Die Schwere der neuen Zeit - ein Zwiegespräch

Dialog zum Thema Alles und Nichts...

von  fritz

Alles stürzt ein auf mich!

Was stürzt ein?

Bücher, Bibliotheken, Orte, Möglichkeiten
Menschen, Gedanken, Themen, Interessen
Und schließlich Ichs

Was stört es dich?

Wie fragst du das?

Lass dich doch treiben
Du kannst es dir leisten!

Ich will es mir nicht leisten können,
zu viel geht mir dabei verloren…

Was denn?

Die einfache Möglichkeit,
mich etwas ganz Klarem bewusst zu widmen
Die einfache Fähigkeit,
zu der aktuellen Zeit am aktuellen Ort ganz und gar zu sein

Bist du nicht hier und jetzt - da?

Doch, aber verstehst du nicht?
Ich suche Sammlung von allem, Raffung, Klärung
Ich möchte, dass sich mir etwas auf die Augen setzt,
die Dinge klar zu sehen.
Alle ganz für sich und klar.

Schränkt dich das nicht ein?

Und das grad eben, tut‘s dem nicht gleich?
Tausend Räume und Zeiten um mich
Etliche Bücher, unendlich Musik
Menschen, Stimmen, und schließlich Dinge,
um meine unendliche Zeit zu verbringen

Du suchst die Einsamkeit!

Vielleicht, und wär’s schlimm?

Nicht schlimm ist in diesem Fall,
wonach dein Innerstes verlangt.

Ich war in Einsamkeit, doch wohl zu kurz
Die Gunst des Moments, da er kommt, wie bestellt,
zu nutzen, ist wohl nicht leicht.
Und schlimmer noch sind wir’s nicht gewohnt.

Willst du denn Jahre in Einsamkeit verbringen?

Was kann dies zu tun mir den Weg versperren…

Angst?

Wovor?

Keiner da, ihm zu sagen, was du denkst und fühlst

Ein Blatt Papier tut ihm zur Not wohl gleich

Ein Blatt Papier spricht selbst keine Worte

Und doch eine Stimme von mir liegt ihm auf
Und spricht, was vielleicht ich selbst noch nicht kannte.

Du unterschätzt die Geborgenheit eines Gesichts.

Ich hätte gern alle bei mir! Nur mehr Ruhe…

Nun: wenn alle Menschen sprechen, ist’s laut

Doch sag, warum sprechen wir so viel?

Weil jeder stets etwas zu sagen hat

Und doch so oft sagt niemand was, obgleich er redet

Die meisten werden nur gern gehört

Und ihnen reicht’s?

So scheint’s zu sein

Und warum hetzen die Menschen so sehr?

Ein jeder will etwas, und alles zugleich
Und viele ängstigt, ihr Ziel zu verpassen
oder die Zeit nicht für alles zu haben

Doch sag, wer stellt uns die Dinge vor’s Haupt
sie schnell zu verfolgen, kritiklos zu wollen?

Wie kommst du darauf, es sei ein andrer
als eben der, der beständig da rennt?
Meinst du, er hält sich ein Bild vor die Nase
das, kaum, dass er losgeht, beginnt, ihm zu fliehen?

Die Bilder sind da, gemalt und gestaltet
in lockenden Farben, schrill, doch bequem
Liegen auf Straßen, gegriffen zu werden
und doch jene Hand, die geblendet sie greift
und vor sich erhebt das göttliche Bild
ist nur die des einzelnen, wollenden Menschen
er selbst greift danach, kein andrer für ihn
und auch er allein vermag’s zu zerschmettern.

Und wissen sie’s wohl, dass es ihnen nur schadet?

Woher willst du wissen, dass dem so ist?

Es scheint mir ganz klar, sie laufen umher,
getrieben von Wünschen, die nie sie erreichen
sie lassen sich heilen, mit ihren Problemen
auf Knien ergeben sie sich dem System
als sei es ein Tier, sie vor ihm die Beute
die lebend nur ist, solange sie schweigt.
Und oben, von Elfenbeintafeln lesend
erzählen die Herren des weisen Betriebs
von großen Problemen und Sorgen der Zeit
ein jeder erkennt sich in dem, was er denkt
Und doch führt’s zu nichts, und ich frage: warum?
was hält unser Wissen im armlosen Körper?
sind vom eigenen Weihrauch die Beine der Elfen
zu gelblich umnebelt, um vorwärts zu gehen?
was hindert uns an der Kritik des Ganzen?

