Urlaubsfreuden. Hier: Ankunft.

Erzählung zum Thema Urlaub/ Ferien

von  Orion

„Bitte bleiben Sie angeschnallt, bis die Maschine zum Stillstand gekommen ist.“ Es ist überstanden. Vergessen sind die auf die Durchsage: „Bitte nehmen Sie Ihre Sitzplätze ein und bleiben Sie angeschnallt! Wir durchfliegen jetzt einige Turbulenzen!“ folgenden Ängste und Brechorgien, die qualvollen Versuche des Flugkapitäns, witzig zu sein: „Servus auf’m Airbus!“, vergessen sind auch die verstopften Toiletten und Thromboseattacken.
Den turbulenten Reiseauftakt noch in den Knochen steigen wir unter der –wie erwünscht- sengenden Sonne der Ferieninsel Fortivovanosa die wackelige Treppe in Richtung des Flughafenbetons hinab. Nur noch wenige Stufen sind zu meistern, da ertönt aus Richtung der Flugzeugtür lautes Geschrei. Nach kurzer Zeit ergeben die ausgestoßenen Flüche und Beschimpfungen ein präzises Bild der Lage.
Eine ältere Dame im Rollstuhl sieht ihre Rechte als Mensch und Passagierin dieser Airline verletzt, weil sie durch das Flugpersonal gezwungen werden soll, die Maschine als Letzte zu verlassen. Erstens ist das ganz klar eine Diffamierung von Menschen bzw. Frauen mit Handicap und zweitens hat sie, wie alle anderen Passagiere, für den Flug bezahlt und drittens geht das ja schließlich alles von ihrem Urlaub ab und das nimmt sie nicht hin.
Der taktische Einsatz ihrer Handtasche als Schlagwaffe konnte sie zwar bisher davor bewahren, wieder in das Flugzeug zurückgeholt zu werden, verursachte aber bei den attackierten Airline-Mitarbeitern nach mehreren gut platzierten Treffern einen radikalen Meinungsumschwung: Johlend wünschen die ihr jetzt eine „gute Reise!“
Durch nichts mehr aufgehalten, rast die Dame im Rollstuhl triumphierend über die stöhnenden Leiber der niedergewalzten Passagiere hinweg die Flugzeugtreppe hinab und es gelingt ihr, schnell ins Flughafengebäude zu entkommen. Um eine interessante Erfahrung reicher, rappeln wir uns mühsam wieder auf.

