Im Rhythmus des Dionysos

Satire zum Thema Kunst/ Künstler/ Kitsch

von  EkkehartMittelberg

Der Rhythmus reißt den Dichter mit sich fort
und spült ihn in die kreative Flut,
er schenkt ihm Bilder, Sprachmagie und Glut,
lenkt Worte an den vorbestimmten Ort,

berauscht ihn, in des Weingotts wildem Zuge
beschwingt auf schwarzem Panther stolz zu reiten,
in Dithyramben* ahnungsvoll zu gleiten,
vom Schöpfungsdrang erhoben wie im Fluge.

Doch dieser Sinnentaumel geht zu Ende,
der Rhythmus des Dionysos** läuft aus.
Der Dichter stützt den Kopf in seine Hände,

liest mit Apollos Augen Wortgebraus,
wähnt, dass er Ordnung in dem Rhythmus fände:
Mit dieser Brille kommt nur Chaos raus.


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

* Hymnen zu Ehren des Weingottes Dionysos

** Apollinisch-dionysisch, ursprünglich von Friedrich Nietzsche (1844 – 1900) eingeführt, ist ein in der Kunstgeschichte häufig verwendetes Begriffspaar. Es beschreibt zwei gegensätzliche Möglichkeiten, Kunst zu schaffen und zu betrachten. Dabei zielt es auf unterschiedliche Eigenschaften, die den griechischen Göttern Apollon und Dionysos zugeschrieben werden. „Hierbei steht apollinisch für Form und Ordnung und dionysisch für Rauschhaftigkeit und einen alle Formen sprengenden Schöpfungsdrang.“ (Wikipedia) Nur selten entsprechen bei der Kunstbetrachtung Vorlagen dieser idealtypischen Sichtweise, die zu vorschneller Kategorisierung verführt. Gegen die grobe Vereinfachung wendet sich mein satirisches Gedicht.

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Kommentare zu diesem Text


 loslosch (16.02.12)
aus dem inhalt der fußnoten hast du was anspruchsvolles gezaubert, ekki. und ich als "nicht-nist" hab wieder was gelernt. es ist so leichthin geschrieben. aber es war nicht leicht. vermute ich. lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Vielen Dank, Lothar. Ja, leicht war es nicht. Aber zumindestens für dich ist es verständlich rübergekommen. Das freut mich.

 irakulani (16.02.12)
Klasse, lieber Ekki! Scheinar leicht - doch sehr pointiert, kommt deine Botschaft an.
(Deine Anmerkungen sind hilfreich, aber ich würde sie nicht direkt unter das Gedicht setzen, sondern unter "Anmerkungen".)

Sehr gerne gelesen,
herzliche Grüße,
Ira
magenta (65) antwortete darauf am 16.02.12:
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 loslosch schrieb daraufhin am 16.02.12:
wie oft habe ich ihm das schon mitgeteilt, früher. diesmal wird der hinweis nicht ohne wirkung bleiben.

 Didi.Costaire äußerte darauf am 16.02.12:
Vor allem müsste die "(1)" aus der Überschrift. So sieht es aus, als würde noch ein zweiter Teil folgen.

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 16.02.12:
@ Irakulani, loslosch, Magenta, Didi.Costaire: Ich danke euch sehr für eure Kommentare.
Mit den Anmerkungen habt ihr ja sooo recht. Ich habe sie in einem anderen Forum, wo man sie nicht rückgängig machen konnte, mal vermasselt. Der Schock sitzt immer noch. Aber hier lassen sie sich ja problemlos verändern. Daran hatte ich nicht mehr gedacht. Ich hoffe, jetzt ist es in Ordnung.
Liebe Grüße
Ekki
magenta (65)
(16.02.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Liebe Heidrun, du hast immer eine Antenne für Selbstironie, auch dann, wenn sie versteckt ist. Besonders dafür meinen Dank!
LG
Ekki

 AZU20 (16.02.12)
Da steckt eine Menge drin. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Lieber Armin, du erkennst das Bemühen immer an.
Vielen Dank und LG
Ekki

 FRP (16.02.12)
Gelungen und amüsant. Ob der (in der Nähe meiner
Heimatstatt begrabene Altphilologe) Friedrich N.
daran seine Freude hat, wenn er "von oben"
mitliest? Denke ich schon. Seine Dithyramben
gehören für mich trotzdem zur großen Literatur,
obgleich mehr als Protokoll einer gequälten Seele,
denn als Kunst. Immerhin war sein Verstand schon
sehr getrübt, als er sie schrieb. So meint man heute,
Ariadne sei Cosima (Wagner) usw.