Das Ganze selbst, seine Permanenz
Wir können nicht auf Pause schalten
um zu reformieren und neu zu starten
wir sind immer drin und kommen nicht raus
es scheint ein unendlich sich feiernder Graus.

Ich seh’s ja an mir, dass mir trotz allem Wider
kein Austritt vergönnt ist, der nachhaltig bleibt
Wie Inseln, die all ihre Brücken erhalten
genieß ich die Auszeit dem Urlaube gleich
Der scheint nur genießbar, mit Blick auf die Brücke
sie wegzubrechen fehlt mir wohl der Mut
und schließlich der Wunsch, mit andren zu sein

Der Einsamkeit Kälte schreckt dich wohl zurecht!

Und wär’s ja zudem bloße Flucht dem System
So ändert man nichts!
wie aber dann?
Erwartest du ernsthaft Antwort von mir?

Nein, doch gestatte, die Frage zu stellen
als Ausdruck des Brodelns, im Innern der Seele
untätige Wut, die sich kreischend erstreckt,
mit Armen, die stets ins Leere greifen.

Doch pflanzen sie Bäume, beständig zu reifen
das scheint mir der einzige Rest Utopie:
dass zwischen den Inseln das hindernde Wasser
in Land sich verwandelt und drunter die Brücken
wie Leichen da liegen, mit Gräbern, zu sehen
woher man gekommen, dann besser zu wissen,
wo schließlich man ist, und wohin es geht.

Dass also am Ende nur Inseln noch sind
die aber ein Festland zusammen ergeben?

So ist die Idee, doch ist sie wohl zäh
sie fordert Geduld und den langen Blick
sie ist nicht zu packen mit brodelnder Wut
denn Wut will nur greifen den bloßen Moment
ihn formen, zerdrücken, werfen und pressen
sie ist nicht bedacht auf das, was dann folgt
So ist ihr Danach naiv wie ein Kind
lose und kurz schwebt’s im sprudelnden Himmel
der unter sich Erde und Menschen nicht kennt

Doch sag mir, wohin dann mit all meiner Wut?

Hinein in’s Gedicht, auf das Bild, ins Theater!
so wie es hier grad im Momente geschieht
Ich bin nur die Puppe, die sorgsam du führst
und sieh! augenblicklich schon bin ich nicht hier.

So ist’s wohl geschehen - gekommen, zu gehen.
Und doch für den Blitz eines einz’gen Moments
lichtet sich mir, wenn’s scheint auch nicht viel
mein Innen gar wohl in ein Außen hinein.


Anmerkung von fritz:

Eigentlich ist es ein Text zu den Themen "Moderne", "Ich und die Welt", "Individuum und Gesellschaft", "Innenwelt und Außenwelt", aber diese Themen sind hier leider nicht vorgegeben.

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Kommentare zu diesem Text

Mahisha (69)
(16.12.11)
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 fritz meinte dazu am 17.12.11:
Vielen Dank! Woher ich "diese Lebenstiefe" habe? Hm..., ich denke, durch Interesse und intensive Aufmerksamkeit für mein Inneres, sowie Gesellschaft und Welt, alles hin und wiedr in Form "existenzialistischer Konfrontation", und natürlich durch's Studium. Es wurde ja alles schon gesagt, nun gilt's, die Dinge für unsere Zeit fruchtbar zu machen. Und wenn ich die Möglichkeit habe, etwas zu verbessern ("die Welt mit zu retten"), dann tu ich's gern! (:
Franzmann (29)
(21.12.11)
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 fritz antwortete darauf am 22.12.11:
Besten Dank! Freut mich, dass der Text Identifikation ermöglicht. Genau - jemand redet mit sich und der Welt, denn die Welt ist im Ich und das Ich in der Welt, es geht um den "Ort" der Verbindung beider, der vielleicht gar ein utopischer, also ein Nicht-Ort ist.
Das "Ichs" ist so gemeint - es geht um die vielen Selbstentwürfe, die mal weniger, mal mehr ein kohärentes Bild ergeben. Man kann es denk ich auch als analog zu der Ich-Metapher des in viele Teile zerbrochenen Spiegels bei Hesses "Steppenwolf" lesen.
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