Die Gepäckausgabe! Ein Ort mühsam unterdrückter Anspannung und Verlustängste. Meine Tochter Heidi leitet uns an das richtige Band: “Hier ist unsere Flugnummer. Flug 4812 aus Gumpensund.“ Sie zeigt auf die Leuchtanzeige über dem sich noch nicht bewegenden Gepäckband.
Zwischenzeitlich haben sich alle Passagiere des Fluges 4812 aus Gumpensund in Dreierreihen um das immer noch stillstehende Gepäckausgabeband aufgestellt. Jeder wirkt betont locker und entspannt, lediglich die Dame im Rollstuhl, der es offenbar trotz des Handtascheneinsatzes nicht gelungen ist, sich in die erste Reihe durchzukämpfen, steht unbeachtet und grollend auf einem strategisch sehr schlechten Platz.
Die Leuchtanzeige erlischt, eine unverständliche, verzerrte, von Pfeifgeräuschen überlagerte und extrem widerhallende Ansage in der Sprache des Ferienlandes ertönt, verursacht aber erwartungsgemäß keine Reaktion bei den Wartenden am ruhenden Transportband.
Kurze Zeit später wird die Ansage in gleich schlechter Tonqualität wiederholt, der Durchsagende spricht allerdings jetzt lauter, schneller und verzweifelter. Gemurmel und Unruhe machen sich breit.
„Da, da draußen!“ schreit plötzlich ein kleines Mädchen am Fenster der Gepäckausgabehalle. „Das ist doch mein bunter Trolley. Und mein Dubbi fällt gerade raus. Mama … Dubbiiiiiii …!“
Auf dem Flugfeld vor der Halle wird ein bizarres Schauspiel geboten. Der kleine Gepäckwagenzug mit den Koffern aus unserem Flugzeug wurde offensichtlich von als Clowns verkleideten Männern mit der Absicht, ihn zu entführen, gekapert. Das scheint aber gründlich missglückt zu sein, denn mehrere andere Gepäckwagenzüge, beladen mit grimmig aussehenden, fäusteschwingenden Flughafen-Mitarbeitern, haben die Verfolgung aufgenommen und treiben den entführten Gepäckzug mit unseren Koffern gezielt wieder in Richtung Einfahrt zur Gepäckausgabe.
Viele Koffer sind bei der wilden Jagd aus den Wagen gefallen und von den Verfolgerfahrzeugen überrollt worden mit der Folge, dass der einstmals saubere und liebevoll geordnete Inhalt nun verdreckt, zerstört und unbrauchbar auf dem Flughafengelände liegt.
„Mein Gott, der arme Dubbi!“ höre ich meine Ehefrau seufzen, Heidi weint still.
Ein verzweifeltes und letztendlich scheiterndes Fahrmanöver der fliehenden Clowns setzt der Hetzjagd ein abruptes Ende. Erschrocken halten Mütter ihren Kindern die Augen zu, als die aufgepeitschten Flughafen-Mitarbeiter schreiend über die lustig verkleideten Entführer herfallen.
Einige Zeit später wird die Leuchtanzeige wieder eingeschaltet und das Gepäckband für den Flug 4812 aus Gumpensund läuft an, begleitet von einer unverständlichen Durchsage in gewohnt schlechter Tonqualität. Obwohl die Flughafen-Mitarbeiter in dieser kurzen Zeit sicherlich ihr Bestes beim Zusammensuchen und Wiederherstellen des Gepäcks gegeben haben, kommt es zu erschütternden Szenen beim Erkennen des eigenen Koffers bzw. dessen, worin sich das in der Heimat so sorgsam bearbeitete Gepäck verwandelt hat.
Für immer wird mir in Erinnerung bleiben, wie ein völlig verzweifelter Vater, angetrieben von der nicht minder verzweifelten Mutter, mit Hilfe von schwarzem Isolierband mehrere nicht identifizierbare flauschige Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen versucht, während seine kleine Tochter unter Tränen immer wieder nur „Dubbi, mein armer Dubbi“ schreit.
Als wir die Gepäckausgabehalle mit unserem durch eine glückliche Fügung unversehrt gebliebenen Gepäck verlassen wollen, nähert sich uns mit irrlichterndem Blick eine junge Frau.
„Gebt mir sofort meine Koffer wieder, ihr Verbrecher!“ Mit diesen Worten wirft sie sich auf unseren Gepäckwagen, umklammert den Koffer mit dem roten Band und versucht, ihn fortzuzerren, was ihr aufgrund seines Gewichtes aber nicht auf Anhieb gelingt und mir Zeit zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen gibt.
„Liebe Frau, das hier ist nicht Ihr Koffer. Er gehört uns! Sehen Sie, es steht sogar unser Name auf dem Adressanhänger!“
Während die an diesen Informationen nicht interessierte junge Frau weiterhin schnaufend mit unserem Koffer beschäftigt ist, sehe ich aus den Augenwinkeln ein älteres Paar begehrlich auf unser unversehrtes Gepäck starren.
Das reicht jetzt! Mit aller Kraft reiße ich den Gepäckwagen herum und fliehe in Richtung Ausgang. Die junge Frau wird durch dieses Manöver überrascht und stürzt keifend auf den gefliesten Boden, genau vor die Füße des „Die klauen unser Gepäck!“ schreienden, auf uns zustürmenden älteren Paares.
Noch lange die nicht enden wollenden Schmerzensschreie des sich am Boden wälzenden Menschenknäuels im Ohr verlassen wir eilig die Gepäckausgabehalle.   
 