Herzliche Grüße

Rainer
(Kommentar korrigiert am 16.02.2012)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Vielen Dank, Rainer. Ich mag die Dithyramben Nietzsches auch sehr. Sein Gedicht "Vereinsamt" gehört für mich zu den besten deutscher Sprache. Ich vermute, dass du es kennst.
Herzliche Grüße
Ekki

 Bergmann (16.02.12)
Das Dionysische wird heute gern 'runtergebrochen' auf Gefühlsduselei und Emo. So werden - leider - auch immer öfter Theaterstücke inszeniert: Ödipos im vermüllten Hinterhof usw. Da wird das Dionysische eliminiert, Rausch ist heute eher durch Sex und Alkohol definiert, vielleicht auch noch durch selbst geschaffene 'Herausforderungen' (Weltumseglung, Wüstendurchquerung, Autoraserei etc.).
Und wo bleibt das Apollinische? Im Sumpf von Guttenberg und Wulff. Wahrheiten haben sich zu behaupten im demokratischen Wettbewerb der Stimmungen und des Geldmarkts, der in Verwertbarkeiten denkt. Und da gibts dann doch noch wieder etwas Dionysisches, den Geld- und Machtrausch, die konstantesten Bestrebungen der Menschheit, unkaputtbar.

Die in deinem Sonett formulierte Auffassung - der Dichter als Genie und Balance-Akrobat - ist nicht mehr so recht von dieser Welt, aber nur zur Zeit und ebenfalls unkaputtbar, zum Glück.

In der deutschen Literatur ist der Rausch wie gesagt abgesackt, das Apollinische in der Sprache erst recht, und wir sehen hier auf kv die weit gespannten Zerrbilder einer solchen verrauschten Kunst, deren Form oft allenfalls Bastelei genannt werden kann und deren Inhalte dickste Clichés und dümmliche Sehnsüchte darstellen.

Ein anregendes Sonett, lieber Ekki! Herzlichst: Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Ich freue mich sehr, dass dich mein Sonett zu diesem kritischen Kommentar anregen konnte, dem ich gerne zustimme, Uli.
"Unkaputtbar" ist eine herrliche Wortschöpfung. Ich lese sie zum ersten Mal.
Vielen Dank und herzliche Grüße
Ekki

 Bergmann meinte dazu am 16.02.12:
Unkaputtbar - leider nicht von mir. LG, Uli

 Georg Maria Wilke (16.02.12)
Deine Satire , lieber Ekki, zeigt wie beide Elemente doch eine "schöne Ordnung" schaffen. Gruß, Georg

 Songline meinte dazu am 16.02.12:
Hier schließe ich mich gerne an.
Liebe Grüße
Song

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.02.12:
Ich freue mich, dass du es so siehst, Georg.
Vielen Dank und LG
Ekki

 ViktorVanHynthersin (16.02.12)
Lieber Ekkehart,
wenn ich Deine fein gesponnene Satire lese, schweifen meine Gedanken in eine ganz andere Richtung als Du es und all die anderen Leser vermuten würden. Deshalb hier (in einer pn mehr) nur so viel: Hut ab, sehr, sehr gut!
Herzlichst
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.12:
Vielen Dank für dieses große Kompliment, Viktor.
Herzliche Grüße
Ekki
Steyk (61)
(17.02.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.12:
Wie gerne lese ich, dass dein feines Formgefühl zustimmt, Stefan. Danke!
Liebe Grüße
Ekki
SigrunAl-Badri (52)
(17.02.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 17.02.12:
Ja, Sigrun, mit einem dualistischen Schema kann man die Vielfältigkeit von Kunst nicht einfangen. Gerade sehr kluge Köpfe neigen dazu, ihre Sicht zu absolut zu setzen.
Mit herzlichem Dank für deinen nachdenklichen Kommentar und lieben Grüßen
Ekki
Piroschka (55)
(20.11.18)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.11.18:
Grazie, Piroschka. dyonollonisch ist wunderbar. Auf diese Synthese muss man erst einmal kommen.
Ganz vernietzscht
Ekki

 GastIltis (20.11.18)
Ist es denkbar, lieber Ekki, dass die Verse, je älter sie sind, sich umso jungenhafter lesen lassen? Oder liegt es am Thema und vielleicht an den vernaschten Trauben, die dir beim Schreiben zum Opfer geworden sind? Wer weiß? Ein Genuss für mich als Leser ist es allemal geblieben. LG von Gil.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 20.11.18:
Lieber Gil,
ich überlasse es dir, die Wirkung meiner Verse zu beschreiben. Als Selbstinterpret bin ich eine Niete. Ich freue mich sehr, dass sie dir gefallen. Merci.
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