie ist ganz umfassend und völlig unbestreitbar sie selbst in einem enorm großen Entwicklungspotenzial, jedoch auch einem Vernichtungspotenzial (bzw. Selbstvernichtungspotenzial). Dieser Wandlung als Einzelner und Gattungswesen muss sich der Mensch allerdings erst noch voll bewusst werden, um sie sich zunutze machen zu können, denn er selbst ist als Gesellschaftswesen zum Handeln, besonders zum politischen Handeln aufgefordert.

C. Bloch

Ernst Bloch hat in seinem philosophischen Werk dem Denken Aufmerksamkeit gewidmet, dem der Alltagsmensch mit seinen Problemen, in denen er durchaus gefangen ist, kaum oder keine Aufmerksamkeit zu widmen imstande ist.
Für Bloch ist das Nach-Denken über den modernen Menschen als eines sozialisierten Einzelnen vor allem ein Hineinstoßen in die psychischen Tiefen, in die materiellen Nöte, die seelischen Verhängnisse eines solchen Menschen, dessen zu lebendes Alltagsleben vom problematischen sozialen und wirtschaftlichen Mitmachen-Müssen verdeckt wird.
Bloch als Philosoph, als denkender Mit-Mensch gerät dabei nie in die Gefahr, selbst der Oberflächlichkeit zu erliegen. Der Einzelne muss sich um seine materiellen Güter sorgen, - kann dabei sein singuläres Dasein, das ihm in der Moderne der eindimensionalen Vielfalt in der postindustriellen Gesellschaft mit ihren politischen Einseitigkeiten eine Last ist, mit Reflexionen bedenken. Die konkreten, einzwängenden Lebensbedingungen und ihre Entstehung dürfen dabei nicht fehlen.


Kay Ganahl
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