Kurz darauf stehen wir im Büro der Autovermietung und meine Frau Lea sucht in Ihrer geräumigen Handtasche den Vertrag für unseren Mietwagen. „Ich habe ihn doch eingepackt! Das weiß ich ganz genau!“
Drei sehr beschäftigt wirkende und telefonierende Personen stellen das Personal in dem kleinen Raum dar. Ab und zu wedeln Sie mit DinA4-Blättern, die sie während des Telefonates in der Hand halten. Glücklicherweise werden wir nicht beachtet.
Ich versuche zu beruhigen: „Ach Lea, such einfach in Ruhe. Irgendwo wird er schon sein.“
„Ich habe schon alles durchgesucht. Bestimmt habe ich ihn verloren. Was machen wir denn nun? Wir haben doch schon bezahlt! Jetzt ist das schöne Geld futsch. Ich könnte heulen!“
Da hat sie recht. 
Plötzlich fällt dem jungen Mann links vorn im Büro der Hörer aus der Hand, sein Kopf ruckt in die Höhe, offensichtlich das Ende eines Sekundenschlafes. Ich nutze den kurzen Augenblick seiner Verwirrung für ein deutliches „Olla!“ in seine Richtung.
Die hämischen Blicke seiner Mitarbeiter sprechen Bände. Verärgert steht der junge Mann auf und starrt mich wortlos an.
„Wir haben bei Ihnen einen Wagen gemietet. Über das Internet. In Deutschland. Auf den Namen Hallmann. “
„Haben Sie den Vertrag dabei, Senior?“
Lea schluchzt laut auf: „Nein, den habe ich verloren. Es tut mir leid … ich weiß auch nicht mehr …“ (Schluchz)
„Ist doch kein Problem, Frau Hallmann! Ich sehe einfach mal im Computer nach.“ (Tipp, Tipp, Tipp …)
„Ah, da haben wir den Vorgang. Der Vertrag wird noch einmal ausgedruckt, (kleine wortlose Wartezeit), Sie unterschreiben bitte hier und hier und … hier, dies ist Ihr Wagenschlüssel. Gute Fahrt und einen schönen Aufenthalt auf Fortivovanosa, Familie Hallmann.“
Kopfschüttelnd trotten wir in Richtung der Mietwagenparkplätze davon. Irgendwie lief das zu glatt.

