Riechen und riechen lassen

Glosse zum Thema Genuß

von  loslosch

Malo, quam bene olere, nihil olere (Martial, 40 n. Chr. bis ~103 n. Chr.; Epigrammata). Ich will lieber nach gar nichts riechen als gut riechen.

Riechen im Sinne von Geruch verbreiten. Martial hatte das Epigramm - wie modern! - auf die parfümierten Herren gemünzt. Es müssen demnach phasenweise und schichtspezifisch schon in der Antike barocke Verhältnisse geherrscht haben. Wohl eine alte Erkenntnis, dass steter Gebrauch von Duftstoffen den Geruchssinn der Nutzer trübt mit der für die nicht oder maßvoll Pafümierenden fatalen Folge, dass sie das intensive Auftragen von Duftstoffen und -wässerchen Anderer olfaktorisch zu erdulden haben.

Martial dürfte der Zusammenhang klar gewesen sein, wie auch aus einer anderen Wendung deutlich wird: Non bene olet, qui bene semper olet. Wer immer guten Duft verbreitet, verbreitet keinen guten Duft. Er hat ja selbst keinen tauglichen Geruchssinn und drangsaliert (unbewusst?) die moderaten Nutzer von Parfüm. Er riecht nicht gut, und zwar im doppelten Sinne: Er hat keinen guten Geruchssinn und er verbreitet keinen guten Geruch.

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Kommentare zu diesem Text


 Bergmann (12.01.12)
Der Satz Martials ist nicht gut genug durchdacht... Ich erinnere an Süskinds großartigen Roman "Das Parfum".
Der fehlende Eigengeruch deutet auf das Fehlen von Individualität (Individuation) hin und bietet eine Parallele zu Adelbert von Chamissos Märchenerzählung "Peter Schlemihls wundersame Geschichte", in der die Titelfigur seinen Schatten an den Teufel verkauft und dann ebenfalls nicht geachtet, sondern gemieden wird. ...

 loslosch meinte dazu am 12.01.12:
ich lese martials satz als vergleich ("... lieber als ...") und das zitat im text als psychologisierende aussage. nach gar nichts riechen ist ein ding der unmöglichkeit, was sicher auch martial gewusst hat. wer ständig "dick aufträgt", beschädigt seinen geruchssinn mit einer spiralwirkung nach oben. wenn die umgebung, wie die parfümierten herren damals, ähnlich dick aufträgt, fehlt die "soziale kontrolle". die schraube dreht sich weiter. eine kleine abhilfe schafft der häufige wechsel der benutzten marke, um den geruchssinn immer wieder neu zu fordern und zu fördern.

tja, ich könnte noch viel mehr dazu sagen, lieber uli ... t.t. lothar

 Bergmann antwortete darauf am 12.01.12:
Ich auch, aber es ist schon genug gesagt. t. t. Ulius

 Emotionsbündel (12.01.12)
.

Hallo Lothar,

wie gut man jemanden riechen kann, hängt sicher auch von Körperpflege und dem stilvollen Umgang von Duftwässerchen ab.
Ein außer Kontrolle geratener Körpergeruch oder übertriebener Parfümkonsum (hier ist weniger mehr und ein Wechsel der Düfte ist sinnvoll) trifft eher auf Feindseligkeit der Mitmenschen und lässt einen zum Außenseiter werden.

"Muss die/der stinken, dass sie/er so gut riecht", mag dagegen wohl noch aus der Zeit kommen, da als Ersatz für das Waschen mit Wasser, Puder für die Haare und Parfüm für den Körper verwendet wurde.

Mit lieben Grüßen hinterließ ich gerne (m)eine Duftmarke,
Judith

 loslosch schrieb daraufhin am 12.01.12:
liebe judith,

dein hinweis auf den wechsel der düfte schmeckt der werbebranche sicher nicht, die immer ein bestimmtes produkt bewirbt, aber er trifft ins schwarze (siehe kommentar oben). das zitat mag aus einer alten zeit (barock z.b.) kommen, aber es hat seine gültigkeit nicht verloren, wenn auch das anspielen aufs "stinken" heute (meist) deplaziert ist. es handelt sich bei den betroffenen nämlich um solche mit maximalem "reinheitsgebot". war ich deutlich genug?

lothar, der diese "duftmarke" gern gelesen hat

 Lluviagata (12.01.12)
Und wie ist das mit dem Revier? Mit dem Revier markieren?
Also muss man doch schon irgendwie riechen können. Nach etwas und den anderen ...
Empfehlenswerte Information(en)!

 loslosch äußerte darauf am 12.01.12:
das sind jetzt die niederungen der gerüche ... lo

 Lluviagata ergänzte dazu am 12.01.12:
Achja? Und was ist mit den barocken Gerüchen? Nur weil sie im Brokat gestunken haben, sind sie nicht nieder? Stimmt, sie haben nicht markiert, sie waren nur zu fein zum Baden. Jeder als nieder bezeichnete Schweinebauer hat besser gerochen ....
(Antwort korrigiert am 12.01.2012)

 loslosch meinte dazu am 12.01.12:
ich fand grade beim googeln, dass die herrschaften doch reinlicher waren als das gemeine volk. da es vor 350 jahren kaum öff. toiletten gab, war unterwegs immer echt was los ...

 EkkehartMittelberg (12.01.12)
Du erwähnst das Barock. Kaum vorstellbar, wie es damals selbst in den
Palästen gestunken hat, bis Leibniz die Serenissimi zu den Vorzügen des
Waschens überreden konnte.

Martial hat sich geirrt: Niemand kann nach gar nichts riechen. Es kommt
auf
die feine Nase an."
Ekki

 loslosch meinte dazu am 12.01.12:
vermutlich hat sich martial nicht geirrt. siehe oben, erster kommi.

im barock muss es grauenhaft zugegangen sein. cremeschicht auf cremeschicht, so hieß es zu meiner schulzeit. die historiker sehen das inzwischen differenzierter. es gab doch einen franz. könig, der sein kabinett auf dem thrönchen (abort) empfing. ich habs nicht gefunden. t.t. lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.01.12:
Ich denke, dass Martial den Wunsch, nach gar nichts zu riechen, nicht metaphorisch gemeint hat wie Süskind. Der Irrtum liegt in dem Wunsch.
magenta (65)
(12.01.12)
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 loslosch meinte dazu am 12.01.12:
ein kenntnisreicher kommi.

boah, waren die "klassiker" urig. da ist was dran. es kann sogar ad personam schwankend sein. manchmal findet man seinen eigenen schweiß ekelerregend, gelegentlich aber auch nahezu angenehm. merci, heidrun
lothar
Gruszka (62)
(12.01.12)
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 loslosch meinte dazu am 12.01.12:
es fehlt noch eine abhandlung über den moschusochsenduft, liebe irene! lothar
Graeculus (69)
(10.10.16)
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 loslosch meinte dazu am 10.10.16:
solches ist mehr wert als ein spurloser lobklick.
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