Schmuck im Großen und Kleinen

Anekdote zum Thema Sprache/ Sprachen

von  loslosch

Γυναι, γυναιξὶ κόσμον ἡ σιγὴ φέρει (phonetisch: Gynai, gynaixi kosmon hä sigä ferei - nach Sophokles, ~497 v. Chr. bis ~406 v. Chr.; ähnlich 100 Jahre später auch Menander). O Frau, den Frauen bringt das Schweigen Zier.

Das klassische (auch vatikanische) Rollenverständnis der Frau. Die moderne Karrierefrau versteht es, mit diesem alten Denken souverän umzugehen. Ein ministerieller Redenschreiber der 1990er Jahre brütete über dem Entwurf einer Begrüßungsrede des Ministers zur Eröffnung der jährlichen Schmuckwarenmesse. Diese Rede sollte nach seinem Verständnis einleitend mit einer sprachlichen Weisheit glänzen: Kosmos, das alte griechische Wort für das Weltall, den mit einem Sternenmeer geschmückten Nachthimmel, ebenso für den funkelnden Schmuck an Hals, Arm und Bein. Ein gewagter Gag? So sah es zunächst die untere Entscheidungsebene. Hier verschaffte Linderung der Gang zur Frau Ministerialdirigentin. "Ja, das ist eine schöne Einleitung. Ich hatte auch Griechisch! Acht Jahre." Der Schreiberling: "Aber das müssen doch sechs Jahre gewesen sein, gnädige Frau." Madame einlenkend: "Na gut, dann waren es sieben. Die waren es aber bestimmt!"

Schon im Aufbruch meinte der beglückte Redenschreiber: "Kosmos steht in einem alten griechischen Sprichwort." - "So, und wie heißt das Sprichwort?" - "Γυναι, γυναιξὶ κόσμον ἡ σιγὴ φέρει." - "Ich höre was von Frau, Gynäkologie." - "Übersetzen werde ich das aber nur mit Ihrer ausdrücklichen Genehmigung." - "Nun, machen Sie schon!" - "O Frau, den Frauen bringt das Schweigen Schmuck." Ohne die geringste Spur von Irritation legte Frau Dirigentin nach: "Kennen Sie die Anekdote vom kleinen Churchill? Der saß zerstreut im Griechisch-Unterricht herum, als der Vokativ auf dem Plan stand. Der Teacher fragte den kleinen Winston: ´Was heißt ´´o du mein Tisch!´´?´ Richtig wäre ω τράπεζα (o trapeza, o Tisch) gewesen. Der pfiffige Junge aber sagte nur: ´Why should I talk to a table?´"

Eine Karrierefrau, im Nebenberuf Plaudertasche, hatte den alten griechischen Zierrat fast im Plauderton beiseite gewischt. Die wirtschaftspolitisch unbedeutende Rede des seligen Rexrodt soll übrigens ein Volltreffer gewesen sein.


Anmerkung von loslosch:

Erlebte Geschichten.

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Kommentare zu diesem Text

Nimbus (37)
(01.03.12)
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KoKa (44) meinte dazu am 01.03.12:
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Nimbus (37) antwortete darauf am 01.03.12:
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 EkkehartMittelberg (01.03.12)
Lothar, ich kann mir vorstellen, dass deine Übersetzung des alten Macho-Spruchs auch heute noch in folgender Version gültig ist: Er hat sie gekränkt. Sie schweigt unerträglich lange. Aus schlechtem Gewissen kauft er ihr Schmuck.
Den geistreichen Kommentar habe ich genossen.

 loslosch schrieb daraufhin am 01.03.12:
darfs auch ein pelzjäckchen sein, ekki? ja, das soll in den besten familien vorkommen! lothar

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 01.03.12:
aber sicher doch. Ein unechtes natürlich, denn sie liebt die Kreatur.

 loslosch ergänzte dazu am 01.03.12:
bei pelzchen gehen manche frauen über lei... tiere!

 ViktorVanHynthersin (01.03.12)
"Schmuck im Großen und Kleinen" oder "Das Schweigen der Schafe und Lämmer" ))
Ch. Grüße
Viktor

 loslosch meinte dazu am 01.03.12:
nun gibts auch noch schweigegeld. so hatte das sophokles nicht gemeint, viktor! lothar

 Lluviagata (01.03.12)
Ha!
Ich würde nach meinem Verständnis behaupten, dass sich fast alle Frauen mit ihrem Schmuck deshalb untereinander dermaßen brüsten, da sie ihn sich mit ihrem Schweigen erkaufen mussten. :))) Reden ist Silber, Schweigen bringt Gold.

 loslosch meinte dazu am 01.03.12:
nach der pfiffigen interpretation durch ekki sage ich, stellvertretend für eine schweigende frau: darfs nicht ein bisschen mehr sein? lothar

 Lluviagata meinte dazu am 01.03.12:
Ohhh, den hatte ich nicht gelesen. Aber-
Welcher meist leidgeprüfte Ehemann bringt seine Ehefrau mit Schmuck zum Reden??? Ist es nicht so, dass er froh ist, dass sie den Rand hält? Tststssss .... Es darf ruhig ein wenig länger dauern. Der Schmuck ist Schweigegeld, nix anderes! :P Und Ekki scheint eine Musterehe zu führen ... Dafür beneide ich ihn sehr! ;)))
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