Der Mietwagen bietet trotz intensiver Untersuchung keinerlei Grund zur Beanstandung. Der Tank ist voll, die Polster sauber, keinerlei Beulen, Kratzer oder profillose Reifen.
„Fortivovanosa, wir kommen!“ Mit schnurrendem Motor fahren wir los und suchen augenblicklich die Parkplatzausfahrt.
So wie es sich darstellt, sind die umfangreichen Baumaßnahmen im Umfeld des Flughafens zwar schon weit fortgeschritten, aber noch nicht komplett fertiggestellt. Speziell die Beschilderung ist überarbeitungsbedürftig. Nachdem ich mehreren in Richtung Inselhauptstadt weisenden Schildern gefolgt bin und wir letztlich immer wieder auf dem Mietwagenparkplatz gelandet sind, werden die Kommentare von Frau und Tochter insoweit ungerecht, als sie die Ursache unseres Problems nicht unbedingt nur in der absolut unmöglichen Beschilderung erkannt zu haben glauben.   
Ein vorausfahrender Mietwagen hält an, der Fahrer steigt aus und klopft an unsere Seitenscheibe. Ich lasse sie herunterfahren und frage: „Kann ich Ihnen helfen?“
„Gott sei Dank, ihr sprecht Deutsch“, stöhnt der Mann. „Wir kommen von diesem verdammten Parkplatz nicht weg. Schon eine geschlagene Stunde irren wir hier rum. Euch geht es wohl auch nicht besser.“
Die Beifahrertür des vor uns stehenden Mietwagens geht auf, die Reisebegleiterin des Leidensgenossen möchte sich in das Gespräch einbringen.
„Zuerst habe ich ja gedacht, Manfred ist zu blöde um den Ausgang zu finden, weil er sich auch zuhause dauernd verfährt, aber dann haben wir beide genau geguckt. Es gibt keinen Weg hier raus. Die haben uns eingesperrt!“
Genau diese Ahnung hat mich bei meinen Rundfahrten auch beschlichen.
Meine mittlerweile ebenfalls ausgestiegene Ehefrau Lea sieht das natürlich anders: „Ach Quatsch! Die vielen Autos hier müssen ja wohl auch irgendwie auf diesen Platz gekommen sein. Also, was heißt das?“ Dabei blickt sie die fremden Urlauber kritisch an.
„Ja, was heißt das denn?“ kommt die prompte, gereizte Antwort.
„Dass wir die Ein- und Ausfahrt bisher bloß nicht gefunden oder übersehen haben, heißt das! Los, steig aus und lass mich fahren!“ Damit war ich gemeint. „Ich möchte rechtzeitig zum Abendessen im Hotel sein. Auf Wiedersehen, liebe Landsleute!“ Lea braust los, aber der überlegene und selbstsichere Gesichtsausdruck der zurückbleibenden, jetzt lässig an ihren Mietwagen gelehnten, scheinbar auf etwas wartenden Urlauber gefällt mir garnicht.
„Und Du gibst jetzt mal keine Ratschläge, wie ich zu Fahren habe!“ Meine Tochter Heidi muss natürlich noch einwerfen: „Ja. Papa, sag mal garnichts.“
Obwohl Lea die Richtungsschilder ganz bewusst ignoriert und dadurch neue Hoffnung aufkeimen lässt, ist uns kein Erfolg beschieden. Bei der ersten Vorbeifahrt an den wartenden Urlaubern werden uns ein „NA?“ und triumphierende Blicke zugeworfen, die zweite Passage wird von lautem Hohngelächter und Fingerzeigen begleitet. Ein drittes Mal darf und wird es nicht geben!
Ich melde mich zu Wort: „Lea, halt mal an. Wir müssen uns was überlegen.“ 
Lea stoppt den Mietwagen unsanft. „Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich will hier weg! Egal wie! Sieh mal da hinten, da sind Bauarbeiter. Die fragen wir jetzt!“ Schon braust sie los und kommt mit einer Art Notbremsung kurz vor den uns grinsend musternden Bauarbeitern zum Stillstand.
„Sie wollen den Parkplatz verlassen? Waren Sie denn schon überall? Haben Sie sich wirklich schon alles angesehen? Bitte schön!“
Diese laut über den Platz schmetternde Lautsprecherdurchsage lässt uns zusammenzucken. Im nächsten Augenblick werden dröhnend die Motoren der vor uns stehenden großen Baufahrzeuge gestartet, sie setzen sich in Bewegung und geben eine bisher durch sie versperrte Straße und einen Wegweiser in Richtung Hauptstadt frei. Die unverhohlen feixenden Bauarbeiter ignorierend lassen wir einigermaßen verstört diesen touristenfeindlichen Ort hinter uns.

Die romantischen, verklärten Bilder, die sich beim Studium der Urlaubsprospekte auf den heimischen Sitzmöbeln in den Köpfen der Urlaubswilligen bilden, stimmen mit der realen Welt vor (Urlaubs-)Ort nicht überein. Diese bittere Erkenntnis fraß sich in den ersten 3 Minuten meines allerersten und sehr preisgünstigen Urlaubs für immer in meinem Hirn fest.
Reist man gemeinsam mit Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts ist es ratsam, dieses Wissen nur hauchfein dosiert zu vermitteln. Die schonungslose Offenbarung der tatsächlichen Gegebenheiten ist weiblicherseits absolut unerwünscht und hat keinerlei Chance, akzeptiert zu werden. Diskutiert schon gar nicht!
Der letzte, an den männlichen Diskussionsteilnehmer gerichtete Satz eines solchen Gespräches wird immer lauten: „Du bist so gemein! Immer machst Du mir/uns alles kaputt. Wenn ich/wir mal was schön finde/n musst Du gleich …!“ Und so weiter…
Nur ein Beispiel: „Sieh mal, die vielen Blüten. Und die herrlich glänzenden großen Fliegen. Ist das nicht wunderschön?“
„Äh, bei diesen Fliegen handelt es sich um „Flatherum Locusa“. Die sitzen bevorzugt auf Fäkalienhaufen, hier muss also irgendwo …“
„Du bist so …“

Die einstündige Fahrt zu unserem Hotel führt uns zuerst durch ein Naturschutzgebiet und dann direkt am Meer entlang, wie ich aus der vom Routenplaner erstellten Beschreibung entnehme.
Lea ist begeistert von der Landschaft. „Halt doch mal irgendwo an. Ich möchte uns einen Strauß von den roten Blumen pflücken. Dann sieht unser Appartement gleich viel urlaubsmäßiger aus.“ Auch Heidi stimmt mit „Au ja, Mama“ zu.
„Lea, das hier ist Naturschutzgebiet.“
„Ja, und?“
„Du hast den Reiseführer doch auch gelesen. Das Naturschutzgebiet darf nicht betreten und erst recht nicht dürfen irgendwelche Pflanzen abgepflückt werden. Darauf stehen hohe Strafen.“
„Hier ist doch weit und breit kein Mensch zu sehen. Mach Dir nicht immer ins Hemd. Da vorn kannst Du anhalten. Neben der Straße ist genug Platz.“
„Lea, die hohen Strafen …“
„Los, halt an!“
Ich steuere den Mietwagen auf den kleinen, sandigen Parkplatz, Lea und Heidi hüpfen beschwingt in Richtung der roten Blumen.
Während ich noch im Reiseführer das Kapitel über das Verhalten in Naturschutzgebieten auf dieser Insel lese haben meine Frau und meine Tochter jeweils einen akzeptablen Strauß dieser roten Blumen gepflückt und in den Kofferraum gelegt. „Siehst Du, hat kein Mensch gemerkt. Du immer mit Deinen Bedenken. Hier ist Urlaub, nicht Deutschland! Werd‘ doch mal lockerer!“
Dann, kurz nachdem wir den kleinen, sandigen Parkplatz verlassen haben: „Mama, guck mal meine Arme an. Da sind so komische Flecken drauf. Und wie das juckt!“
Lea schreit erschrocken auf: „Ich habe ja auch solche Flecken. Was ist das denn, um Himmels Willen?“
Heidi fängt an zu weinen. „Mama, das juckt so doll. Ich habe Angst!“
Ich versuche zu beruhigen: „Hört bitte auf, euch zu kratzen! Damit wird es nur noch schlimmer! In der nächsten Siedlung frage ich nach einem Arzt. Das sieht wie eine schlimme Allergie aus!“
Ein Blick in das Gesicht meiner Frau veranlasst mich zur Steigerung der Fahrtgeschwindigkeit. Auf den sich ständig vergrößernden gelblichen Flecken haben sich bereits pralle, wässrige Pickel gebildet. Offenbar hat auch der Juckreiz mittlerweile die Grenze des Erträglichen für Lea und Heidi überschritten, denn während ich mich auf das Fahren konzentriere ist deutlich das „Plopp“ der beim Kratzen aufplatzenden Pickel zu hören. In meiner Fantasie sehe ich die beiden schleimig verflüssigt von den Sitzen fließen und steigere ein weiteres Mal das Tempo.   
Nur Minuten später halte ich vor einer Apotheke. „Los, sofort rein da, ihr beiden Unglücksraben. Hoffentlich können die uns helfen.“
Die anwesenden Kunden verbergen ihre Schadenfreude nur sehr unprofessionell und machen grinsend Platz, der Apotheker dagegen wirkt seelenruhig und unerschrocken. Wortlos öffnet er eine Schublade und holt zwei braune Fläschchen sowie ein Merkblatt hervor. Die Fläschchen reicht er meiner Frau und meiner Tochter mit den Worten: „Bitte sofort austrinken“, das Merkblatt hält er mir triumphierend vor die Nase.
Ich erkenne auf einem Bild die roten Blumen wieder, ein anderes Bild zeigt unglücklich dreinblickende nordeuropäische Menschen, deren Haut wie die meiner Frau und meiner Tochter aussieht.
„Verstehen Sie nun, wie klug die Vorschrift ist, die das Betreten des Naturschutzgebietes und das Abpflücken der dort heimischen Pflanzen untersagt, Senior?“ Ich nicke stumm. „Es wird noch ein Weilchen dauern, dann klingen die Symptome vollständig ab. Sollten Sie in Ihrem Mietwagen noch diese roten Blumen aufbewahren rate ich Ihnen, sie umgehend zu entsorgen und dabei unbedingt jeden Körperkontakt mit den Pflanzen zu vermeiden. Das macht dann 286,90 EURO. Sie können auch mit Kreditkarte zahlen.“
Die weitere Fahrt zum Hotel verläuft bis auf dezente Scharr- und Kratzgeräusche ruhig und wortlos.

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